Archiv für den Monat: Dezember 2011

Ein gutes Jahr 2012

Allen Leserinnen und Lesern von tauss-gezwitscher, allen Followern und Freunden auf twitter und Facebook und natürlich allen Freunden und Bekannten wünsche ich ein gutes neues Jahr 2012.

Die Herausforderungen an die Gestaltung einer freien und den Erhalt einer demokratischen Gesellschaft über unser Land hinaus werden nicht geringer und die Gegner leider nicht weniger.

Alle Auseinandersetzungen politisch erfolgreich und mit hoffentlich keinen Rückschlägen zu bestehen wäre mein Wunsch für die nächsten 12 Monate. Dass dazu natürlich auch in erforderlichem Maß Gesundheit, persönlicher Erfolg, Spass, Freude, hoffentlich wenig Frust und dafür viel Engagement gehören, ist selbstverständlich.

Am 31. 12. hört alles auf- und am 1.1.geht es daher sofort weiter 🙂

In diesem Sinne herzliche Grüße

Jörg Tauss

Silvester 2011

Wie im Märchen…..Fragen zu Herrn Wulff

Update 27. 12. nach dieser Antwort auf meine Anfrage vom 23. 12.:

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir äußern uns zu dieser Kundenbeziehung derzeit nicht.

Mit freundlichen Grüßen Manfred Rube, Direktor,

Leiter Vorstandssekretariat/Kommunikation (1350 KS) Baden-Württembergische Bank, Stuttgart

Das verwundert nicht wirklich. Dennoch stellen sich neue Fragen, die ich der BW-Bank gestellt habe:

Sehr geehrter Herr Rube,

vielen Dank für Ihre freundliche Antwort. Das Wort „derzeit“ lässt ja hoffen. Bis wann ist damit zu rechnen, dass Sie sich zu dieser Kundenbeziehung äußern? Treffen Presseberichte zu, dass auch der Aufsichtsrat Anfragen zu dieser Kundenbeziehung gestellt hat? Falls JA: Gibt es einen Termin, bis zu dem eine solche Anfrage aus dem Aufsichtsrat beantwortet wird? Treffen Presseberichte zu, dass der Aufsichtsrat in den Vorgang Wulff nicht involviert war? Gab es dem gegenüber einzelne Aufsichtsratsmitglieder, die in das Geschäft eingeweiht waren oder es gar vermittelt haben?

Dessen ungeachtet bitte ich um Beantwortung meiner Frage, wie viele Eigenheime die BW-Bank in Niedersachsen derzeit finanziert.

Mit freundlichen Grüßen Jörg Tauss

Warum wohl diese Zurückhaltung unseres baden-württembergischen staatlichen Bankinstituts? Vorsitzender des Aufsichtsrats ist immerhin der baden-württembergische Finanzminister. Hier also nochmals der Ausgangspunkt der oben dokumentierten Korrespondenz:

Es war einmal….. So beginnen viele Märchen. Und so läuft es nach eigener Werbung auch bei der BW-Bank in Baden- Württemberg. Wie im Märchen – nur einfacher. Wie aber kommt ein guter Wulff an einen märchenhaften baden-württembergischen Kredit mit 0,9 – 2,1% „flexiblem“ Zins für sein Häuschen in Großburgwedel / Niedersachsen?

Zu diesem Kreditgeschäft zwischen Herrn Wulff , zur Zeit Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland, und der BW-Bank in Baden-Württemberg gibt es daher  und jenseits der schönen Märchen von guten Freunden nun doch einige Fragen. Da ich Antworten hierzu noch nirgendwo an anderer Stelle gelesen habe, habe ich mich mal direkt bei der Pressestelle der BW-Bank erkundigt (die leicht genervte Antwort siehe oben):

Sehr geehrte Damen und Herren,

die BW-Bank hat in Niedersachsen ein Eigenheim des damaligen Ministerpräsidenten finanziert. Dazu gibt es einige Fragen:

1. Wie viele Eigenheime in Niedersachsen werden aktuell durch Ihr Haus finanziert?

2. Weshalb wurde Herrn Wulff ein Kredit mit Zinsen zwischen 0,9 und 2,1% vermittelt?

3. Gibt und gab es vergleichbar günstige Finanzierungen für andere Eigenheime in Baden-Württemberg und Niedersachsen durch Ihr Haus?

4. Wie entstand der Kontakt zwischen Herrn Wulff und der BW-Bank? Hat sich Herr Wulff direkt an Sie gewandt oder wer vermittelte das Kreditgeschäft?

Für eine zeitnahe Beantwortung der Fragen bin ich dankbar.

Mit freundlichen Grüßen

Jörg Tauss

Abhängig ist der Jahreszins laut Werbung bei der BW-Bank übrigens von persönlichen Faktoren… Je mehr Präsident, wahrscheinlich desto günstiger. Wie gesagt. Wie im Märchen.

Über das weitere Schicksal dieser Anfrage werde ich natürlich an dieser Stelle einen kleinen Artikel verfassen. Frage 4 habe ich übrigens auch direkt an Herrn Wulff unter seiner derzeitigen Berliner Adresse gestellt.

Fragen stellen andere übrigens nun auch:

http://m.ftd.de/artikel/60147207.xml?v=2.0

Herr Urbach im Gespräch bei Gebäck

Achtung ! Keine Glosse !

Herr Urbach (gelegentlich auf twitter) stattete dem 1. parlamentarischen Geschäftsführer bei der Union im Deutschen Bundestag einen Besuch ab und berichtete uns von seinen wichtigen politischen Gesprächen.

Ganz großes Kino! Inhaltlich ging es anscheinend um die Vorratsdatenspeicherung (VDS) , zu der Pirat Urbach an besagten Peter Altmaier sogar einen Brief geschrieben hatte. Wohl zur Abkürzung des Gesprächs hatte sich Herr Urbach vorweg bereits mit möglichen Einwendungen des Empfängers beschäftigt:

…. Sie werden einwenden, dass es nicht um die Verfolgung Andersdenkender geht, dass „wir“ die VDS brauchen, um lebensbedrohliche Gefahren, Terroranschläge, abzuwenden. Sie werden darauf hinweisen, dass das Bundesverfassungsgericht die VDS eben nicht grundsätzlich vom Tisch gewischt hat.

Man unterhielt sich trotz dieser Erkenntnisse und Vorahnungen dennoch eine gute Stunde adventlich nett im altmaierschen Bundestagsbüro. Zitat Herr Urbach: Bei Kaffee und Gebäck haben wir uns beschnuppert, ausgetauscht und Standpunkte abgeklopft. Da ist man auf die Ergebnisse natürlich gespannt. Wird Altmaier die Union auf Anti-Voratsdatenspeicherungskurs bringen?  Was erbrachte die Beschnupperung? Herr Urbach verrät es uns:

Bevor ich Inhalte, die ich für mich mitgenommen habe, wiedergebe, möchte ich noch festhalten, dass das Gespräch mit Herrn Altmaier sehr angenehm war und er ein sehr interessanter Gesprächspartner ist.
Prima. Kann ich bestätigen. Altmaier guckt beim Schnuppern immer ganz lieb mit großen Augen. Das kenne ich auch von unserer Katze Mamsell.

Was aber wurde aus der Schnupperrunde nun mitgenommen? Diese Neugier steigert Herr Urbach mit seinem nachfolgenden Satz in Unermessliche: Weiterlesen

Schröders Notrufbutton

Wenn wir ganz früher Nachbarn ärgern wollten haben wir geklingelt und sind unerkannt schnell davon gerannt. Ganz böse Buben warfen auch schon mal die Scheibe am Feuermelder ein und drückten den Knopf. Was dann kam war ne Ohrfeige, die Feuerwehr, Theater mit dem Rektor und die Verhängung von Stubenarrest für einen der etwas tappigen Ertappten. Er war beim Davonrennen nicht schnell genug.

Damals gab‘s kein Internet.

Heute gibt es Internet und dafür soll es jetzt statt des alten Feuermelders einen Notrufbutton für Kinder für den PC geben. Man muss nur drücken und nicht einmal mehr die Scheibe des Geräts einschlagen. Das ist die neueste Idee von Familienministerin Schröder.

Der Notrufbutton sei eine Art Feuermelder für Kinder und Jugendliche, die gerade vor dem PC sitzen und in der Vorstellungswelt von Frau Schröder von einem bösen Onkel oder aktuell von einem CDU-Landtagsabgeordneten belästigt werden. Er soll ermöglichen, dass ihnen „bei Gewalt oder Belästigung *im Netz* die Hilfe vermittelt werden kann, die sie in einer Gefährdungssituation brauchen“. Frau Schröder hat doch zu viel Unterschichten-Fernsehen mit Stefanie zu Guttenberg geguckt.

Neu ist die Schnapsidee nicht. Das Copyright für einen Notruf-Button im Browser (was war das noch?) liegt seit Oktober 2009 bei Klaus Jansen, dem überwachungsvisionären Chefs des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK). Weiterlesen

Vom Schweigen der Presse- und anderer Stellen

Dem Verbreiten möglichst vieler Mitteilungen an die Bewohner der Informationsgesellschaft dienen twitternde Regierungssprecher oder die Abholzung ganzer Wälder zur Erstellung gedruckter Mitteilungen. Pressesprecher (war selbst mal einer) bemühen sich den lieben langen Tag, das Wirken deren Chefs und Arbeitgeber im rosigsten Licht erscheinen zu lassen. Man hofft auf Abdruck und Sendung und geht im Falle der Erfüllung des Wunsches nach Feierabend erfreut nach Hause. Für diesen Erfolg wird schließlich Gehalt gezahlt.

Ärgerlich wird‘s nur, wenn im eigenen Laden gerade etwas mehr oder weniger schief läuft oder der verbliebene Rest dieser investigativen Journaille nachfragt und in Wunden bohrt. Dann werden aus den eloquentesten Sprechern plötzlich stille Schweiger. Einige herausragende Beispiele aus Politik und Behörden aus dem ablaufenden Jahr 2011 seien in alphabetischer Reihenfolge mal vorgestellt. Weiterlesen

Copy & Paste als erste Lektion

Die für Fragen der Informationsgesellschaft zuständige EU-Kommissarin Nelli Kroes hat bei einer Pressekonferenz den ehemaligen Wirtschafts- und Verteidigungsminister zu Guttenberg als ihren Berater zur Durchsetzung der „no-disconnect“  Strategie der EU vorgestellt.

Die EU will damit die Freiheit im Internet außerhalb der EU weltweit fördern. LamorPolle hat so auch schon Angst um die Menschen auf dem Tahir-Platz, sollte KT dort einfliegen. Kritik an Beschränkungen des Internet innerhalb der EU, etwa in Frankreich, war für die Niederländerin bei deren Pressekonferenz allerdings tatsächlich kein Thema. Auch Länder, die der Freiherr beglücken soll, wurden ausdrücklich nicht genannt.

Karl- Theodor zu Guttenberg war über via Internet aufgedeckte Plagiate (Guttenplag) in seiner Doktorarbeit gestolpert, musste seinen akademischen Grad zurückgeben, verlor seine politischen Ämter und zog sich in die USA zurück. Im Jahr 2009 war er als Minister noch federführend für die in Deutschland gescheiterten Internetsperren (Zugangserschwerungsgesetz) verantwortlich. Seine EU-Beauftragung löste deshalb jetzt auch eine Welle der Kritik aus. Kroes konterte diese mit der Anmerkung, sie suche „Talente und keine Heilige“.

Auf twitter wird dieser Vorgang so auch mit beißendem Spott verfolgt. Ich habe mal nachgelesen: Weiterlesen

Meinungsfreiheit ist Menschenrecht

Menschenrechtsorganisationen verweisen am heutigen Tag der Menschenrechte auf die schwierige Situation der Blogger in weiten Teilen der Welt und über Systemgrenzen hinweg. Reporter ohne Grenzen macht auf das Schicksal von 100 aktuell in der Volksrepublik inhaftierten Journalisten, Internetaktivisten und Blogger aufmerksam.

China ist nach Auffassung der Organisation damit das weltgrößte Gefängnis für Vergehen wie „Staatsgefährdung“ oder die „Enthüllung von Staatsgeheimnissen“. Diese Delikte werden mit Gefängnis oder Arbeitslagern unter harten Bedingungen bestraft.

Auch Amnesty International weist aktuell auf die vielen Menschen hin, die ihre Freiheit verlieren, weil sie nicht anderes tun, als von ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch zu machen. Meinungsfreiheit ist ein zentrales Menschenrecht, das weltweit elementar verletzt wird.

Trotz des „arabischen Frühlings“ wurden beispielsweise die beiden Blogger Alaa Abd El-Fattah und Maikel Nabil Sanad in Ägypten wegen Kritik am Militär zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt und sind trotz des nachhaltigen Protests von Amnesty noch immer nicht frei.

Aber bereits „einfache Schikanen“ treffen Blogger in allen Teilen der Welt.  Der Internetaktivistin Yoani Sánchez wurde seitens kubanischer Behörden immer wieder wegen regimekritischer Aussagen die Ausreise aus dem Land verweigert. So konnte sie im Frühjahr des Jahres nicht zum TAZ-Medienkongress nach Berlin reisen. Ihr hoher Bekanntheitsgrad schützt sie vor Schlimmeren. Denn Amnesty verweist auf mindestens 53 gewaltlose politische Gefangene im Urlaubsparadies Kuba.

In Vietnam „verschwand“ nach Mitteilung der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) Ende November die Bloggerin Bui Minh Hang , die sich mit Freunden gegen das dortige Versammlungsverbot einsetzte. Von ihr fehlt derzeit noch jede Spur.

Kann man helfen? Nicht nur nach Auffassung von Amnesty JA. Proteste aus dem Ausland sind vielen Regimen dieser Welt durchaus lästig. Und sie schützen die Opfer vor noch mehr Willkür, indem man auf deren Schicksal nicht nur am Tag der Menschenrechte aufmerksam macht.  Vergesslichkeit ist auch eine Form der Freiheit, meinte Khalil Gibran. Freiheit wird aber gerade bei bedrohten Menschen durch deren NICHTvergessen geschützt.

„Mehr“ Demokratie contra „Demokratie“

+++ Abstimmung auf dem SPD- Parteitag für Vorratsdatenspeicherung++++

SPD- Parteitag stärkt die Union in Sachen Vorratsdatenspeicherung

Zwei Parteitage, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten, fanden zeitgleich an unterschiedlichen Orten statt. Die gute alte SPD tagte in Berlin, die Piraten trafen sich in Offenbach. Außer der Bezeichnung „Parteitag“ haben beide Politevents wenig miteinander zu tun.

Bei den einen gibt es das verzweifelte Bemühen, mit Hilfe Helmut Schmidts und stundenlangen Reden des Führungspersonals an glorreichere Tage politischen Erfolgs anzuknüpfen. Bei den anderen brodelt nach dem ersten Einzug in das Berliner Abgeordnetenhaus eine politische Ursuppe, von der niemand richtig weiß, was daraus entstehen kann oder noch entstehen wird und kann. Jugendliche Ungeduld und Aufbruchstimmung kontrastiert auffällig zur ältesten Partei Deutschlands, die mit Union und der Linken auch im Altersschnitt der Mitglieder wenig rüstig ins Rentenalter strebt.

Just in die Zeit dieser beiden Parteitage fiel der bislang größte außerparlamentarische Erfolg der Piraten, die mit der Netzbewegung den Versuch der Installation einer Zensurinfrastruktur im Internet in Deutschland verhindert hatten. Sang- und klanglos räumte der Bundestag seinen eigenen gesetzgeberischen Unfug des Zensursula-Gesetzes nach zweijährigem Siechtum ab.

Die SPD musste zerknirscht ihren Irrtum einräumen, dem sie in großer Koalition mit der Union gegen alle Warnungen populistisch mit der vermeintlichen Bekämpfung von Kinderpornografie erlegen war. Selbst dieser Triumph war den Piraten in Offenbach auf der Suche nach neuen Ufern aber kaum noch ein Wort wert.

Bei der SPD wäre Vergleichbares medial inszeniert in minutenlangen Parteitagsovationen abgefeiert worden. Und dennoch lernt man dort offensichtlich wieder nicht aus den bürgerrechtlichen Fehlern der Vergangenheit, die seit dem verfassungswidrigen großen Lauschangriff bis hin zu Zensursula Methode sind. Unbelehrbar folgt die Partei, welche vor Jahrzehnten „mehr Demokratie wagen“ wollte, ihrem Vorsitzenden Gabriel auf auf dem weiteren Weg vom Rechtsstaat in den präventiven Überwachungsstaat.

Drei statt bislang sechs Monate Vorratsdatenspeicherung sollen jetzt ein „Kompromiss“ sein, der jetzt auch noch an die Bundestagsfraktion als Material „überwiesen“ wird. Dort aber sitzen eher Befürworter denn Gegner der Bürgerüberwachung. Das mehrfach verschobene politisch feige Signal des SPD-Parteitags, jetzt noch einmal verschoben, ist klar:

Lieber verbündet man sich seitens der SPD-Führung einmal mehr mit einem erzreaktionären BKA-Präsidenten mit SPD- Parteibuch oder dem innenpolitischen Amokläufer und Unions-Mann Hans-Peter Uhl, als in Sachen VDS der letzten Sozialliberalen in der FDP, Justizministerin Sabine Leuheusser-Schnarrenberger, den Rücken zu stärken. Die SPD begreift nicht einmal das Problem: Es geht nicht um die Speicherzeit von Vorratsdaten als solchen, sondern darum, ob man präventiv die Kommunikationsdaten aller Bürgerinnen und Bürger speichern und diese damit unter Generalverdacht stellen will.

Mit einem einzigen Satz wurde die SPD vom Piratenvorsitzenden Sebastian Nerz bei diesem Herumgeeiere deshalb bürgerrechtlich versenkt: Piraten wollten nicht mehr nur MEHR Demokratie, sondern statt dessen DEMOKRATIE wagen. Volltreffer. Chapeau! Aus der Debatte um Bürgerrechte hat sich die SPD mit ihrem Berliner Beschluss zu Vorratsdaten endgültig verabschiedet.

Nachruf auf „Zensursula“

2007 ging es los. Bei der damaligen Herbsttagung des Bundeskriminalamts (BKA) wurde in Wiesbaden die Forderung nach gesetzlicher Sperrung von Internetseiten erhoben. Begründet wurde dies mit „Erfolgen“ in Skandinavien im Kampf gegen „Kinderpornografie im Internet“. In Deutschland existiere, so tönte BKA- Präsident Ziercke, ein offener und gesetzlich ungeregelter Zugang zu Darstellungen missbrauchter Kinder im Internet.

Kinderschutzorganisationen wie UNICEF und Guttenbergs „Innocence in Danger“ stürzten sich auf das Thema und verbreiteten die offenkundige Unwahrheit. Der Missbrauch findet an anderen Stellen und selbst bei entsprechenden Darstellungen im Internet im Verborgenen statt. Selbst in Fußballstadien wurde aber dafür geworben, „endlich“ Kinderpornografie im Internet zu sperren.

Mit spektakulären Polizeiaktionen wie der „Operation Himmel“ wurden tausende Ermittlungsverfahren gegen die vermeintlichen Konsumenten kinderpornografischen Materials eingeleitet und später stillschweigend eingestellt. Die Medien heizten bis zur Tagesschau an „Heiigabend“ das Thema an. Im heute-journal wurde behauptet, mit lediglich „zwei Mausklicks“ hätte man Zugang zu Fotos sexuell gequälter Kinder. Zu einer Richtigstellung war das ZDF bis heute nicht bereit.

Die damalige Familienministerin von der Leyen bemächtigte sich des Themas und brachte das „Zugangserschwerungsgesetz“ in die parlamentarische Debatte. Damit sollte der Zugang zu kinderpornografischen Seiten im Internet nach eben skandinavischem Vorbild gesperrt werden. Nicht nur die Opfer von Missbrauch fragten sich, warum die Darstellung eines missbrauchten Kindes nicht gelöscht, sondern lediglich mit einem technisch leicht umgehbaren Stoppschild versehen werden sollte. Ausländische Staaten wie Indien wurden von der Bundesregierung zur Begründung fälschlicherweise beschuldigt, „keine Gesetzgebung“ gegen kinderpornografisches Material zu haben. Daher seien solche Sperren notwendig. Es begann seitens vieler Netzaktivisten ein erbitterter  Kampf gegen die Errichtung einer Zensurinfrastruktur für Deutschland, um die es dem BKA statt des vorgeschobenen Kampfes gegen Kinderpornografie wohl tatsächlich ging. Franziska Heinen organisierte hiergegen mit 134.000 Zeichnern die größte Petition, die je zuvor an den Deutschen Bundestag gerichtet worden war.

Vergeblich: Gegen die Argumente von Fachleuten wurde das Zugangserschwerungsgesetz im Juni 2009 seitens der damaligen schwarzroten Koalition nach einem dubiosen parlamentarischen Verfahren in namentlicher Abstimmung beschlossen. Ich verließ nach 38 Jahren Mitgliedschaft die SPD. Stimmen der Vernunft setzten sich dort gegen die noch heute anhaltende kinderpornografische Hysterie zum Thema Internet nicht mehr durch. Der damalige Bundespräsident Köhler unterzeichnete Zensursula trotz ihm vorgetragener verfassungsrechtlicher Bedenken. Seine Frau engagierte sich mit „Schirmherrschaften“ für Veranstaltungen öffentlich dafür. Erst der schwarzgelben Koalition dämmerte nach der Bundestagswahl 2009, welcher Unfug da auf den Weg gebracht worden war. Nach zweijährigem Siechtum und einem exekutiven Nichtanwendungserlass wurde das Gesetz letzten Donnerstag am späten Abend im Deutschen Bundestag 2 Jahre danach jetzt wieder ohne größere Debatte wieder aufgehoben.

War was? Ja: Es gab ein jahrelang inszeniertes Lehrbeispiel für populistische Gesetzgebung aufgrund einer medialen Kampagne. Und es gab einen unerträglichen politischen Missbrauch missbrauchter Kinder als Wahlkampfgag. Und es gibt noch immer einen BKA-Präsidenten, der in einer ernsten Angelegenheit wie Kinderpornografie Öffentlichkeit, Parlament und Medien über Jahre hinweg belog und belügt. Bei welchem Thema kann man solchen Leuten an anderer Stelle eigentlich vertrauen? Etwa jetzt bei der Vorratsdatenspeicherung?