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Piraten weisen Bosbach den Weg

Diese Woche habe ich mir mal den Vorsitzenden des Innenausschusses im Bundestag, Wolfgang Bosbach (CDU) angehört. Er sprach vor rund 250 CDU- Anhängern hinter den leeren Eimern (Foto)  in einem Gartenzentrum meiner Region. Denn er wollte nicht im Freien und nicht in einem Saal reden, erfuhr das Publikum. Und so sei man auf die Idee mit der Gärtnerei gekommen.  Bosbach teilte dann auch fröhlich mit, er hätte mal in einer Schreinerei, aber noch nie in einem Gewächshaus, geredet. Damit waren wir quitt. Ich musste auch noch nie in einer Geranienaufzuchtstation der CDU zuhören.

Begrüßt wurden dann, als es endlich losging, die Anhänger der CDU. Auf die Idee, dass sich auch Nichtanhänger und Normalbürger mal in eine Veranstaltung der Union verirren könnten, kommen die schon gar nicht mehr. Halt: Auch der Bürgermeister (nicht CDU) wurde begrüßt. Doch der war (noch?) gar nicht da. Allerdings ist die Schmerzschwelle für eine derartige Veranstaltung so hoch, dass man schon wieder Verständnis hat, wenn der Bürgermeister in der Amtsstube bleibt.

Wenigstens war ein Bierstand aufgebaut. Alkoholfreie Getränke gab es dagegen nicht. Alkohol ist also eine weitere Strategie für einigermaßen normale Menschen, am frühen Nachmittag CDU- Plattheiten über sich ergehen zu lassen. Einige Kostproben:

Bosbach lobte, weil „das endlich mal fällig“ sei, die Opas und Omas, die nach dem Krieg das alles bei uns aufgebaut hätten. Irgendwie geht es da schon in der zeitlichen Dimension schon was durcheinander. Denn schon Nachkriegsgeborene gehen als Großeltern auf die 70 zu. Auch Bosbachs Mama hatte mit dem Kriegsausgang als 5-jährige wohl wenig zu tun und war als Trümmerfrau kaum einsetzbar. Egal. Die anwesenden Omas und Opas fühlten sich angesprochen und freuten sich.

Bosbach verhagelte dann die zunehmend gelöste Bierstimmung mit der Mitteilung, dass sie (die hart arbeitenden Anwesenden) ihren armen Kindern demnächst nichts mehr vererben könnten. Vorausgesetzt natürlich nur, dass ROT- Rot- Grün regiere. Dann wäre dank Erbschaftssteuer nämlich fast alles, was sie versteuert (sic!) erarbeitet hätten, einfach weg. Das Erschrecken stand meinen Tischnachbarn ins Gesicht geschrieben. Jetzt freuten sie sich nicht mehr. Das ganze schöne Angesparte weg, nur weil man im Sarg liegt? Das führt schon zu schlaflosen Nächten.

Flugs wechselte Bosbach also das Thema. Soviel Horror war dem Publikum nun doch nicht zumutbar. Er erzählte jetzt was vom globalen Wettbewerb, der Notwendigkeit von Bildung und vom Westfalen an sich. Die Westfalen fragten immer, „was machen wir heute?“ Die Rheinländer, wie er, seien da ganz anders. Die fragten, „was machen wir heute ABEND?“. Da lachte der Saal wieder. Und überhaupt, fand Bosbach, sollten wir „uns“ nicht so wichtig nehmen.

Jetzt nahm er sich aber wieder ganz wichtig, wurde total ernst und erzählte von früher, als sie noch kein Handy hatten, gegen alles traten was RUND war und erst heimgingen, als es Dunkel wurde und die Mama schimpfte. Irgendwie war zu vermuten, dass nun die Forderung nach Videoüberwachung oder Vorratsdatenspeicherung kommen würde. Aber er kam nur zu Facebook. Früher gab es kein Handy, heute Facebook erläuterte Bosbach. Das sei eben das veränderte Kommunikationsverhalten, das er aber auch nicht verstünde. Seine Tochter sei da ganz anders. Die wisse Bescheid. Was nur wollte er uns damit sagen? „Dass es eben keine Einheitskinder gibt, und es deshalb keine Einheitsschule geben darf“. Ach so. Der Zusammenhang erschließt sich automatisch.

„Es muss aufhören, dass die Alten aus den Betrieben gedrängt werden“, rief Bosbach dann nach dem Facebook- Einblick in „Milliarden Nutzer“  in die versammelte Menge. Und er lobte Baden- Württemberg und dessen Erfinder des Faxgerätes. Hier, und nicht von Bill Gates, sei von Zuse nämlich der Computer erfunden worden. Zuse war zwar Berliner und nach dem Krieg auch mal im ALLGÄU. Aber diese Kurve brauchte er wohl, um dann vom Export „von in den USA gebauten BMW- Autos“ zu berichten und davon, dass die CDU die Partei für jene sei, „die um 6.00 Uhr aufstehen, um zu arbeiten…“ Das freute die Rentner. Deshalb seien die Renten in Deutschland sicher. Ach so. Und deshalb müsse man sich gegen den „rot- grünen Feldzug wehren„.

Ich bin kein Rebell…..

Denn nur unter der CDU sei alles gut und am Wahlabend brauche man einen ganz großen schwarzen Balken bei der Hochrechnung. Das freue ihn dann immer, verriet er dann. Die Grünen wollten schliesslich „die Bratwurst verbieten“. Auch das mache den schwarz- grünen Unterschied aus. Na denn. Und das Schlimme an Steinbrück sei, dass der nicht nur sage, was er denke, sondern sogar denkt, was er sagt. Irgendwie hat er sich bei diesem Gag wohl verheddert. Das fiel aber niemand auf, zumal er meinte, die tolle Merkel sei, natürlich im Gegensatz zu Steinbrück, da ganz anders und natürlich. Da wurde wieder lebhaft geklatscht.

Unvermittelt rief Bosbach nun in das Gewächshaus, er sei doch kein Rebell. Das müsse er gerade bei der CDU doch auch mal sagen dürfen und müssen. Aber das hätte auch kaum einer vermutet. „Aber es darf nicht so sein, dass Deutschland so viel für Banken und Griechenlandschulden haftet“. Das hätte er auch der Kanzlerin gesagt. Ach so. Aber nur deshalb sei „er doch kein Quertreiber“, beteuerte Bosbach. Jeder glaubte ihm aufs Wort.

Und man solle der FDP nur keine Leihstimmen geben. Denn die „geben geliehene Stimmen nie zurück“, sagte Bosbach. Stimmt, sagte die Frau mir gegenüber nachdenklich und biss in eine der kostenlos ausgegebenen Brezeln, die sie sicher auch nie der CDU zurückgibt.

Jetzt wünschte er „uns“  und den regionalen Kandidaten noch viel Erfolg. Da die Rede zu Ende war, wurde jetzt ganz viel geklatscht. Eine Diskussion gab es nicht.Vielleicht hätte nicht nur ich gefragt, warum der Vorsitzende des Bundestagsinnenausschusses kein Wort zum Thema Bürgerrechte oder zu aktuellen Themen wie NSU oder Prism verlor. War da nicht was in der letzten Zeit? Zum Beispiel der Bundestagsbericht zum zentralen Versagen der Sicherheitsbehörden? Nicht für Bosbach.

Deshalb nur noch ein kleiner Nachtrag zur Überschrift dieses Beitrags: Dass er eine Stunde zu spät zum Vortrag dieser nun wahrhaft historischen Ansprache kam, begründete Bosbach neben dem  A5- Stau hinter Rust damit, sein Navi hätte ihn zunächst nur in den Wald geführt. Erst Piraten, die am Waldesrand mit Großplakat gegen Bosbachs Anwesenheit demonstrierten, verrieten ihm dann den Weg zum Gärtnereieingang. Das mit den Piraten hat er vor Ort im Gewächshaus aber leider nicht erzählt. Das mit dem Navi und dem Wald dagegen schon. Wäre doch aber ein richtiger Gag gewesen: Piraten weisen dem verirrten Bosbach den rechten Weg. Ist fast schon was für den nächsten rheinischen Karneval.

 

 

 

 

 

 

„Piraten auf falschem Kurs“ – Anspruch und Wirklichkeit der Piratenpartei

Jo Menschenfreund ein Buch zu den “ Piraten auf falschem Kurs“ herausgegeben, das die überfällige Debatte zum Zustand dieser Partei belebt:

Auch wenn wir strategisch an unterschiedlichen Stellen unterschiedlicher Auffassung sind, bin ich gerne dem Wunsch des Herausgebers nachgekommen, zum Werk etwas beizusteuern: Hier ist der Beitrag, der im Buch als Vorwort zu finden ist:

Jörg Tauss* Mal was zu den Piraten

Überlebt die Piratenpartei ihren 7. Geburtstag? Alles spricht dafür, auch wenn die Piraten in ihrem siebten Jahr in der tiefsten Krise seit Gründung stecken. Denn auch mit nur noch 1% der Wählerstimmen ließe sich via Parteienfinanzierung längere Zeit überleben. Dennoch ist der Hype, der die Freibeuter zunächst in vier Landesparlamente spülte, zunächst offensichtlich vorbei. Manches ist dabei der gesellschaftlichen Entwicklung geschuldet.

So war und ist die Eurokrise lange Zeit das alles überschattende Megathema, das auch die Piraten kalt erwischte. Da es außerhalb ihrer Kernkompetenz lag, wurden sie hier nicht wahrgenommen oder gar mit dem Vorwurf konfrontiert, keine Lösungen anbieten zu können. Die etablierten Parteien hatten diese zwar auch nicht und selbst demokratiepolitisch wie ökonomisch fragwürdige Entscheidungen zu diversen Pakten und Einrichtungen, wie zur „Bankenrettung“ und zum ESM, konnten daran nichts ändern.

Zudem verbot es sich für die deutschen Piraten als Teil einer europäischen Bewegung, beim Euro eine populistisch antieuropäische Rhetorik zu bedienen, um Proteststimmen einzufangen. Die ein bis drei Prozentpunkte einer solchen Protestwählerschaft sind daher bei der AfD angekommen. Zumal diesem Teil der Wählerschaft klar wurde, dass die Piraten mehrheitlich, und entgegen des gelegentlichen Getöses um  einige rechtsgerichtete Mitglieder, eher im linksliberalen Bereich anzusiedeln sind, als bei irgendeiner rechtspopulistischen Veranstaltung.

Für diese schlichte Situationsbeschreibung tragen die Piraten zunächst keine Verantwortung. Es ist und war Pech, wenn einer, zudem inhaltlich noch nicht gefestigten, Partei die Agenda abhanden kommt oder diese erfolgreicher von der politischen Konkurrenz bedient wird. Möglicherweise ändert sich dies aber wieder durch die aktuellen Überwachungsskandale.

Sollte dies nicht geschehen wäre es dennoch verfehlt, für die derzeit schwierige Situation der Partei allein politisch wechselnde Großwetterlagen verantwortlich zu machen. Hierfür gibt es auch eine Reihe hausgemachter Ursachen, die hier und in diesem Buch näher beleuchtet werden sollen.

Die Piraten der ersten Stunde waren bis ins Jahr 2009 hinein Bürgerrechtler mit liberalem Hintergrund, denen vor allem der internetfeindliche Überwachungs- und Kontrollstaat Sorge bereitete. Auslöser der Piratengründung war so auch in Schweden die Zerschlagung der Musiktauschbörse „Pirate Bay“und die damit verbundene Kriminalisierung der Mehrheit der schwedischen Jugend, die zu Tausenden zu den Piraten strömten und diese sogar mit zwei Sitzen ins Europaparlament hievten. Die Jugendlichen wurden von der alten Musikindustrie als Piraten beschimpft. So war es ein kluger Schachzug, den Namen zu übernehmen und den Spieß gegen die „Contentmafia“ umzukehren.

Doch schon im Bundestagswahlkampf 2009 zeigte sich trotz des damals heiß diskutierten Themas Internetsperren, dass das Thema Internet zu schmal war, um in größerem Maßstab Wählerinnen und Wähler anzulocken. Das Wort von der „1-Themen-Partei“ machte medial, wenngleich unberechtigt, die Runde. Unberechtigt deshalb, weil mit dem Thema Bildungs- und Wissensgesellschaft auch bereits damals weitere breite Politikfelder angesprochen waren.

Dass aber Realität und öffentliche Wahrnehmung oft auseinanderliegen, ist ein schwacher Trost, zumal die falschen Darstellungen von den Befürwortern einer Programmausweitung „Vollis“ innerparteilich gegen die „Kernis“ instrumentalisiert wurden. Letztere, welche die Kernaussagen der Gründungsphase weiter im Mittelpunkt haben wollten, gerieten rasch in die Minderheit.

Am deutlichsten wurde dieser Konflikt an den Auseinandersetzungen um ein „Bedingungsloses Grundeinkommen“ (BGE). Statt sich hier des Themas behutsam und grundsätzlich zu nähern, wurde es mit Formelkompromissen Teil des heutigen Grundsatzprogramms. Viele Mitglieder aus dem ursprünglich liberalen Lager wurden durch diesn Durchmarsch der BGE- Befürworter abgeschreckt und verließen die Partei. BGE wurde zur innerparteilichen Ersatzreligion und Ausgrenzungsthematik Andersdenkender, statt zum seriös zu bearbeitenden Politikfeld.

Dieser Stil der Ausgrenzung wurde so, nachdem er innerparteilich zweifelhaften „Erfolg“ hatte, zum durchgehenden innerparteilichen Erfolgsrezept. Innerparteiliche Diskussionen werden vor allem mit dem Mittel der Diffamierung und der Ausgrenzung geführt oder beendet. Kritiker des „Mainstreams“ werden wahlweise als Sexisten oder Nazis beschimpft.

Ein interessantes Beispiel hierfür war, schon vor der BGE-Debatte, die „datenschutzkritische Spackeria“, die völlig substanzlos die Ära der „Postprivacy“ ausrief und die klassische Datenschutzszene in Deutschland, bis hin zum Chaos Computer Club (CCC), quasi zu Gegnern der Piraten erklärte und sie auch so behandelte. Da auch dieser Konflikt, wie andere auch, innerparteilich nicht inhaltlich ausgetragen wird, dürfte der Langzeitschaden dieser Rundumschläge  für die Partei noch größer als der BGE- Schaden sein.

Denn nicht ausgetragene Konflikte sind im politischen Bereich schlimmer als schwelende Dauerstreitigkeiten. Aber irgendwelche Konfliktlösungsstrategien gibt es bei den Piraten nicht. Ganz im Gegenteil. Dafür steht vor allem der gegenwärtige Bundesvorsitzende Bernd Schlömer, der von den Berliner BGE- Hardlinern ins Amt gehievt wurde. Schlömer übt sein Amt im Stile eines Aussitzers aus, der persönliche Arroganz mit Führungskompetenz verwechselt. Er dürfte der einzige Vorsitzende einer politischen Partei sein, der schon mal dazu aufruft, die Basis doch bitte gegen den Vorstand zu mobilisieren, wenn jemand eine Entscheidung in der Sache kritisiert und Transparenz einfordert.

Schlömer schafft es auch, Personalkonflikte zu schüren, statt zu lösen. Als der gewiss für manches Fettnäpfchen aufgefallene ehemalige politische Geschäftsführer Johannes Ponader wegen dessen Hartz IV- Bezügen vom Vorstand der Arbeitsagentur (BA) Heinrich Alt angerüpelt wurde, legte Schlömer nach und forderte ganz im Stile Kurt Becks („rasieren Sie sich mal“) via Spiegel nach: Ponader solle mal arbeiten.

Das aber ist nicht nur eklig sondern tödlich für eine Partei, die sich sonst für ein BGE ausspricht. Statt die Steilvorlage zu nutzen und den Rücktritt Alts zu fordern, wurde innerparteilich ein ganzer Porzellanladen zertrampelt. Denn natürlich wäre Alts unsägliche Attacke gegen Ponader geeignet gewesen, über die gesellschaftliche (Nicht-)Partizipation staatlicher Leistungsbezieher und der würdelosen Behandlung vieler Hartz IV- Opfer eine gesellschaftliche Debatte zu beginnen.

Damit verletzte Schlömer auch weitere Grundsätze der Partei, die sich damit rühmt, dass Vorstände für Organisation statt für Inhalte zuständig seien. Denn außer der ordentlich geführten Kasse wird vom Bundesvorstand wenig organisiert. Hoffnungslos überfordert sind Schlömer und viele seiner Vorstandskollegen mit der Organisation von Diskussionsprozessen, welche die Internetpartei dringend nötig hätte. Statt dessen lässt man auch hier die Züge aufeinander rauschen, wie zuletzt die selbstzerstörerische Debatte um elektronische Meinungsbildungs- und Abstimmungstools wie LQFB (Liquid Feedback) oder eine ständige Mitgliederversammlung (SMV) zeigt.

Auch hier sind die gewählten Gremien völlig unfähig, Debatten ergebnisorientiert auch nur zu moderieren. Statt dessen wird eher ein ständig vergrößerter Scherbenhaufen in Kauf genommen, der auch gutwilligste Menschen aus der Partei treibt. Dass die logisch klingende Anwendung solcher Tools zu unterirdischen Auseinandersetzungen führte und führt, hängt wiederum mit jenem Teil der Partei zusammen, der Schlömer ins Amt wählte. Ein Teil der Berliner Piraten und deren Verbündete wollen schlicht ein innerparteiliches Instrument gegen unbequeme Meinungen im eigenen Herrschaftsbereich haben.

Wer dort dann „falsche“ Anträge stellt wird gemobbt und bekämpft. Da wird dann schon mal geflissentlich ignoriert, dass wegen deren Manipulationsanfälligkeit Wahlcomputer von Piraten eigentlich abzulehnen sind. Doch genau deshalb wurde und wird nach der elektronischen ständigen Mitgliederversammlung gerufen: Die parteiintern „Ministalinisten“ genannte Minorität braucht ein solches innerparteiliches Manipulations- und Überwachungsinstrument, um endlich die von ihr gewünschten Mehrheiten bilden zu können. Danach sieht es im Moment aber nicht aus. Dennoch verschleißt gerade dieser Konflikt viele Mitglieder.

Doch noch weitere Probleme belasten die junge Partei, welche einmal mit dem Thema „Rechtsstaatlichkeit“ antrat. So attackierte (folgenlos) ein zwischenzeitlich aus der Partei ausgetretener Mitarbeiter (sic!) der Berliner Piratenfraktion, Urbach, den Strafverteidiger und Piraten- Bundestagskandidaten Udo Vetter, weil dieser auch schon Rechtsradikale vor Gericht vertreten hätte.

Ein noch tieferes Unverständnis von Grundsätzen eines Rechtsstaats offenbaren dann nur noch der Vorsitzende der Jungen Piraten, Florian Zumkeller-Quast oder der Berliner Abgeordnete Lauer. Zumkeller fordert ungeniert nach US-amerikanischem Vorbild die „soziale Ausgrenzung“ selbst resozialisierter Straftäter. Lauer will sogar den Ausschluss und Aufenthaltsverbote für Menschen, deren einziges „Verbrechen“ ist, nicht seiner Meinung sind und ihn zu stören. 500 Personen hat er deshalb nach eigener Angabe auch auf twitter entfolgt. Der Herr Abgeordnete mag keinen Widerspruch und keinen Diskurs.

Es ist erschreckend, dass solche politischen Offenbarungseide nicht zu einem Aufschrei führen, sondern innerhalb der Partei eher achselzuckend zur Kenntnis genommen werden. Selbstkritik ist Piraten ein Fremdwort. Dies ist der größte Widerspruch der jungen Partei. Weder mit medialer noch interner Kritik kann man umgehen. Attackiert werden nur Kritiker, die mit gewissen Entwicklungen nicht einverstanden sind.

Lauer verlor zwischenzeitlich zwar wenigstens sein Amt als Fraktionsvorsitzender. Doch nicht wegen seiner unsäglichen Geisteshaltung und seinen unhaltbaren Äußerungen, sondern wegen des Geruchs von Vetternwirtschaft zu Gunsten seiner Schwiegermutter und einer eigenmächtig angesetzten Pressekonferenz.

Solche Vorgänge gefährden natürlich zutiefst das Vertrauen in eine Partei, die angetreten war, es „anders“ zu machen. Auf Deutsch: Ein Fall Mollath wäre mit solchen „Piraten“, von Zumkeller bis Lauer, auch jederzeit möglich. Wie auch sonst als mit Stadtverboten oder der Psychiatrie kann man sich noch Andersdenkender und gewisser Trolle erwehren? Als Troll gilt innerparteilich übrigens jede Person, die an Vorständen kratzt.

Weshalb ich dennoch weiter (noch) diese Piraten  unterstütze? Gewiss nicht wegen deren Führungspersonal. Sondern weil ich die Befürchtung hege, dass Wahlniederlagen der Piratenpartei den öffentlich- medialen Eindruck verstärken, Netzpolitik sei überflüssig und Bürgerrechte hätten trotz PRISM, Vorratsdatenspeicherung und Präventionsstaat eben keine Konjunktur oder seien gar bei den etablierten Bundestagsparteien gut aufgehoben. Dieser Schaden wäre zu groß und man sollte ihn wegen einiger heutiger Führungsfiguren(noch) nicht in Kauf nehmen.

Doch langfristig kommen die Piraten nicht darum herum, sich wieder auf ihre rechtsstaatlichen Grundsätze zu besinnen und ihre Inhalte aus einem gesellschaftlichen Freiheitsbegriff und einem, gerne linken, Liberalismus abzuleiten, der, im Gegensatz zur FDP, den Namen auch verdient. Die Lauers, Schlömers und andere der genannten Figuren sollten und müssen dabei auf der Strecke bleiben. Es wäre ein Befreiungsschlag und ein starkes Glaubwürdigkeitssignal für die angeschlagene Partei.

* Der Autor war MdB von 1994 – 2009 und nach Austritt aus der SPD- Bundestagsfraktion kurzzeitig erster Piraten-Abgeordneter im Deutschen Bundestag.

Hier nochmals der volle Link zum Buch:

http://www.xinxii.com/en/piraten-auf-falschem-kurs-p-345546.html

 

 

 

 

 

 

 

Soziale Ausgrenzung bei „Piraten“

Der Vorsitzende der Jungen Piraten (Florian Zumkeller- Quast) ereifert sich zur Zeit besonders engagiert zum Thema Tauss und verteilt Ratschläge zu meiner Person:

 … Wir müssen solche Menschen sozial ausgrenzen ….

Starke Worte. Die Geisteshaltung dürfte wohl nicht sonderlich piratig sein. Meinen mehrfachen Wunsch um Mitteilung, wie sich der junge Pirat die soziale Ausgrenzung von Menschen im demokratischen Rechtsstaat denn so vorstellt, hat er mir leider auch auf mehrfache Anfrage (noch) nicht beantwortet. Übrigens auch keiner seiner Freunde, die mit ähnlich originellen Vorschlägen aufwarten. „Gelernt“ haben das einige der hoffnungsvollen Nachwuchsleute, die ich gerne als Ministalinisten bezeichne, beim Berliner Fraktionsvorsitzenden Lauer, der schon mal mit solchen Sprüchen auffiel

und dann so ne Podiumsdiskussion, wo Leute wie Jörg Tauss im Publikum sitzen… Ich kann auf Veranstaltungen, die Menschen wie Jörg Tauss unkommentiert ..äh… da lassen, also dass man diesen Mann nicht entfernt… (der ganze Text HIER)

Zur Zeit sorgt er sich mit seinen Freunden allerdings noch mehr um die Zeit, in der ich wieder Mitglied der Piratenpartei bin oder sein könnte. So schrieb das große Politiknachwuchstalent Florian ‚branleb‘ Zumkeller-Quast, auch zur Kenntnis an hunderte Mitglieder der Piratenpartei:

Eine Mitgliedschaft von Jörg Tauss ist nicht alternativlos. Sie ist untragbar. Und der Vorstand, der Jörg Tauss aufnimmt, kann sich darauf gefasst machen, dass ich sämtliche mir zur Verfügung stehenden Wege gehen werde, sie a) aus dem Amt und b) aus der Partei werfen zu lassen. Nimm es als Kampfansage, aber es reicht.

Noch stärkere Worte. Damit meint er laut twitter „die Amtsenthebung und Parteiausschlussverfahren gegen den aufnehmenden Vorstand.“ Deutlicher kann man nicht mehr werden, wie sehr man demokratische Entscheidungen und Satzung der Piraten zu missachten bereit ist.

Der Vorsitzende der Jungen Piraten sollte aber bei sich anfangen. Denn man hat mich bereits vor Jahren gerne als zahlendes Fördermitglied Nummer 497 aufgenommen. Zitat nach Eingang des letzten Beitrags für das aktuelle Jahr 2013:

 Hallo Jörg, dein Mitgliedsbeitrag für die Jungen Piraten ist auf unserem Konto eingegangen. Deshalb bedanke ich mich an dieser Stelle bei dir, dass du die Jungen Piraten unterstützt und uns durch deinen Beitrag ermöglichst unseren Betrieb aufrecht zu erhalten.

Viele Grüße, Deine Jungen Piraten / Diese Mail wurde für das Mitglied #497 der Jungen Piraten erstellt.

PS: Ich hatte mich bei den Jungen Piraten als zahlendes Fördermitglied übrigens nicht aufgedrängt, sondern wurde von ihnen geworben. Aber was Kampfansagen anlangt: Ich nehme sie gerne an. Vor allem von Leuten wie Florian Z-Q, die bei den Piraten und in der Politik nichts verloren haben.

 

 

Ominöses um Pallasch

Der Landesvorsitzende der Piraten Baden-Württemberg, Lars Pallasch, ist am Mittwoch von seinem Amt zurückgetreten. Gleichzeitig verließ er die Partei. In einem Blogbeitrag nahm er dazu ausführlich Stellung. Pallasch machte für seinen Schritt anonyme Drohungen verantwortlich:

„Gegen meine Frau und gegen meine beiden Söhne (7 Monate, 4 Jahre alt) – hier ist der Spaß endgültig vorbei!“

Die Täter, so seine Vermutung, müssten aus Kreisen seiner früheren Partei gekommen sein. Er werde deshalb „diese Personen mit allen mir zur Verfügung stehenden Mitteln zur Rechenschaft ziehen (lassen)“.

Die Piraten Baden-Württemberg schoben in einem eigenen Beitrag nach. Auch sie verurteilten die „Gewaltandrohungen gegen die Familie“. 

http://piratenpartei-bw.de/2013/02/20/rucktritt-des-landesvorsitzenden-lars-pallasch/

Als Konsequenz aus den Vorgängen will die Landespartei „rüde Störer“ künftig aus der Partei „rauswerfen“. Wer immer das dann ist. Allerdings gab es bislang keine Versuche, die „rüden Störer“ in diesem Falle herauszufinden. Dies ist um so erstaunlicher, als der Piraten-Landesvorstand Baden-Württemberg interne Mails schon bei alltäglichen Meinungsäußerungen in ministalinistischer Manier auf Kritiker durchforstet und diesen dann Schreibverbote erteilt.

Noch merkwürdiger ist, dass Pallasch ihm zugegangene persönliche Mails immer wieder auf twittter veröffentlichte, sobald sie nur einen minimalen Ansatz an Kritik gegenüber ihm oder den Piraten beinhalteten. Nicht aber jetzt in einem Fall, in diesem Fall, wo es buchstäblich um seine politische Existenz und um das Wohl seiner Familie ging.

Bei Anfragen hierzu verwies er auf die Pressestelle der Piraten Baden-Württemberg. Höchst ungewöhnlich- für jemand der gerade aus eben dieser Partei mit Knall ausgetreten ist.  Und so blieben diese Fragen bislang unbeantwortet:

Wie viele solcher Drohungen gab es wann, woraus ergibt  sich die Vermutung, dass der oder die Absender aus dem Umfeld der Piratenpartei kommen und bei welcher Behörde wurde Anzeige (gegen Unbekannt ?) erstattet? Warum wurden diese Vorgänge bis zum Rücktritt und Austritt nicht kommuniziert, nachdem ansonsten belanglosere Mails Dritter, z.B. via twitter, verbreitet wurden?

Keine Antwort. Vielmehr kam der erneute Verweis auf das Blog:

Die entsprechenden Mails und Briefe liegen bei den Ermittlungsbehörden und sollte(n) die besagte(n) Person(en) ermittelt werden können, so kann/können sich diese schon jetzt auf einiges gefasst machen.

Nachdem Pallasch sich „auf anwaltlichen Rat“ aber sogar weigert, mitzuteilen, wo er Anzeige erstattet hat, hakte ich bei Polizei und Staatsanwaltschaft seines zuständigen Wohnortes nach. Dort wurde mitgeteilt, dass nichts vorliegt. Erstaunlich. Denn gerade bei Drohungen gegen Kinder wäre mein erster Gang zu deren Schutz nicht zur Piratenpartei, nicht zu den Medien und nicht an den PC, um zu bloggen, sondern zur örtlichen Polizei gewesen. Dazu heute Vormittag auf Befragen der Erste Staatsanwalt der Staatsanwaltschaft Baden-Baden:

Sehr geehrter Herr Tauss, 

auf Ihre Anfrage teile ich mit, dass bislang weder bei der Staatsanwaltschaft Baden-Baden noch bei einer Polizeidienststelle der Polizeidirektion Rastatt/Baden-Baden eine Strafanzeige von Herrn Pallasch wegen Bedrohung/Nötigung o.ä. eingegangen ist.

Mit freundlichen Grüßen Staatsanwaltschaft Baden-Baden

Der Fall Pallasch wird langsam ominös. Dessen ungeachtet erhielt ich nun meinerseits Dohungen:

„Sollte mich noch eine weitere Mail von Ihnen erreichen, so werde ich meinen Anwalt anweisen, eine Unterlassungsklage gegen Sie anzustrengen. Hochachtungsvoll Lars Pallasch. 

Nachtrag 25. 2. 2013:

Nachdem in Kreisen der bad.-württembergischen Piraten die Vermutung geäußert wurde, es ermittle in Sachen Pallasch der „Staatsschutz“, habe ich mich natürlich auch an das Landeskriminalamt (LKA) in Stuttgart gewandt. Antwort:

Bei uns im Hause liegen keine Erkenntnisse über den von Ihnen geschilderten Sachverhalt vor

 

 

 

…Außer, dass er vielleicht nervt….

Wrint, eine Berliner Sammlung kostenloser Podcasts, veröffentlichte in seiner WR Gesprächsreihe „Wer redet ist nicht tot“ als Folge 113 ein Gespräch mit Christopher Lauer, einem der beiden Piraten- Fraktionsvorsitzenden  im Berliner Abgeordnetenhaus.

Heraus kamen höchst aufschlussreiche Aussagen. Dabei ging es unter anderem um die Frage, weshalb Lauer ein beim Politcamp 12 organisiertes Gespräch zum Thema „1 Jahr Piraten im Berliner Abgeordnetenhaus“ zum Unmut aller Anwesenden im Saal plötzlich verlassen hatte.

„Ich hatte von vornherein keine Lust zu dieser Podiumsdiskussion“, gibt Lauer nun zum Besten. Nanu. Da bekommt man ein gut gefülltes Forum, um seine Politik zu erklären, hat dazu aber keine Lust und diskreditiert den Veranstalter ebenso wie das pirateninteressierte Publikum? Erstaunlich. Insofern sei empfohlen, sich diesen Politiker, als den sich Lauer gerne sieht, mal in voller Länge anzuhören.

http://www.wrint.de/Files/WR113_Lauers_Buero_jagt_Dr_No.mp3

Hier aber geht es noch um etwas anderes. Man stelle sich vor, so etwas käme vergleichbar  aus der CSU des Herrn Uhl oder es hätte einen homophoben Hintergrund, weil jemand eben ein „schlimmer Mensch sei“. Oder ein anderer Mensch wird ohne Begründung des Saales, beispielsweise der Veranstaltung einer etablierten Partei, verwiesen, „weil er halt gestört“ wäre. Oder weil er schlicht ein schlechter Mensch sei, würde er „entfernt“. Einfach so. Eben begründungslos.

Der Aufschrei von Piraten wäre zu Recht beachtlich. Man erwartete volle Transparenz der Vorgänge. Laut erschallten die Rufe „Zensur“ und „Diskriminierung“, „Rücktritt“ etc. 

Oder vielleicht auch nicht? Die begründungslose Ausgrenzung und „Verbannung“ unbequemer Personen ist zumindest für Lauer, wie auch für andere Berliner Piraten, offensichtlich kein Problem. Wer es nicht hören mag (siehe Link oben) kann hier auch nachlesen:

 …vielleicht sollte man nicht so viel über gestörte Menschen reden…. 

 WR: ...Das mit der Podiumsdiskussion fand ich ja ganz interessant. Weil der Ausschnitt  (Anmerkung: Lauers Abgang auf Youtube) einfach zu klein war. Was ist da passiert? 

Lauer: Ich hatte keine Lust auf diese Podiumsdiskussion. Von vornherein. Das ist mir aber dummerweise erst aufgefallen auf dem Weg dorthin…..

WR:… ja hast Du sie nicht alle? Hättest es doch machen können wie der Sascha Lobo (Anmerkung: Der bei einem ZDF-Termin mit Peter Hahne nicht erschienen und für den deshalb Lauer mal eingesprungen war). Wärst Du doch nicht hingegangen….

Lauer: Ja, hätte ich machen sollen. Ich hätte Peter Hahne geschickt. der das bestimmt gerne gemacht hätte… Herr Hahne …. Das war also der erste Fehler. Dann ist der Moderator dieser Podiumsdiskussion kurzfristig abgesprungen. Und dann dachte ich, warum sitzen hier eigentlich zwei Fraktionsvorsitzende der Piraten im Berliner Abgeordnetenhaus und irgend so ein Heini von der SPD und irgend so ein Heini von der CDU? Warum bin ich hier, eigentlich? Als dann der Heini von der SPD anfing, Scheisse zu erzählen, bin ich halt einfach aufgestanden und gegangen. Ich war halt wütend…Das ist auch das, was ich zu SPON dazu gesagt hatte. Ich muss mir diesen Scheiss nicht geben…

(Schnitt:  Es folgen im Gespräch nun ein paar weitere Erläuterungen, u. a., dass die SPD keine gemeinsame Aktion zum Wahlalter 16 mitmache. Richtig spannend wird es dann wieder anschließend am Beispiel meiner Person:)

Lauer: … und dann so ne Podiumsdiskussion, wo Leute wie Jörg Tauss im Publikum sitzen… Ich kann auf Veranstaltungen, die Menschen wie Jörg Tauss unkommentiert ..äh… da lassen, also dass man diesen Mann nicht entfernt…

WR:… Was ist denn das Problem mit dem?

Lauer:… der… der.. der….

WR: Außer, dass er vielleicht nervt?.. (Anmerkung Tauss: Danke 🙂

Lauer: Ja, ja, gut. Das ist halt jetzt mehr so ne persönliche… Ähemm… Man kann das einfach nicht verstehen, kann nicht nachvollziehen, warum man so jemanden auf ne Veranstaltung irgendwie lässt. Da muss man sich dann von jedem direkt fragen lassen, warum lassen sie denn den Herrn Tauss auf ihre Veranstaltung…. so… find‘ ich nicht gut. 

WR: Aber, aber… Wenn Du jeden von ner Veranstaltung ausschließen willst, dann muss er ja irgendwie allen was getan haben. Aber nur weil Herr Lauer keine Lust hat…(Gemurmel).

Lauer: Also hättest Du jetzt ein Problem damit, wenn Jörg Tauss auf Veranstaltungen per se Hausverbot hätte….?

WR: Ja, natürlich…..

Lauer: Warum das denn?

WR: Weil ich die Begründung für dieses per se – Hausverbot gerne wissen würde. Und wenn es da keine Richtige gibt, dann ist das Hausverbot aus Willkür. Und dann muss ich damit rechnen, irgendwann auch Hausverbot…. irgendwie doof…

Lauer: …Nein..Nein… Das kann man ja begründen. Der ist einfach ein schlechter Mensch. Das ist halt ein schlimmer Mensch. Der ist halt schwer gestört…. Also, es gibt genug Gründe, warum man nicht möchte, dass so jemand auf der Veranstaltung ist. Aber… 

WR: Aber welche?

Lauer:… Ähemm..ich weiß nicht. Vielleicht sollte man in diesem Podcast nicht zu viel über gestörte Menschen reden, und ihnen damit irgend eine Bühne geben.. Ähemm.. Ja, das alles hat mich etwas genervt…. ohhh… das ist ein schöner Brief…

(Anmerkung: Lauer beginnt, zusammenhanglos einen an ihn gerichteten reichlich wirren Brief eines Bürgers zu verlesen..)

WR: Ablenkungsversuch…. 

Schnitt. Wie gesagt: das gesamte Interview ist für alle hörenswert, die sich ein ungeschminktes Bild über den Zustand eines der beiden  Fraktionsvorsitzenden im Berliner Abgeordnetenhaus machen wollen.

Zum Vorgang beim Politcamp ergänzend mein Kommentar vom 23.09. 12 auf tauss-gezwitscher: Ein lauerndes Problem

https://www.tauss-gezwitscher.de/?p=3479

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ein lauerndes Problem

Eigentlich plätscherte alles ganz friedlich vor sich hin. Beim diesjährigen Politcamp in Berlin („Netz trifft Politik“) bekamen die Piraten Berlin einen eigenen Programmpunkt zum Thema  „1 Jahr Abgeordnetenhaus“. Mit von der Partie: Die Vertreter anderer Fraktionen und die beiden Piraten – Fraktionsvorsitzenden Andreas Baum und Christopher Lauer.
Doch statt die Chance zu nutzen, Inhalte zu transportieren und den Ruf als Chaostruppe zu entkräften, sorgte Lauer für einen Eklat. Auf die durchaus freundlich und bestenfalls ironisch gemeinte  Anmerkung  des Berliner Landespolitikers Sven Kohlmeier, die Kommunikation mit den Piraten sei gelegentlich wegen deren ständiger Handynutzung, selbst während eines Gesprächs, schwierig, rastete Lauer aus.
Warum tue ich mir diesen Scheiss an, verbreitete er noch via twitter und  verschwand unter lautstarker Abgabe wirrer Erklärungen vom Podium und aus dem Gebäude. Das Publikum reagierte berechtigt mit völligem Unverständnis und Buhrufen. Schon zuvor war ihm aufgefallen, dass Lauer die Veranstaltung zu trollen beabischtigte. In behäbigster Art, die an eine miese Kopie des frühen Joschka Fischer erinnerte, provozierte er die Anwesenden ab dem ersten Moment seines verspäteten Eintreffens mit Gesten und deutlich vorgetragenem Desinteresse.
Sichtlich gelangweilt kommentierte er wichtige Fragen mit „Nö“ und Gebrumm, während er weiter an seinem Handy spielte. Der neben ihm sitzende Baum, sichtlich um Sachlichkeit und Entspannung bemüht, konnte einem leid tun. Denn die anderen Parteien, einschließlich CDU, Grüne und SPD gingen mit den Berliner Piraten an diesem Nachmittag schon bis zur Langeweile wohlwollend um.

Ausdrücklich wurde ihnen bescheinigt, frischen Wind ins Abgeordnetenhaus gebracht und zumindest die beiden regierenden Volksparteien nicht nur netzpolitisch vor sich hergetrieben zu haben. Nicht erwähnt wurde von den politischen Konkurrenten der holprige naive Start mit einer nicht nur medial verunglückten Auftaktreise von Teilen der Fraktion nach Island nach der sensationellen Berlinwahl. Nichts vom Skandal, dass die Bewerber um Jobs als Mitarbeiter im Abgeordnetenhaus durch eine „Datenschutzpanne“ des damaligen Fraktionsgeschäftsführers dilettantisch geoutet wurden. Lauer damals: „Das ist doch kein Problem“.  Wie bei einigen Piraten üblich, wurde ganz im Stile der Politik 1.0 auch dieser Vorgang damals vertuscht und beerdigt.
Niemand thematisierte beim Politcamp das schon systematische Mobbing innerhalb der Berliner Piraten, welches Lauer zu Lasten seines Vorgängers neben Baum überhaupt erst an die Spitze der Fraktion gespült hatte. Niemand sprach die üblen Intrigenspielchen einiger Fraktionsmitarbeiter gegen gewählte Abgeordnete an. Keiner die Tatsache, dass Mitglieder der Fraktion andere Piraten mit Abmahnungen bekriegen . Und dennoch rastete die „Diva“ wegen dieser minimalen Kohlmeier-Spitze aus.
Sein Abgang wurde von mrtopf in Ermangelung eines Streams noch geistesgegenwärtig gefilmt und bei Youtube hochgeladen. Man sieht darauf, wie Lauer noch im Stehen Podium und Publikum trollt und dann den Saal verlässt.

Selten wurde wohl ein eher wohlgewogener Saal durch einen Piraten so nachhaltig peinlich berührt. Die Piraten Berlin, von denen sich welche sofort via twitter für den überflüssigen Eklat entschuldigten,  haben nicht nur dieses lauernde Personalproblem. Christopher Lauer ist die tickende Zeitbombe, welche das ganz Piraten-Schiff spätestens zur Bundestagswahl zum Kentern bringen kann. Schade, wenn ein so wichtiges politisches Projekt am Psychotrip der Lauer-Truppe scheiterte.

15 Atompiraten

Unter der Leitung eines radikalen Evangelikalen und bekennenden Kreationisten, Rainer Klute,  haben sich in der Piratenpartei 15 Mitglieder in einer AG „Nuklearia“ aufgemacht, die Welt weiterhin mit Kernkraft zu beglücken. So fiel den begeisterten innerparteilichen Atomlobbyisten jetzt auf, dass das ungelöste Atommüllproblem doch ein starkes Argument gegen Kernkraft ist. Also hat man sich kurzerhand dazu entschlossen, das Problem als gelöst anzusehen.

In einem zum Kauf angebotenen Flyer wird behauptet, „fertig entwickelte Reaktortypen“, die Atommüll als Brennstoff verarbeiten können „warteten nur noch auf ein politisches Signal“. Atommüll könnte als Energiequelle genutzt werden. Merkwürdig, dass der sonst so aktiven Atomindustrielobby und „der Politik“ außerhalb der Piratenpartei dieses geniale Argument zur Lösung aller ihrer Probleme noch nicht selbst eingefallen ist. Offensichtlich ist aber selbst Schwarzgelb oder der Energiewirtschaft diese Behauptung nicht seriös genug. Finanzieren will sie die tollen neuen Reaktoren nicht. Denn: Die Behauptung stimmt so auch nicht.

 „Transmutation“

Im belgischen Mol will die EU in den nächsten 20 Jahren hierzu ein weiteres Milliardengrab in Sachen Kernkraft aufmachen. Dort soll ein Versuchsbetrieb (!) entstehen, ob Atommüll tatsächlich „entschärft“ und zur Energiegewinnung eingesetzt werden kann. Diese „4.Reaktorlinie“ ist die letzte Hoffnung der Atomkraftbefürworter und der 15 Atompiraten. Leider sind die Forscher aber nicht so fix, wie diese unter der Leitung ihres Gurus Klute, vormals Presssprecher der NRW-Piraten und dort verhinderter Landtagskandidat, zu wissen glauben. Als langjähriger Forschungspolitiker wurde ich mit der Idee der eierlegenden Atomwollmilchsau „Transmutation“ von Atommüll übrigens jahrelang immer wieder beglückt. Vor allem mit dem Wunsch nach ganz viel Geld dafür.

Und JA: Daran wird durchaus seriös geforscht. Sogar in meinem ehemaligen Wahlkreis am Karlsruher KIT, einem Konstrukt aus Uni Karlsruhe und dem vormaligen (Kern-)Forschungszentrum Karlsruhe. Allerdings hat man dort wie anderswo (auch in Frankreich) im Praxisbetrieb noch nicht einmal das Problem gelöst, wie der Atommüll „sortenrein“ gewonnen und somit verarbeitet werden könnte. Im Labormaßstab funktionierte dies gelegentlich. Doch auf Tonnen von Plutonium angewandt eben nicht. Wackersdorf wäre dagegen eine Kleinanlage gewesen. Wie bei der Kernfusion, einem weiteren Hoffnungsträger von Kernkraftlobbyisten, arbeitet man zudem immer noch am Problem der Kühlung anfallender Prozesse. Man weiß noch nicht einmal, ob das Ziel der Energieerzeugung überhaupt funktionieren könnte oder ob „nur“ der Müll entschärft werden kann und soll. Auch dieses ist nicht profan, denn für die Transmutation würde ein erheblicher Teil der produzierten Energie gleich selbst verbraucht.

Für die 15 Atom-Piraten ist das alles gelöst. Zitat: „Im heute vorhandenen Atommüll steckt solch eine Fülle von Energie, dass wir den Bedarf Deutschlands für einige hundert Jahre damit decken können“. Die Begeisterung erinnert an den Beginn der Kernkraft in den 50igern

Allerdings ahnt man in der Piratenpartei, dass die spinnerte Truppe um Klute immerhin parteiintern einen GAU auslösen kann. Die Piraten als letzte Atompartei? Dieses Etikett will man sich, zumal vor der Bundestagswahl, wohl nicht anheften lassen. Deshalb wurde der Landesverband NRW aufgefordert, wiederum Klute aufzufordern, den Flyer nicht als „Piratenpartei Deutschland“ zu verbreiten. Doch dort erfolgte bislang keinerlei Reaktion.

Reagiert hat lediglich Klute, aber wiederum als „Piratenpartei Deutschland“. Er änderte den Hinweis im Impressum in die originelle Worthülse „Äußerungen der AG Nuklearia entsprechen nicht notwendigerweise der Mehrheitsmeinung (soweit vorhanden) der Piratenpartei Deutschland“.

Allerdings ist auch dies nur wieder Trickserei. Denn die Piratenpartei hat einen klaren Beschluss: „Die Piratenpartei Deutschland lehnt die Stromerzeugung durch Kernspaltung ab.“

Gegen Klute liegen jetzt beim Bundesvorstand der Partei Beschwerden mit dem Ziel von Ordnungsmaßmahmen vor. Man darf gespannt sein. Auch, ob aus NRW doch noch eine Reaktion kommt.

„Zurückranten“

Es ist hoch interessant zu beobachten, wie ausgerechnet beim Thema Urheberrecht und Internet der Weberaufstand tobt. Während die Weber der Jahre 1844 tatsächlich noch von sozialer Katastrophe, Hunger und nacktem Elend bedroht waren, machen hier gut verdienende Besitzstandswahrer gegen eine freiheitlich angelegte Technik und deren Nutzer Stimmung.

Rants wie die von Sven Regener sprechen Bände. Dabei wird in der gesamten Debatte Urheberrecht, Urheberpersönlichkeitsrecht, Verwerterrecht und Urhebervertragsrecht munter durcheinander geworfen. John Weitzmann hat bei Netzpolitik.org Herrn Regener deshalb treffend kommentiert: Unfassbar ignoranter Rant. 

In Wahrheit geht es aber nicht um Ignoranz oder die Privatkopie & Co, sondern um die Erhaltung von Monopolen nach Muster der GEMA. Es geht um die Bevormundung von Menschen bis hin zur Schaffung eines Überwachungsstaats zur Bekämpfung des Internets. Zur Ablenkung hiervon konstruieren die Befürworter einer sich nicht ändern dürfenden Welt ideologisch-juristische Kampfbegriffe wie die vom “geistigen Eigentum”. Weiterlesen

Ein Buch entsteht. Über die Piraten.

Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast

Egal wer es gesagt hat. Churchill oder ein anderer. Oft stimmt‘s. Vor einiger Zeit habe ich mal mit dem MDR korrespondiert, der eine laufende Umfrage beendete, als offensichtlich das Ergebnis nicht passte.

Doch offensichtlich hat jetzt der Berlinstory-Verlag eine ganz neue Umfragekategorie eingeführt. Man verändert die Grundlage einer bereits laufenden Umfrage so lange, bis sie genehm ist.

Hintergrund ist die Absicht des Oldenburger Politikwissenschaftlers und Professors Appelius, über die Piraten ein Buch zu schreiben Weiterlesen

Wie man MdB wird. Am Beispiel Herr Urbach (Teil 1)

Mit zunehmendem Erfolg träumen immer mehr Piraten davon, MdB zu werden. Bei mir war es ja noch ganz einfach, erster Pirat im Deutschen Bundestag zu sein. Ich wurde Mitglied und meine alte Partei mochte mich seit geraumer Zeit nun gar nicht mehr. Und umgekehrt. Aber was machen diejenigen, die schon Mitglied aber noch nicht Bundestagsabgeordnete sind? Die haben‘s schwerer. Denn so leicht schafft man es dann auch nicht auf eines der blauen Sesselchen im Plenarsaal. Deshalb hier ein paar Tipps am Beispiel eines großen heraufdämmernden politischen Talents: Herr Urbach, Berlin: Weiterlesen