Vom Schweigen der Presse- und anderer Stellen

Dem Verbreiten möglichst vieler Mitteilungen an die Bewohner der Informationsgesellschaft dienen twitternde Regierungssprecher oder die Abholzung ganzer Wälder zur Erstellung gedruckter Mitteilungen. Pressesprecher (war selbst mal einer) bemühen sich den lieben langen Tag, das Wirken deren Chefs und Arbeitgeber im rosigsten Licht erscheinen zu lassen. Man hofft auf Abdruck und Sendung und geht im Falle der Erfüllung des Wunsches nach Feierabend erfreut nach Hause. Für diesen Erfolg wird schließlich Gehalt gezahlt.

Ärgerlich wird‘s nur, wenn im eigenen Laden gerade etwas mehr oder weniger schief läuft oder der verbliebene Rest dieser investigativen Journaille nachfragt und in Wunden bohrt. Dann werden aus den eloquentesten Sprechern plötzlich stille Schweiger. Einige herausragende Beispiele aus Politik und Behörden aus dem ablaufenden Jahr 2011 seien in alphabetischer Reihenfolge mal vorgestellt.

Nicht nur die Pressestellen der Botschaften von Aserbaidschan und den Vereinigten Staaten von Amerika schweigen auffallend, wenn man sie nach dem Schicksal von Gefangenen befragt. Im Falle des kleinen Öllandes am kaspischen Meer betrifft dies beispielsweise inhaftierte Journalisten, im Falle der USA den ohne Gerichtsurteil einsitzenden „Geheimnisverräter“ Bradley Manning.

Um Meinungsfreiheit kümmert sich aber erfreulicherweise das Bundeskanzleramt. Angela Merkel lobte bei der letzten Sicherheitskonferenz zu München beeindruckend, wie heftig man doch international und speziell beim arabischen Frühling für die Freiheit von Facebook eingetreten sei. Selbst mehrfache Nachfragen, worin denn das erfreuliche Engagement der Kanzlerin in diesem Fall nun aber konkret bestanden hätte, blieben unbeantwortet. Wie nur soll man so Lob und Preis zugunsten unserer Trägerin der US-Freiheitsmedaille weiter verbreiten?

Staatsanwaltschaften wie die in Karlsruhe oder Mannheim sind ein besonders sprudelnder Quell für die Weitergabe von Informationen. Bevorzugt spielt man der Presse Interna aus Ermittlungsakten zu, wie nicht nur der Fall Kachelmann bewies. Oder man verbreitet Statistiken, die den Erfolg Karlsruher Ermittlungsarbeit in Form von Verfahren und Verurteilungen ins gute Licht rücken. Dumm nur, wenn man dann keine Auskunft geben kann, was aus 100 medial in die Welt posaunten Verfahren gegen vermeintliche Konsumenten von Kinderpornografie (Operation Himmel) geworden ist. Da schweigt die tüchtige Behörde beredt. Wie auch die Staatsanwaltschaft in Kempten, die bei einem 14-jährigen mit medialem Spektakel eine Hausdurchsuchung vollführte, weil dieser vermeintlich kinderpornografische Nacktbilder einer Freundin verbreitete. Nach der Medienshow wurden keinerlei Angaben mehr gemacht, was außer traumatisierten Jugendlichen von der Sache übrig blieb.

Aber auch die grünrote Landesregierung in Stuttgart ist ein besonders gutes Beispiel, wie man bei kritischen Anfragen zu einer 100%-Quote an Nichtbeantwortung kommt. Da zog der im März gewählte grüne Ministerpräsident mit dem Gutachten eines renommierten Verfassungsrechtlers in den Wahlkampf, wonach eine Weiterfinanzierung des Bahnprojekts Stuttgart 21 gemäß den Bestimmungen des Artikels 104a eigentlich grundgesetzwidrig ist. Nach der Wahl will Kretschmann nun um der Einhaltung von Verträgen willen plötzlich das Vertragsrecht vor das Grundgesetz stellen. Anfragen dazu werden nicht beantwortet. Auch seine Bürgerbeauftragte im Kabinettsrang  verweist auf die Frage nach dem Schicksal solcher Anfragen lediglich auf ihre  Aufgabe, die Kommunikation zwischen Volk und Regierenden zu verbessern. Zum konkreten Beispiel weiß sie auch keinen Rat. Genauso wenig zum Problem, dass der Innenminister des Landes auch nach Wochen keine Antwort auf die Frage findet, warum er erst die schwarzgelbe Evaluation des Informationsfreiheitgesetzes auf Bundesebene abwarten will, bevor er selbst für Baden-Württemberg ein solch überfälliges Werk auf den Weg bringt. Wurde Schwarzgelb in Stuttgart nur abgewählt, damit Grünrot jetzt auf Schwarzgelb in Berlin wartet?

Unser geschätzter Präsident Ziercke im Bundeskriminalamt überschlägt sich geradezu, Botschaften von der Gefährdung der Guten durch das Böse in aller Welt mit schauerlichsten Märchen zur Vorratsdatenspeicherung unters Volk zu bringen. Fragt man ihn und seine Pressestelle aber nach den Kriterien, aufgrund derer möglicherweise kritisch nachfragende Journalisten bis hin zur ZEIT von Hintergrundgesprächen zu diesem Thema ausgeschlossen werden, erhält man keine Antwort. Auch nicht auf die Frage, warum man bei 9 ermordeten Migranten nicht auf die Idee kam, im rechten Milieu zu ermitteln, sondern mittels der Kommission „Bosporus“ ausschließlich nach „Dönermördern“ mit buschigen Augenbrauen fahndete? Oder warum die Opfer kriminellen Milieus zugeordnet wurden und welche Hinweise es dazu gab? Fehlanzeige. Übrigens auch bei der Frage, warum das steuerfinanzierte BKA die IP-Adressen von bei der Pressestelle anfragenden Journalisten an eine private Firma weiterleitet. Das habe ich jetzt übrigens auch den Bundesdatenschutzbeauftragten gefragt.

Na denn: Auf ein Neues in 2012, liebe Pressestellen. Es wird weiter nachgebohrt.