Archiv für den Monat: November 2009

Informationsfreiheit und Mautvertrag

Irgendjemand hat mich aufgefordert, ich möge in meinem Blog doch nicht so „amtsdeutsch“ schreiben, sondern einfach immer wieder Geschichten aus dem Bundestag erzählen. So wie man eben guten Freunden mal bei Bier & Wein Geschichten erzählt. Nun gut: Mitten am Tag will ich auf das Bier verzichten, aber mal erzählen.  Ich beginne mit der historischen Frage:

Was wurde eigentlich aus dem Schadensersatz des Mautkonsortiums an die Bundesrepublik Deutschland?

Wer erinnert sich nicht an das Maut – Desaster aus der Anfangszeit dieser stählernen Autobahnbrücken mit den daran hängenden merkwürdig anmutenden Geräten? Große technische Probleme warfen das Projekt zeitlich immer wieder zurück. Von Milliardenschäden und Schadensersatzzahlungen durch das Maut- Konsortium war die Rede. Nach 16monatiger Verzögerung startete die Mauterhebung dann vielumjubelt doch noch Anfang 2005. Also geriet das Thema Schadenseratz auch bei unserer investigativen Presse  in Vergessenheit.

Ich selbst bin  zugegebenermaßen auch nur wieder auf das Thema gekommen, weil das Bundesverkehrsministerium im Bundestag zur Zeit nach meiner Pivatanschrift forscht. Die tüchtigen Beamten dieses Ministeriums werden sie sicher irgendwann im Telefonbuch finden (oder mit Lektüre dieses Textes: Hauptstr. 34, 76703 Kraichtal – Gochsheim) .

Man will, so hörte ich,  mir nämlich jetzt einen „Gebührenbescheid“ dafür zukommen zu lassen, dass ich als Volksvertreter so vermessen war,  Einsicht in die als geheim eingestuften Verträge mit dem Mautkonsortium Daimler, Telekom und einem französischen Autobahnbetreiber namens Cofiroute zu verlangen.

Das Anliegen des Ministeriums, Geld einzutreiben, ist nur zu verständlich. Irgendwann um das Jahr 2007 herum wollte die Bundesregierung vom Mautkonsortium sogar schlappe 5 Milliarden, die sie bis heute nicht hat. Vielleicht findet das Ministerium die geheime Anschrift seiner noch geheimeren Vertragspartner auch nicht mehr? Aber der Reihe nach.

Warum wollte ich überhaupt Einsicht in den Mautvertrag?

Erstens hatte mich das Thema als Bürger interessiert- Beträge in Milliardenhöhe sind schließlich auch in Zeiten von Abwrackprämien und der Unterfinanzierung  der Bildung kein Pappenstil. Zudem fragte  mich selbst der Dorfstammtisch, „was da denn eigentlich los sei“. Weiterhin wollte ich es als neugieriger Forschungspolitiker wissen. Schliesslich war immer von verlockenden Mehrwerten des Systems bis hin zu intelligenten Flottensteuerungen in der Verkehrspolitik die Rede gewesen.

Nach all den Jahren ist von solchen Diensten aber schon lange nicht mehr die Rede, was wohl auch dazu führte, dass sich keine anderen Länder, nicht einmal  Polizeistaaten, so wirklich für die tolle deutsche Mauttechnik interessierten. Zumindest kein ausländischer Staat. Die eigenen deutschen Sicherheitsbehörden seien der Korrektheit halber erwähnt. Sie waren die einzigen, die sich für „Zusatzanwendungen“ in ihrem Sinne aussprachen. Aber das ist schon wieder eine eigene Geschichte.

Ich zog also um das Jahr 2007 herum mit den erstgenannten Punkten nach erfolglosen Bemühungen gegenüber dem Ministerium vor das Berliner Verwaltungsgericht, um die gewünschten Informationen zu bekommen, die mir, nach naiver eigener Meinung, als Volksvertreter eigentlich zustünden. Dr. Peter Struck liess mich via Fraktionsgeschäftsführung noch wissen, man könne doch keinen „eigenen Minister“ verklagen. Dieser Hinweis belastete mich dann auch nicht weiter, zumal ich bei keinem Mitglied der Bundesregierung für mich Eigentumsrechte erkennen konnte.

Das Verwaltungsgericht Berlin befindet sich sozusagen im Schatten des Bundesinnenministeriums. Dies hätte mir eigentlich schon Warnung genug sein müssen.  Ziemlich unverblümt lies mich Frau Verwaltungsrichterin im Verfahren sehr  schnell wissen, dass sie gar keine Lust hätte, die vermutlich 10.000 Vertragsseiten darauf zu überprüfen, was ich von diesen nun sehen dürfe oder nicht, was nun tatsächlich geheim sei und was nicht. Jedem, der auch schon einmal keinen Bock auf Arbeit hatte, leuchtet eine solche Argumentation  sofort ein. Frau Richterin suchte aber immerhin nach einem Ausweg:

Das beteiligte Bau- und Verkehrsministerium, so ihre pfiffige Idee,  solle doch alles schwärzen, was nicht für einen normalen Bundestagsabgeordneten bestimmt sei. Dieser  Einfall wurde leider postwendend von der Gegenseite abgelehnt. Treuherzig wiesen die Vertreter des Ministeriums darauf hin, dass man, wörtliches Zitat aus dem Gerichtssaal, „dazu mangels Sachverstand nicht in der Lage sei.“ Dieses zwingende Argument eines deutschen Ministerialbeamten leuchtet zumindest einer Berliner Beamtin am Verwaltungsgericht sofort ein, sodass auch diese Überlegung alsbald fallen gelassen wurde.

Erwartungsgemäß verlor ich kostenträchtig meinen Prozess.

Begründet wurde dies  mit dem Inhalt der sagenumwitterten Akte und dem Schutz der Geschäftsgeheimnisse, die man wie ausgeführt nun einmal nicht schwärzen könne. Vor allem wurde ich darauf hingewiesen, dass ja ein laufendes Schiedsverfahren stattfinde, bei dem es unter Leitung eines damaligen Präsidenten des Bundesgerichtshofs schließlich um den genannten  hohen Schadensersatz ginge. .

Eine Aktenveröffentlichung bei diesem laufenden Verfahren, so die gemeinsame Überzeugung der eigentlichen Gegner Verkehrsministerium und Toll- Collect, „gefährde durch mögliche öffentliche Debatten die Entscheidungsfreiheit des Rechtspflegeorgans.“ Außerdem seien sich die Beteiligten (ich war damit nicht gemeint) einig, „dass durch eine Veröffentlichung des Vertrages Toll – Collect im Wettbewerb Schaden entstehen könne.“ Welcher Wettbewerb, ist man da versucht zu fragen?!?

Soviel freundliche Übereinstimmung zwischen Ministerium und Toll- Collect herrschte vor meiner Klage übrigens nicht immer. Ganz am Anfang waren Minister und die armen Beamten ohne Sachverstand sogar richtig sauer auf die Herren der Industrie. Denn Toll- Collect habe den Bund „getäuscht“, so damals Verkehrsminister Stolpe, „indem man Zusagen zu den Terminen der Inbetriebnahme ohne hinreichende Grundlage ins Blaue hinein, also arglistig, abgegeben habe“.

Bei so viel Verhärtung bedurfte es dann doch einiger vertrauensbildender Massnahmen. Am 12. 6. 2008 (!) meldete die Welt, das Schiedsverfahren beginne „in der nächsten Woche an einem geheimen Ort.“ Anfragen seien aber zwecklos, weil Vertraulichkeit vereinbart worden sei. Diese wiederum sei damit zu rechtfertigen, „dass die Verträge eben geheim seien“.

Wie es ausging, weiss ich deshalb nicht. Denn es gab seit Juni 2008 keine weitere Sitzung mehr. Oder sie tagen unter Leitung von Herrn Hirsch vielleicht am geheimen Ort immer noch und wurden, fast wie im Märchen, nur von der Welt vergessen….Und wenn sie  nicht gestorben sind, so tagen sie noch heute…..

Wer mehr wissen will, kann sich unter Berufung auf das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) vertrauensvoll jederzeit an das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Invalidenstr. 44 (Nomen est omen ;)) in 10115 Berlin oder via Abgeordnetenwatch an seinen Bundestagsabgeordneten wenden. Vorsicht: Könnte aber einen Gebührenbescheid zur Folge haben…. 😉

Von einer verlorenen Akte…..

Mich haben via twitter viele Anfragen wegen der verlorenen Akte  im Ermittlungsverfahren gegen den Präsidenten des Bundeskriminalamts erreicht. Ich werde der Sache nochmals nachgehen und will zunächst einmal berichten, wie es dazu kam:

In meiner Pressekonferenz am 11. 3. 2009 zu den gegen mich erhobenen Vorwürfen wegen kinderpornografischen Materials führte ich unter anderem unter Bezug auf den Präsidenten des Bundeskriminalamts, Ziercke, folgendes aus:

Eigenzitat: „Mit der Begründung eines „rechtsfreien Raumes“ wurden in den letzten Jahren immer mehr Bürgerrechte, gerade auch unter dem Vorwand der Bekämpfung des Missbrauchs von Kindern, abgebaut. Um ein Beispiel zu nennen: Als es kürzlich unter anderem darum ging, die Rechte von Journalistinnen und Journalisten durch eine Ausweitung der Online-Überwachung einzuschränken, wurden zur Einführung in die Debatte vom Präsidenten des BKA den anwesenden Bundestagskolleginnen und -kollegen in voller Länge unter anderem scheußliche Videosequenzen von der Vergewaltigung eines kleinen Mädchens gezeigt.“

Die genannte Vorführung erfolgte im Verlauf einer Sitzung, die vom innenpolitischen Sprecher der SPD- Bundestagsfraktion, Dr. Dieter Wiefelspütz, geleitet wurde. In deren Verlauf kam es auch zu Auseinandersetzungen zwischen den anwesenden Vertretern des BKA und mir.

Meine oben geschilderte Darstellung zum Thema und zum Verlauf der Sitzung wurde durch einen mir nicht bekannten Dritten aufgegriffen, der daraufhin wohl gegen den BKA- Präsidenten Anzeige erstattete. Aufgrund dieser Anzeige wurde ich wiederum vom Polizeipräsidenten zu Berlin aufgefordert, meine Behauptungen zu untermauern und ihm mitzuteilen, wann, mit wem und wo diese Veranstaltung im Deutschen Bundestag stattgefunden hätte. Dies habe ich damals nachrecherchiert und dem Polizeipräsidenten noch im Mai des Jahres sehr zeitnah zur Anfrage zukommen lassen.

Seither hatte ich von dem Vorgang nichts mehr gehört- außer durch die  jetzt bei mir eingegangene Mitteilung, ich möge meine Angaben noch einmal machen, weil die staatsanwaltschaftliche  Akte in „Verlust geraten sei“.

Für mich stellen sich dabei folgende Fragen: Wann wurde bemerkt, dass die Akte verloren wurde? An welcher Stelle „geriet sie in Verlust“  und vor allem: Was war seit Mai in dieser Angelegenheit eigentlich geschehen?

Ich selbst werde  nachschauen, wie die damaligen Abläufe waren. Durch Auflösung meiner Büros in Berlin und Bretten ist dies jetzt allerdings etwas schwieriger, weil mit dem Büroauszug Festplatten etc. gelöscht wurden, da mir nicht gehörende Rechner aus den Abgeordnetenbüros an den Deutschen Bundestag zurückgingen. Deshalb wird es an dieser Stelle erst demnächst eine Fortsetzung geben können…. Ich bitte um etwas Geduld.

Was will ich mit tauss-gezwitscher

Täglich erreichen mich via twitter viele Anfragen, die mit 140 Zeichen nicht beantwortet werden können. Oder andere und mich selbst ärgern Dinge, die einfach diskutiert werden müssen, um nicht in Vergessenheit zu geraten.

Deshalb kommentiere ich hier künftig politische Entwicklungen im Bereich der Bürgerrechte und der Netzpolitik. Aber aber auch die Computerspieledebatte, das Abmahnunwesen oder schlichte alltägliche Probleme sollen nicht zu kurz kommen. Natürlich auch nicht Stubentigerin Mamsell, die meine Frau und mich als ihren Dosenöffner engagiert hat und durchaus Vorlage für Simons Cat sein könnte.

Und wer Spass daran hat, sich bei der Betrachtung einiger meiner Landschaftsfotos von früheren Reisen, zum Beispiel nach Madagaskar oder zum Alaska Highway zu entspannen, ist dazu genauso herzlich eingeladen.

Ich freue mich auf viele Leser und Leser, Kommentierungen und gerne auch interessante „Mitschreibende“ zu den genannten oder zu anderen Themen.

Internet und Dackel

Jörg Tauss

Von Internet und Dackeln

Zwei Dinge durfte Mitte der 90iger Jahre ein Abgeordneter nicht mit ins Abgeordnetenhaus nach Bonn bringen: Seinen Hund und ein Modem, mit dessen Hilfe endlich ein Internetzugang auch im MdB-Büro möglich werden sollte.

Ich weiß nicht, wie es heute ist: Der Dackel eines Kollegen, der sein Tierchen beim besten Willen an diesem Tage nicht anders unterbringen konnte, wurde deshalb durch ein Fenster im Erdgeschoß am Pförtner vorbei ins Haus gehoben. Wegen des revolutionären Aktes erfolgte das illegale Eindringen des Modems ins hohe Haus auf demselben Wege und durch dasselbe ohnehin schon entweihte Fenster. Auch wenn an der Pforte ein Mo- dem sicher weniger als das bellende Tierchen aufgefallen sein dürfte:
Auf diese Weise kam 1995 das Internet in den Bundestag. Der zuständige PC-Betreuer von PARLAKOM, der nun wirklich nichts dafür konnte, erhielt sogar noch eine Abmahnung wegen der frevelhaften Tat. Daß er  jemanden im Blaumann vorbeischicken mußte, um das »Internet« wieder abzuzwicken, wäre schon wieder eine eigene Anekdote. Doch das Modem wurde nicht gefunden – so blieb der Bundestag bis heute am Netz.

Der Beitrag erscheint demnächst auch in „World Wide Was? Anekdoten und Skurrilitäten aus den Pionierzeiten des deutschen Internet“

Anmerkung des Herausgebers: Zu Jörg Tauss gibt es noch mehr zu lesen im Bereich »Das böse Internet«. Diese kleine Anekdote gehört jedoch  in dieses Kapitel. Sie illustriert sehr schön, wieso so viele Leute unbeirrbar der Meinung sind, Jörg Tauss sei einfach ein Rebell, dem großes Unrecht widerfahren ist. Der Herausgeber teilt diese Meinung [svb]