Schlagwort-Archive: Baden-Württemberg

Das Elend geht weiter: SPD Baden-Württemberg

IMG_1309

Der frühere und heutige „linke“ SPD- Landes- und Parteivorsitzende Ulrich Maurer hat sich in „Kontext“ kritisch mit der SPD Baden-Württemberg und deren katastrophaler Wahlniederlage auseinandergesetzt. Hierzu mein Kommentar:

Zumindest dem Schlusssatz Maurers ist uneingeschränkt zuzustimmen: Nach der Tragödie kommt bekanntlich die Farce. Ein Parteivorsitzender und ein Landesvorstand, der nach einem solchen Desaster am Amt klebt und nicht schon am Wahlabend sofort den Weg für neue Inhalte und neues Personal (woher nehmen?) freimacht, ist schlicht nicht mehr von dieser Welt.

Ob aber allein die jüngeren Netzwerker der SPD das Problem sind, wie Maurer meint, sei dahingestellt. Die Rolle jener, die (einschließlich Maurer, sic!) über Jahre hinweg eine miserable und sich stets selbst überschätzende Landespolitik betrieben, ist nicht zu vernachlässigen. Ältere Figuren wie Schmiedel und Drexler tragen keinen geringeren Anteil am Desaster, als der „kleine Nils“ (Parteijargon).

Schon als SPD- Generalsekretär im Land musste ich entsetzt feststellen, dass eine schlicht unfähige Landtagsfraktion über Jahre hinweg das zentrale Problem der Landespartei war, ist und wohl auch bleibt. Sie ist und war zudem auch das zentrale Glaubwürdigkeitsproblem der SPD im Land. Mein Verhältnis zur Landtagsfraktion war aufgrund solch nüchterner Feststellung schlichter Fakten deshalb auch katastrophal schlecht.

Thema Realitätsverlust: Die Niederlage 2011 wurde von ihr, wie die Niederlagen zuvor, nie selbstkritisch aufgearbeitet. Vielmehr wurde damals, der jetzt in Konstanz für ein MdL- Mandat grandios gescheiterte Bundesratsminister Friedrich, am Montag nach der Wahl, im Berliner Reichstagsgebäude nebst Kumpel kopfschüttelnd beim lautstarken Absingen des Liedes „so sehen Sieger aus“ beobachtet.

Thema Glaubwürdigkeit: Die Jüngeren in der SPD wollten kein Stuttgart 21, eines der Hauptprobleme der SPD in Stuttgart. Und die Stuttgarter SPD ging mit ihren Wahlergebnissen dem Land bis heute (und auch jenseits und lange VOR den jeweiligen Entschuldigungen Fukushima oder Flüchtlingsfrage) stets voraus. In der Landeshauptstadt zwang man, wie im Land,  der Partei das verhängnisvolle unkritische Bekenntnis zu diesem schlicht verantwortungslosen Projekt auf.

Dessen ungeachtet lernte es, schon zu Spöris Zeiten, die baden.-württembergische (Landtags-) SPD strategisch nie, in Koalitionen eine Rolle als Juniorpartner zu finden. Stets bildete man sich (wiederum einschließlich Maurer) ein, „Motor“ der jeweiligen Regierungen zu sein und berauschte ich an irgendwelchen Forsa-Umfragen, die dann wie Eis in der Wüste schmolzen. Denn: Die Menschen nahmen es immer anders wahr. Und es war (leider) auch anders.

Vor allem in dieser grünroten Koalition. Hier waren Sozialdemokraten Blockierer und Verhinderer, was sich am Beispiel der Innenpolitik am Besten belegen lässt. Der einst starke linksliberale bürgerrechtliche Flügel der baden-württembergischen SPD wurde, übrigens begonnen vom innenpolitischen Hardliner Uli Maurer, seit den Zeiten des großen Lauschangriffs systematisch ausgegrenzt und verprellt.

Die Fortsetzung fand sich jetzt mit der unsäglichen Vorratsdatenspeicherung. Innenminister Gall faselte hier von „vermeintlichen Freiheitsrechten“, wenn er vom Grundgesetz (sic!) und von Urteilen unseres Bundesverfassungsgerichtes sprach. Die Polizeikennzeichnung wurde von der SPD verhindert- um sie jetzt (richtigerweise) wieder ins Wahlprogramm zu schreiben. Aber Glaubwürdigkeit sieht eben anders aus.

Die einfache Erkenntnis, dass die Polizei eines demokratischen Rechtsstaats der Bevölkerung nicht wasserwerfend und anonym vermummt entgegentreten darf, ist dieser SPD im Ländle und deren „Verfassungsschutzministern“ Gall und Stickelberger völlig fremd.

Deren Innenpolitik reduzierte sich auf rechtspopulistische Sprüche (das aber können CDU und AfD glaubwürdiger) und auf eine terrorhysterische Aufrüstung der baden-württembergischen Polizei mit 3.000 Maschinenpistolen.

Dabei ist gerade in Baden-Württemberg jedes „gesunde“ Misstrauen gegen „die“ und vor allem diese martialische Polizei angebracht. Ein (zu milde) verurteilter Polizeipräsident spricht Bände. Gall versuchte zudem über Monate hinweg, die NSU- Untersuchung im baden-württembergischen Sumpf zu verhindern. Selbst Ku-Klux-Klan- Verbindungen wurden negiert.

An der Uni Heidelberg wurden zu Mappus- Zeiten V-Leute auf Studierende gehetzt. Auch die Aufklärung dieses Skandals wurde vom „Sozialdemokraten“ im Innenministerium verhindert. Ebenso ein modernes Informationsfreiheitsgesetz. Was hier verabschiedet wurde ist, „dank“ SPD, bundesweit eine grünrote Peinlichkeit pur.

Sicher ist ein IFG kein massenmobilisierendes Thema. Aber es interessiert gut vernetzte „Szenen“ bis hin zu den Journalistenverbänden, Transparency etc. etc. Dass Gall und Justizminister Stickelberger ausgerechnet zu diesem Gesetz alle Grundsätze einer transparenten Gesetzgebung und der nur auf dem Papier beschriebenen grünroten „Beteiligungskultur“ gröblichst verletzten, war nur ein weiterer SPD- Sargnagel beim Thema Glaubwürdigkeit.

Themen verfehlt: Wirtschaftspolitisch hatte die SPD die Hoffnung, mit dem knochentrockenen Juristen Schmid „Kompetenz“ erwerben und vorzeigen zu können. Kompetenz wurde damit verwechselt, dass „die“ Wirtschaft vom farblosen Schmid nicht belästigt wurde. Wollte man etwas vom Ministerpräsidenten, erhielten dies die Wirtschaftsverbände, ohne im Vorzimmer Schmid anklingeln zu müssen.

Zudem war die SPD unter Schmid, gegen den schlichten gesunden Menschenverstand und gegen die Gewerkschaften und auch gegen die Interessen der mittelständischen Wirtschaft, auf dem pro-atlantischen TTIP- Trip, statt hier, auch gegenüber dem Berliner Irrlicht Gabriel, klare Kante zu zeigen.

Auf der anderen Seite leidet übrigens niemand stärker unter dem irrsinnigen Russland- Boykott als baden-württembergische Betriebe. Ein Rechtspopulist wie Seehofer war es, der die negativen Folgen begriff und Interessenvertreter „seiner“ Wirtschaft war und ist. Die BaWü- SPD schloss sich dem außenpolitischen Amoklauf der Berliner SPD- Fraktion und der Bundesregierung an. Ganz nebenbei ist dies ein zentraler Verrat an Brandt, Bahr und Eppler.

Offenkundig war das Versagen beim Wohnungsbau. Schmid- Vasallen begründeten dies ernsthaft (sic!) damit, dass Sozialdemokraten heute Eigentumswohnungen hätten und das Thema nicht interessiere.

Ignoriert wurde, dass sich in Freiburg oder Stuttgart keine Krankenschwester mehr eine innerstädtische Mietwohnung leisten kann. Die Verschleuderung des Mietwohnungsbestands des Landes war für sich ein Skandal und rächt sich heute bitter.

In der Bildungspolitik startete man 2011 mit dem Versuch, die „schwarze Null“ auf Kosten der Bildung zu realisieren. Dies war der grobe Bruch aller sozialdemokratischen Grundsatzbeschlüsse, die demographische Rendite in eine bessere Förderung „unten und oben“ zu investieren.

Mit der Auswechslung einer katastrophal schwachen Kultusministerin wurden auch diese Widersprüche, die in der Summe eben kein Zufall sind, nur kaschiert.

Dass, wiederum unter Aufgabe aller bildungspolitischen sozialdemokratischen Grundsätze, von der SPD- Landtagsfraktion das Bund/Länder- Kooperationsverbot im Bildungsbereich bis heute als Glaubensbekenntnis zelebriert wird, dient bestenfalls der Abrundung des Bildungsproblems der baden-württembergischen SPD.

Und bei der Integration? Erinnert sich vor und während der Flüchtlingskrise irgendjemand an wesentliche Beiträge der sozialdemokratischen Integrationsministerin? Wie war nochmal der Name? „Auffällig“ wurde diese bestenfalls in deren Plädoyer für die Beschneidung von Kleinkindern. Übrigens mit derart haarsträubenden „kulurellen“ Begründungen, dass man damit selbst die Beschneidung von Mädchen hätte rechtfertigen könnte.

Diese Beispiele ließen sich nahezu beliebig erweitern.

Heute ist der Katzenjammer groß. „Wir haben die Niederlage nicht verdient“, jammern Genossen. Die Partei Willy Brandts und die Partei Erhard Epplers hat sie tatsächlich nicht verdient.

Die Partei der Schmiedels, der Schmids, Drexlers, Galls, Stickelbergers, Friedrichs etc. ist dem gegenüber nicht einmal ein einstelliges Wahlergebnis wert. Tragisch, dass die genannten Figuren, mit Ausnahme des Erstgenannten, weiter den Ton angeben (können).

Der weitere Marsch in die völlige Bedeutungslosigkeit ist so vorgezeichnet.

Jörg Tauss

Beteiligung im Musterländle. Muster ohne Wert?

„Wir wollen Baden-Württemberg zum Musterland von lebendiger Demokratie und Bürgerbeteiligung machen“ 

Gisela Erler, Staatsrätin (Grüne) für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung

Und so wird ein tolles neues Beteiligungsportal geschaffen:

http://www.baden-wuerttemberg.de/de/beteiligungsportal-info/

Schön. Also testen wir mal das Musterland in Sachen lebendiger Demokratie und Bürgerbeteiligung.

Vor geraumer Zeit fragte ich nach der Haltung der Landesregierung in Sachen Finanzierung S21. Es ging um grundgesetzliche Probleme der Mischfinanzierung von Schienenprojekten. Die Frage ging an den Ministerpräsidenten in seinem Staasministerium und den stellvertretenden Ministerpräsidenten im Finanzministerium. Keine Antwort .

Gisela Erler fragte ich darauf hin, wie es sich mit der Beantwortung von Fragen durch Ministerien denn so verhielte. Ihr Büro verwies auf mangelnde Kapazität und auf später. Bis heute: Keine Antwort.

Die Integrationsministerin Bilkay Öney, Lobbyistin pro Beschneidung von Jungen, wurde gefragt, ob sie wissenschaftliche Untersuchungen vorliegen hätte, die ihre befürwortende Haltung („alles kein Problem“) begründen könnte. Keine Antwort. 

Der Innenminister erhielt Fragen nach dem in der Koalitionsvereinberung versprochenen und bereits für Frühjahr 2012 (!) angekündigten Informationsfreiheitsgesetz und der Bürgerbeteiligung dazu. Keine Antwort. 

Vielmehr wurde via Presse mitgeteilt, ab „Herbst (2012?) solle „eine Beteiligungsplattform an den Start gehen, über die via Internet Gesetzesvorhaben kommentiert werden können.“ Stand? Fehlanzeige.

Immerhin teilte die grüne Landtagsfraktion, wohl stellvertretend für die Exekutive mit,

zum jetzigen Zeitpunkt kann über die zentralen Inhalte des IFG allerdings noch nichts gesagt werden, da sich die Arbeiten erst am Beginn befinden.

Der Entwurf würde dann breit diskutiert. Auf der groß angekündigten Beteiligungsplattform? Fehlanzeige. So hat man sich Bürgerbeteiligung immer vorgestellt, dass wenigstens ein REGIERUNGSENTWURF breit und brav diskutiert werden darf.

Anstatt die Chance zu nutzen und mit einem Call for Papers die Informationsfreiheitsära in Baden-Württemberg einzuläuten, wird im stillen Kämmerlein von Beamten des Innenministeriums an einem Entwurf gewerkelt. Von jenen Beamten also, denen jede Form der Akteneinsicht traditionell ein Gräuel ist. Und so hört man, man wolle im Frühjahr (welchen Jahres?) einen Entwurf auf der Basis des IFG des Bundes vorlegen, das im Mai 2012 von der Verwaltungsuni Speyer evaluiert wurde.

So hätte man sich Grünrot schon immer vorgestellt: Man orientiert sich in Sachen Informationsfreiheit ausgerechnet an einer schwarzgelben Evaluation im Bund.

PS: Auf Ihrer neuesten Homepage will die Landesregierung nun wissen, ob die Bürgerinnen und Bürger „stärker an politischen Entscheidungsprozessen beteiligt werden wollen“. Sie wollen. Zu über 80%. Jetzt sollte die Landesregierung nur noch durch Taten statt Ankündigungen beweisen, dass sie auch will. Will sie? Zweifel sind angebracht. Siehe oben. Die Landesregierung bittet noch um etwas Geduld.

Grünrote Landesregierung offline

Die neue baden-württembergische Landesregierung scheint sich noch nicht so richtig mit der Beantwortung von Mails angefreundet zu haben. Bis dato konnte ich auch nach Ablauf von mehr als 4 Wochen auf Anfragen weder Eingangsbestätigungen noch Antworten feststellen. Hier meine bislang unbeantworteten Anfragen zur Finanzierung von S 21 und zum innenpolitischen „80-Punkte“ – Programm im Wortlaut:

Mail an den Ministerpräsidenten:

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, sehr geehrter Herr Kretschmann,

zunächst noch einmal alles Gute für Ihre Amtszeit. Sie haben in Ihrer Regierungserklärung das Thema Föderalismusreform 2 angesprochen, der ich ebenso kritisch gegenüberstehe wie der Föderalismusreform 1. Über das Verbot von Mischfinanzierungen kann man streiten. Nichtsdestotrotz ist die Reform aber so geworden wie sie ist. Dies bedeutet aber  ausweislich eines Gutachtens für die Grünen, dass die Mischfinanzierung im Schienenbereich bzw. beim Bau von Bahnhöfen grundgesetzwidrig ist.

Zu meinem Erstaunen ist hiervon aber nicht mehr die Rede. Daher die direkte Frage: Teilen Sie die Auffassung von Professor Hans Meyer und beabsichtigt die Landesregierung, die Ergebnisse des Gutachtens im weiteren Umgang mit dem Projekt S 21 und dessen Finanzierung zu berücksichtigen?

Mit freundlichen Grüßen Jörg Tauss

Mail an den Finanzminister:

Sehr geehrter Herr Minister, sehr geehrter Herr Dr. Schmid,

ich erinnere mich an unsere zurückliegenden Dispute zur Föderalismusreform 1, mit der leider ein weitgehendes Verbot von Mischfinanzierungen grundgesetzlich verankert wurde. Dies bedeutet ausweislich eines umfassenden Gutachtens für die Grünen nun aber, dass die Mischfinanzierung im Schienenbereich bzw. beim Bau von Bahnhöfen schlicht grundgesetzwidrig ist.

Zu meinem Erstaunen ist hiervon aber ausgerechnet beim Projekt S 21 nicht mehr die Rede. Daher die direkte Frage: Teilen Sie die Auffassung von Professor Hans Meyer und beabsichtigt das Finanzministerium, die Ergebnisse des Gutachtens im weiteren Umgang mit dem Projekt S 21 und dessen Finanzierung zu berücksichtigen?

Mit freundlichen Grüßen Jörg Tauss

Mail an den Innenminister:

Sehr geehrter Herr Minister, sehr geehrter Herr Gall,

der Presse habe ich Äußerungen Ihrerseits entnommen, wonach zwischen den Koalitionsparteien im Land 80 Punkte zur Innenpolitik vereinbart seien. Auch nach gründlicher Lektüre der Koalitionsvereinbarung komme ich nicht auf diese Zahl.

Könnten sie freundlicherweise veranlassen, dass mir dieser 80-Punkte-Katalog zur Verfügung gestellt wird? Besten Dank!

Mit freundlichen Grüßen Jörg Tauss

Die Anfragen habe ich unter Schilderung des Sachverhalts jetzt auch an die neue Staatsrätin für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung, Gisela Erler,  weitergeleitet. Immerhin: Deren Büro war wenigstens sehr freundlich. Bin gespannt, was sie bewirkt. Offensichtlich scheint sie im Gegensatz zu den genannten grünroten Regierungsmannen nicht offline zu sein.