Archiv für den Monat: September 2012

Ein lauerndes Problem

Eigentlich plätscherte alles ganz friedlich vor sich hin. Beim diesjährigen Politcamp in Berlin („Netz trifft Politik“) bekamen die Piraten Berlin einen eigenen Programmpunkt zum Thema  „1 Jahr Abgeordnetenhaus“. Mit von der Partie: Die Vertreter anderer Fraktionen und die beiden Piraten – Fraktionsvorsitzenden Andreas Baum und Christopher Lauer.
Doch statt die Chance zu nutzen, Inhalte zu transportieren und den Ruf als Chaostruppe zu entkräften, sorgte Lauer für einen Eklat. Auf die durchaus freundlich und bestenfalls ironisch gemeinte  Anmerkung  des Berliner Landespolitikers Sven Kohlmeier, die Kommunikation mit den Piraten sei gelegentlich wegen deren ständiger Handynutzung, selbst während eines Gesprächs, schwierig, rastete Lauer aus.
Warum tue ich mir diesen Scheiss an, verbreitete er noch via twitter und  verschwand unter lautstarker Abgabe wirrer Erklärungen vom Podium und aus dem Gebäude. Das Publikum reagierte berechtigt mit völligem Unverständnis und Buhrufen. Schon zuvor war ihm aufgefallen, dass Lauer die Veranstaltung zu trollen beabischtigte. In behäbigster Art, die an eine miese Kopie des frühen Joschka Fischer erinnerte, provozierte er die Anwesenden ab dem ersten Moment seines verspäteten Eintreffens mit Gesten und deutlich vorgetragenem Desinteresse.
Sichtlich gelangweilt kommentierte er wichtige Fragen mit „Nö“ und Gebrumm, während er weiter an seinem Handy spielte. Der neben ihm sitzende Baum, sichtlich um Sachlichkeit und Entspannung bemüht, konnte einem leid tun. Denn die anderen Parteien, einschließlich CDU, Grüne und SPD gingen mit den Berliner Piraten an diesem Nachmittag schon bis zur Langeweile wohlwollend um.

Ausdrücklich wurde ihnen bescheinigt, frischen Wind ins Abgeordnetenhaus gebracht und zumindest die beiden regierenden Volksparteien nicht nur netzpolitisch vor sich hergetrieben zu haben. Nicht erwähnt wurde von den politischen Konkurrenten der holprige naive Start mit einer nicht nur medial verunglückten Auftaktreise von Teilen der Fraktion nach Island nach der sensationellen Berlinwahl. Nichts vom Skandal, dass die Bewerber um Jobs als Mitarbeiter im Abgeordnetenhaus durch eine „Datenschutzpanne“ des damaligen Fraktionsgeschäftsführers dilettantisch geoutet wurden. Lauer damals: „Das ist doch kein Problem“.  Wie bei einigen Piraten üblich, wurde ganz im Stile der Politik 1.0 auch dieser Vorgang damals vertuscht und beerdigt.
Niemand thematisierte beim Politcamp das schon systematische Mobbing innerhalb der Berliner Piraten, welches Lauer zu Lasten seines Vorgängers neben Baum überhaupt erst an die Spitze der Fraktion gespült hatte. Niemand sprach die üblen Intrigenspielchen einiger Fraktionsmitarbeiter gegen gewählte Abgeordnete an. Keiner die Tatsache, dass Mitglieder der Fraktion andere Piraten mit Abmahnungen bekriegen . Und dennoch rastete die „Diva“ wegen dieser minimalen Kohlmeier-Spitze aus.
Sein Abgang wurde von mrtopf in Ermangelung eines Streams noch geistesgegenwärtig gefilmt und bei Youtube hochgeladen. Man sieht darauf, wie Lauer noch im Stehen Podium und Publikum trollt und dann den Saal verlässt.

Selten wurde wohl ein eher wohlgewogener Saal durch einen Piraten so nachhaltig peinlich berührt. Die Piraten Berlin, von denen sich welche sofort via twitter für den überflüssigen Eklat entschuldigten,  haben nicht nur dieses lauernde Personalproblem. Christopher Lauer ist die tickende Zeitbombe, welche das ganz Piraten-Schiff spätestens zur Bundestagswahl zum Kentern bringen kann. Schade, wenn ein so wichtiges politisches Projekt am Psychotrip der Lauer-Truppe scheiterte.

Weltkindertag. Und Bundestag und so…..

Hurra. Heute ist Weltkindertag. Also eine gute Möglichkeit, global auf die Verletzung von Kinderrechten aufmerksam zu machen. Und sicherlich gehört Kinderarbeit eindeutig zu den groben Verstößen gegen die UN-Konvention zu den Rechten des Kindes.

Es sei, so tönte deshalb unsere Kinderkommission des Deutschen Bundestages schon im Juni,

….dringende Aufgabe der Politik, international auf die Einhaltung der Kinderrechte und das Verbot von Kinderarbeit zu drängen.

Schön, wenn ausgerechnet unser Parlament an „die Politik“ appelliert, sich eines Problems anzunehmen, dem man sich eigentlich und zumindest am Welttag der Kinder selbst mal annehmen könnte. Nicht wirklich scheinen sich diese Abgeordneten „der Politik“ so ganz zugehörig zu fühlen.

Denn nicht einmal am Welttag des Kindes schafft es ausweislich ihrer eigenen Stellungnahme diese Kinderkommission, über den beschränkten deutschen Horizont hinauszublicken. Sie bejammert ausgerechnet heute das harte deutsche Schicksal

..zu oft sind die Tage von Kinder und Jugendlichen viel zu eng eingetaktet.

Dieser Erkenntnis wird man wohl nicht widersprechen können. Doch ist ausgerechnet der Weltkindertag geeigneter Anlass, um einen immer stärker fordernden Schulalltag und Freizeitstress durch vielfältige Aktivitäten mit hohen Anforderungen in DEUTSCHLAND zu beklagen?

Die FDP- Kinderpolitikerin Miriam Gruss setzt da in einer eigenen Pressemitteilung noch einen drauf:

„Wichtig ist, dass der notwendige Respekt für Kinder und ihre Bedürfnisse nicht nur alljährlich am 20. September Beachtung findet. Wir wollen mehr Respekt für Kinder in Deutschland – an 365 Tagen im Jahr.“

Auch bei den einen Außenminister stellenden Liberalen scheint der Begriff „Welt“ an 365 Tagen im Jahr zumindest beim Thema Kinder irgendwie auf die Ecken zwischen Flensburg und Bodensee reduziert zu sein.

Dazu passt, dass sich die Kinderpolitiker des Deutschen Bundestages bis heute und trotz mehrfacher Anfragen nicht mit einem Skandal befassten, über den ich bereits im Dezember 2010 (auf tauss-gezwitscher) berichten musste.

Am Beispiel eines Kaffekonzerns (Douwe Egberts) dargestellt hält die EU-Kommission Kinderarbeit (unverändert!) für einen Wettbewerbsvorteil.

Dummerweise fanden die abgeordneten Kinderpolitiker unseres Parlaments trotz mehrfacher Bitten seit Dezember 2010 keine Gelegenheit, sich damit zu befassen….

PS: Allein in Kenia arbeiten geschätzt 1 Million Kinder, zum Beispiel auf Kaffeeplantagen. Nicht nur in der Freizeit. Sondern statt Freizeit und Schule für ca. 50 Cent auch am Weltkindertag. Ein schöner Wettbewerbsvorteil.