Wer kauft Bahnhof mit Geranien?

Lieber verehrter Herr Zetsche,

vielen, vielen Dank!

Sie haben klare Mannesworte gefunden, der Ihrem Bart gerecht wird. Sie sagten „klipp und klar: Ich unterstütze ,Stuttgart 21′ mit Nachdruck“. Toll! Seit ich Sie kenne, blicken Sie immer voll durch.

So sind Ihre visionären Aussagen zur Erfolgsstory Chrysler aus dem Jahre 1998 noch heute legendär: „Wir sind BESTENS vorbereitet, auch künftig außerordentlichen Wert zu schaffen“. Wem außer Ihnen fällt so etwas schon ein? Ganz so außerordentlich wurde es dann nicht, wie wir heute wissen. Aber schön zu sehen, dass selbst Sie sich bei einem Projekt mal irren können.

Lassen Sie sich also von Mäkeleien wie Wirtschaftlichkeit nicht beirren und mit Milliarden hin oder her sind sie ja vertraut. Wenigstens Steuern brauchte Daimler dann nicht mehr zu bezahlen. Und sollten Sie wie Ihre Vorgänger mal gehen müssen, ist Ihre Abfindung ohnehin höher als die von Kumpel Mappus.

Deshalb ist auch hier vorbildlich, wie Sie dem CDU-Freund in Not beherzt beispringen und vor IHK-Unternehmern in Stuttgart deutliche Worte zu Ihrer äähhh unserer Demokratie fanden: „Das Land braucht eine handlungsfähige Demokratie, die solche Projekte auch umsetzt, nachdem sie durch alle demokratischen Instanzen legitimiert worden sind.“ Klare Worte! Klasse! Druckreif!

Mal ehrlich unter uns, Sie kleiner Schelm (ich verrate es auch nicht): Stellt Daimler auch irgendwo Wasserwerfer zur handlungsfähigen Durchsetzung von demokratisch legitimierten Projekten her? Nix für ungut. Demokratie muss ja fürs Geschäft nicht immer nachteilig sein, gell? In China ist schließlich auch nicht alles schlecht, denn wie könnten korrupte Volkskaderführer sonst auch Mercedes fahren?

Schliesslich liegt alles hier wie dort an der Kommunikation. Sogar gegenüber Ihren damals etwas doofen kritischen Aktionären, um nochmals auf 1998 zurück zu kommen. Die haben Sie doch bei der demokratischen Hauptversammlung fast wie beim Volkskongress locker über den Tisch gezogen: „1998 wurden mit Daimler und Chrysler zwei der erfolgreichsten Unternehmen vereint. Heute ist das Spott und Mitleid gewichen. Das tut weh“, sagten Sie zutreffend. Fast wie der Elchtest. Pardon. Den letzten Satz mit dem Spott bezogen Sie nur auf Stuttgart 21. Aber Sie wissen ja, wie ich es meine :))

Denn nur aus Fehlern lernt man! Bei der Kommunikation des Projekts S21 seien Fehler gemacht worden, wissen Sie: „Aber der einzige Weg, niemals Fehler zu machen, ist gar nichts zu tun.“ Deshalb wurde das Projekt Chrysler wegen mangelnder Wirtschaftlichkeit auch rechtzeitig gestoppt. Richtig so! Mit dem Mut, sich zu Flopps zu bekennen, kann man dann auch locker und unverdächtig für Stuttgart 21 kämpfen!

Zu Fehlern zu stehen, egal was sie kosten, ist brillant. Deshalb ist Ihr Appell an „die“ Politik einfach konsequent: „Haben Sie weiterhin den Mut, die richtigen Entscheidungen umzusetzen – nicht die bequemen.“

Klare Worte! Nur nicht zu bequem oder gar nachdenklich werden. So kennen wir Sie, seit Sie bei Chrysler wegen des außerordentlichen Wertes eingestiegen und wegen Unwirtschaftlichkeit dann wieder ausgestiegen sind. Aber jetzt nochmals ganz ehrlich unter uns:

Warum gönnen Sie Ihrem Ex-Vorstandskumpel Grube nicht auch mal so ne richtig tolle und spektakuläre Ausstiegsentscheidung? Er will doch auch bei der Bahn wie Sie bei Daimler gerne oben bleiben? Sie wurden doch sogar noch befördert, als Sie Chrysler mit Verlust gerade so verkaufen konnten.

Ich frage mich deshalb abschliessend nur noch eines, doch sicher wissen Sie mir auch da Rat:  Wer kauft Herrn Grube mal seinen verbuddelten Bahnhof mit Gras und Geranien oben drauf ab, wenn der sich, analog zu Ihrem Chrysler-Projekt, wirtschaftlich nie rechnet?

Mit dem Wunsch, dass Leute wie Sie immer oben bleiben mögen, grüße ich hochachtungsvoll

Ihr Jörg Tauss

Anmerkung: Alle Zitate (kursiv) stammen aus Geschäftsberichten und aus der IHK-Versammlung vom 4.11.2010 zu Stuttgart 21.

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