Bewerbung! Vertraulich!

Vertraulich- Geheim- Nur für den Dienstgebrauch! Nicht zur Weitergabe geeignet!

Lieber Herr Putin, verehrter Herr Botschafter, sehr geehrte Damen und Herren,

nahezu wortgleichen Pressemeldungen unserer Qualitätsmedien von Welt bis Spiegel habe ich entnommen, dass Sie derzeit interessante Spionagejobs für Russland vergeben.

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/spionage-verfassungsschutz-warnt-vor-russischem-geheimdienst-a-965306.html

http://www.welt.de/politik/deutschland/article127121099/Verfassungsschutz-warnt-vor-russischen-Spionen.html

Unser Bundesamt für Verfassungsschutz sei deshalb in großer Sorge. Dies beruhigt mich wiederum, da ich für die ersatzlose Abschaffung dieser reichlich unnötigen Behörde bin. Sie sorgt sich immer um Dinge, die gerade nicht stattfinden (siehe NSU). Außerdem bin ich für die Abschaffung der deutschen Generalbundesanwaltschaft, die bekanntlich nicht ermittelt, wenn sich Spionagetätigkeiten diverser Dienste gegen die deutsche Kanzlerin und Bevölkerung richten. So ist allein durch das Verhalten unserer befreundeten us-amerikanischen und britischen (Spionage-)Botschaften in Berlin das Ansehen von Geheimdienstmitarbeitern stark gestiegen. Sie werde nicht einmal mehr ausgewiesen.

Daher will ich mich der Ausgeglichenheit wegen bei Ihnen um diese so wichtige wie offensichtlich risikolose Aufgabe gerne bewerben. Seit geraumer bin ich zudem Putin- Versteher und der grüne Abgeordnete Volker Beck hat mich ohnehin aufgefordert, „nach DRÜBEN zu gehen“. Damit dürfte Ihr schönes Land gemeint sein, das ich schon oft bereisen durfte. Insofern kenne ich auch alle Wege nach Moskau.

Sie kennen zudem mich, weil ich früher mein Büro Unter den Linden 52 unmittelbar gegenüber Ihrer Botschaft hatte und wir uns immer so nett wie heimlich winkend gegenseitig fotografierten. Seit dieser Zeit führe ich aber das für die Agententätigkeit erwünschte unauffällig- bürgerliche Leben im Dorf und auf twitter.

Als freier Journalist und ehemaliger Bundestagsabgeordneter hätte ich mit einem Presse- bzw. Fossilienausweis noch jederzeit Zugang zum Deutschen Bundestag. Auch wenn mir bekannt ist, dass dort seit geraumer Zeit keine Politik mehr gemacht wird und das deutsche Parlament gegenüber den Exekutiven und den USA  weitgehend rechtlos ist, so kenne ich den Hintereingang oder den Kellergang zwischen der Bundestagssporthalle, wo Praktikanten mit den von Ihnen umworbenen Mitarbeitern kicken, und dem Reichstagsgebäude.

Beim Katastrophenschutz habe ich mir schon in den 70iger Jahren Grundkenntnisse in Kommunikationstechnik erworben und später ausgebaut, als dieses Internet erfunden wurde. So wurde ich schon in den 90iger Jahren im Bundestag als Sicherheitsrisiko entlarvt. Um so unverdächtiger könnte ich heute agieren. Keiner vermutet, dass ich Ihr Spion sein könnte! Als äußerst transparent Vorbestrafter bin ich auch nicht für eine Doppelagentenrolle erpressbar. Ich beherrsche in Wort und Tat zudem Fax, Kopierer, Scanner und Fotoapparate unterschiedlichster Hersteller.

Außerdem weiß ich, in welcher Kellerbar alkoholisierte ehemalige Kollegen jene geheimen Informationen austauschen, die sie eventuell doch mal von einem Beamten zugesteckt bekommen. Als Mitglied der Deutschen Parlamentarischen Gesellschaft habe ich auch Zugang zu Räumlichkeiten, wo wir in angenehmer Atmosphäre Treffen der Spione im Bundestag, z. B. Weihnachtsfeiern, abhalten könnten. Wir müssten es nur als Lobbyveranstaltung für Sicherheitstechnologie, z. B. Nacktscanner, tarnen. Dort könnte man dann auch Fussballübertragungen oder, nach Veranstaltungsschluss, gemeinsam auch lustige 007- Filme betrachten.

Ich habe rudimentäre Kenntnisse der russischen Sprache (…Na sdorowje…). Außerdem kenne ich westliche Geheimdienstkreise und war diesem Treiben stets so zugetan, dass ich eigentlich schon immer diesen Beruf ergreifen wollte. Geheimdienstkoordinatoren im Kanzleramt und in zwei Fällen britische und amerikanische Agentenkollegen, die trotz meiner Sicherheitsüberprüfung Vertrauen zu mir fassten, haben mir wegen dieses großen Interesses an ihrer spannenden Arbeit in abhörsicheren Räumen so gelegentlich Dinge berichtet, die ich kurz zuvor schon im Radio gehört hatte.

Kurz: Über Ihre an meinen toten Briefkasten gerichtete freundliche Antwort (Chiffre „Spion“) und über ein Bewerbungsgespräch in Ihrem Hause mit dem Ziel einer angenehmem Zusammenarbeit freue ich mich sehr.

In herzlicher wie geheimer Verbundenheit verbleibe und grüße ich do svidaniá

Jörg Tauss