Spackeria & Datenschutz

„There was of course no way of knowing whether you were being watched at any given moment George Orwell, 1984

Die derzeitige aufgeregte Spackeria- Julia Schramm – Debatte ist weit mehr als ein weiterer Abklatsch der monatelangen aufgeregten Diskussion um Herrn Zuckerbergs tatsächliche oder vermeintliche Äußerungen zur Post-Privacy, wonach das Zeitalter des Datenschutzes endgültig vorbei sei.

Richtig ist: Was ich ins Netz einstelle ist erstmal drin. Was ich veröffentliche, ist ähnlich einer Tätowierung meine persönliche und kaum korrigierbare Entscheidung. Meine Vergangenheit ist Teil meiner Person. Selbstverständlich darf unter Wahrung der Unschuldsvermutung und der Verhältnismäßigkeit meine Vergangenheit für oder gegen mich verwendet werden. Das gilt im „wahren Leben“ wie im Netz, das ja auch nur ein Teil meines realen Lebens ausmacht. Wer außer er selbst und seine Fangemeinde hat beispielseise ein Problem damit, dass Herr zu Guttenberg von seiner Vergangenheit auch digital eingeholt wurde?

Gut so, dass es nicht nur in diesem Fall keinen digitalen Radiergummi gab. Insofern verwundert dieser Teil der Kritik an der Spackeria, sie ignoriere diese Irreparabilität. Man kann Vergangenheit so wenig abschütteln wie die eigene Haut. Egal ob sie jugendlich pickelig, glatt, straff oder verwelkt daherkommt. Insofern brauche ich auch keinen digitalen Radiergummi.

Die Gefahr, dass ein Personalchef sich über die Bewerbung einer Person wundert, über die er nichts aber auch gar nichts im Netz findet, ist wohl ungleich größer als die Gefahr, dass uralte Partyfotos gegen einen verwendet werden. Ungeachtet der Tatsache, dass sich wohl über viele Personalchefs schon heute und spätestens in einigen Jahren alles mögliche im Netz finden lässt.

Die Frage ist doch nicht, was man über jemanden findet, sondern bestenfalls welche Schlüsse Dritte mit welchen Folgen für mich daraus ziehen können. Zu debattieren wäre, wie man sich gegen diese Schlüsse im Fall des Falles besser wehren könnte. Das Kunden – Scoring bei Kreditvergaben oder bei der Schufa sind hierfür gute Beispiele. Sie räumen gleichzeitig mit dem Spackeria- Irrtum auf, alles sei gut, sobald nur alle Daten umfassend frei zur Verfügung stehen.

Da hilft mir auch der achselzuckende wie richtige Hinweis von Jörg Rupp nicht weiter, dass er den umfassenden Datenschutz, der teilweise eigefordert wird, gerade für Social Networks bzw. das “Internet” für völlig abstrus hielte.

Das ist ein Irrtum. Denn natürlich sind Persönlichkeitsrechte gefährdet, wenn unsere verschiedensten Daten, die für sich allein betrachtet belanglos sein mögen, irgendwo zentral zusammengeführt und miteinander verknüpft werden. Daraus können Konsequenzen bis hin zur Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz entstehen. Hier wird Datenschutz tatsächlich zum notwendigen Persönlichkeitsschutz.

Nun habe ich aber auch noch keinen Spacko getroffen, der diese Gefahr wirklich leugnet. Auch nicht die Tatsache, dass es auch im Netz wie außerhalb des Netzes natürlich auch ehrverletzende Beschreibungen und Mobbing von Personen gibt. Eine Art Gegendarstellungsrecht bei Google hielte ich hier durchaus für sinnvoll.

In drei wichtigen Punkten hat die Spackeria um Julia Schramm dessen ungeachtet allerdings völlig recht:

Es bedarf in der Tat einer Debatte über das künftige Verhältnis von Datenschutz und Gesellschaft und es gibt eine Erosion der informationellen Selbstbestimmung

  1. Der alte Datenschutz ist in den 70igern (nicht in den 80igern, liebe Julia Schramm) entworfen worden. Der Datenschutz in dieser Zeit hatte tatsächlich wenig mit den Herausforderungen der heutigen Zeit zu tun.
  2. Es gibt tatsächlich politische Tendenzen, den Datenschutz zu einem Instrument umzugestalten, das Freiheitsrechte potenziell gefährdet.

Der nun ausgebrochene Streit über solche selbstverständlichen Erkenntnisse erinnert mich allerdings an die berühmte Szene aus „Das Leben des Brian“ . Dort appelliert Brian an die Volksfront von Judäa und die Kampagne für ein freies Galiläa: Aber kämpft doch nicht gegeneinander. Wir müssen vereint sein gegen den gemeinsamen Feind. Alle: Die Judäische Volksfront!!! Brian: Nein, nein, die Römer! Alle: Achsoo. Beide Gruppen bringen sich dann gegenseitig um und die Römer schauen kopfschüttelnd zu.

Der gemeinsame „Feind“ in diesem Sinne sind für mich jene, die den gesetzlichen Datenschutz in Deutschland über Jahrzehnte verlottern ließen, um ihn heute ausgerechnet in den social networks oder bei dem Recht auf Verpixelung von Gebäuden (sic!) durchsetzen wollen. Sie würden grinsend und nicht kopfschüttelnd zusehen, wenn sich Netzaktisten und Datenschützer gegenseitig „umbringen“ und schwächen.

Der Feind heisst bei aller berechtigten Kritik nicht facebook, streetview, google oder auf der anderen Seite Datenschutz. Ich kann mich einer anderen Suchmaschine bedienen oder mich auch aus den Networks zurückziehen. Aus dem Überwachungsstaat der Schilys, Schäubles, de Maizierés und Zimmermanns kann ich das aber nicht. Christian Heller forderte deshalb kürzlich zu Recht, Datenschutz solle in Bezug auf staatliche Repressionen statt auf Firmen wie Google oder Facebook hin gedacht werden.  Da ist viel Wahres dran.

Denn die Notwendigkeit gesetzlicher Veränderungen beim Datenschutz begründet die Bundesregierung eben nicht mit Freiheitsrechten. Sie hat banalere Sorgen, wie ausweislich von carta eine reichlich dümmliche Frage des letzten Bundesinnenministers bewies: “Kann ich mich darauf verlassen, dass derjenige, der mir eine E-Mail schickt, auch derjenige ist, der er vorgibt zu sein? Kann ich mich darauf verlassen, dass derjenige, der mir mit der gelben Post einen Brief schickt, derjenige ist, der er vorgibt zu sein?

Interessanter für mich als Staatsbürger wäre doch die Frage an die Bundesregierung, ob sie sich darauf verlassen kann, dass Bank- oder Fluggastdaten in den USA sicher sind. Oder weshalb sie an dem Weg in den Präventionsstaat weg vom Rechtsstaat festhält, wie auch die ständigen Vorstöße zur Vorratsdatenspeicherung von Telefon- und Internetverbindungsdaten belegen.

Wichtig ist für Union und war früher für Otto Schily allein die Bekämpfung des Internets- nicht der Datenschutz der Bürger. Anonymität darf es laut Union oder früher Schily im Internet nicht geben. Selbst längst selbstverständliche Pseudonyme  sind den Herrschaften mehr als suspekt. Statt dessen wollen sie ein Recht auf Häuserverpixelung. Doch Fotos von Häusern sind nichts gegen die Vorratsdatenspeicherung. Facebook ist nichts gegen SWIFT. Und Google nichts gegen Indect oder Netzsperren.

Die politische Verlogenheit in Sachen Datenschutz findet man im Netz gut dokumentiert vor. So sagte Ministerin Aigner zur Facebook-Problematik: „Gerade weil besonders jungen Nutzern meist nicht bewusst ist, dass ihre persönlichen Profile zu kommerziellen Zwecken genutzt werden sollen, kommt Unternehmen wie Facebook eine besondere Verantwortung zu.“

Ein US- Unternehmen ist eben schön bequem weit weg. Doch nur ein Jahr zuvor hintertrieben Union gemeinsam mit der SPD die hierzulande möglichen Reformansätze, als es beispielsweise beim sogenannte Listenprivileg um die Abschaffung der Verwendung personenbezogenen Daten zu Zwecken der Werbung, Markt- und Meinungsforschung ohne Einwilligung der Betroffenen ging. In Deutschland dürfen diese Daten auch weiterhin ohne Zustimmung Betroffener weitergegeben werden. Wo waren damals jene Unionisten, die sich heute über facebook aufregen?

Schon der nun wirklich halbherzige wie populistische Versuch Schäubles (!), hier nach den Datenschutzskandalen (Telekom, Bahn, Lidl etc.) im Jahre 2009 zu einer Änderung zu kommen, scheiterte an der Union und einer gleichgültigen SPD, die mir „Radikalität“ vorwarf und die in vielen Jahren entstandene Datenschutzposition und mich über Bord warf.

Für die CDU- Dame und Datenschutzberichterstatterin Beatrix Philipp war dieser Sieg der Lobbyisten über die Datenschützer zynischerweise der „beste Beweis für eine gelebte Demokratie.“

Statt sich also endlich an eine überfällige Modernisierung des BDSG und des Datenschutzes und die überfälligen Hausaufgaben zu machen , entdeckte die neue Bundesregierung nun mit ihrem Gesetzentwurf Datenschutz im Internet – Schutz vor besonders schweren Eingriffen in das Persönlichkeitsrecht das Web 2.0 als  eigentlichen Gefährder des Datenschutzes.

Dieser umfassende Datenschutz wird heute also von jenen gefordert, die sich zuvor nicht um das Thema kümmerten und für die der Datenschutz schon immer Täterschutz war. Und da sollten nicht nur Spackos misstrauisch werden.

Kleiner Exkurs zu den vertanen Chancen

Das Datenschutzkonzept entstand zu einer Zeit, als noch viele „Operator“ in weissen Gewändern und abgeschottet vom Rest des Betriebs die damaligen „Hollerith-Maschinen“ bedienten. Sie schoben auf Hubkarren Paletten mit Lochkarten hin- und her, die zuvor von fleissigen Locherinnen angefertigt wurden. Von der Rechenkapazität, das heute ein Handy aufweist, war man Lichtjahre entfernt. Es gab dennoch die ersten kritischen Computerdiskussionen, 1977 erste Datenschutzgesetze und Jahre später dann die Volkszählung nebst Urteil. Und dieses Urteil ist noch immer Gold wert. Auf ihm basiert das vom Bundesverfassungsgericht verankerte Grundrecht einer informationellen Selbstbestimmung und später das Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme.

Zur Vermeidung weiterer Missverständnisse täte die Spackeria gut daran, sich gerade dann zu diesen Grundrechten zu bekennen, wenn man weiß, dass das BDSG heute hinter diesen Ansprüchen weit hinterher hinkt. Das allerdings wissen die Datenschützer nicht erst seit Schramms Erkenntnis, wonach es eine Bigoterie des Staates sei,  ein Datenschutzgesetz zu stricken, aber anonymes Surfen nicht zu fördern. Äpfel mit Birnen werden hier nur insoweit verglichen, als vom Surfen in Datennetzen die Datenschützer der 1. Generation gar nichts wissen konnten.

Dass die Datenschutzreformen wie deren Bekämpfung aber eine lange Tradition haben, zeigt ein Papier aus 1998, das ich zusammen mit Ute Vogt zur Reform des Datenschutzes (Eckpunkte) vorgelegt hatte. Damals schrieben wir:

…Angesichts der Unübersichtlichkeit und Kompliziertheit des Datenschutzrechts sollte im Interesse von datenverarbeitenden Stellen und Nutzern eine erhebliche Vereinfachung und Verschlankung des Datenschutzrechts im Vordergrund stehen…

…Dies darf jedoch nicht zu einer Aufweichung der verfassungsrechtlich garantierten Rechte oder zur Einschränkung oder Abschwächung bewährter Verfahren des Datenschutzes führen. Eine Vereinfachung und Verschlankung erweist sich aber vor allem deshalb als notwendig, um zu widerspruchsfreien, einheitlichen, praktikablen und vor allem auch verständlichen Regelungen zu gelangen….

…Eine große Bedeutung kommt den Möglichkeiten des Selbstschutzes für den einzelnen Nutzer zu. Dazu bedarf es insbesondere der weiteren Entwicklung von Selbstschutzinstrumenten (z.B. Digitale Signatur, Verschlüsselungssoftware)…

Anmerkung: Hintergrund war damals die Krypto Debatte und die von den USA verlangte Schlüsselhinterlegung (key recovery).

…Die Möglichkeiten der Nutzer zum Selbstschutz durch kryptografische Verfahren darf rechtlich nicht eingeschränkt werden. Eine Einschränkung der freien Verwendung solcher Verfahren kann bei einer Abwägung von Nutzen und Schaden nicht gerechtfertigt werden und wäre verfassungsrechtlich bedenklich…

…Grundlegende Bedeutung kommt der pseudonymen Nutzungsmöglichkeit der neuen Dienste als Mittel des Selbstdatenschutzes zu, die gefördert werden sollte. Mit einer pseudonymen Nutzungsmöglichkeit werden die personenbezogenen Daten zwar nicht reduziert, jedoch wird damit die Zurückverfolgung der gespeicherten und verarbeiteten Daten zu einer tatsächlichen Person wirksam verhindert – außer im Streitfall. Dies ist der wirksamste Weg, um Mißbräuchen mit personenbezogenen Daten vorzubeugen, die in den Datennetzen anfallen. Allerdings setzt dieses Instrument eine Infrastruktur zur Ausgabe, Verwaltung und Aufdeckung von Pseudonymen voraus, die nach Prinzipien des Systemschutzes organisiert sein sollte…

Ende der Zitate

2001 gab es einen erneuten Anlauf. Im Auftrag des BMI wurde ein Professorengutachten (Bitzer, Garstka, Rossnagel) zur Reform des Datenschutzes in Auftrag gegeben.

Doch auch diese Arbeit verschwand in der Versenkung, weil für Schily in praktischer Weise der Anschlag vom 11. September auf das New York WTC dazwischen kam und er seine Antiterrorgesetze auf den Weg bringen konnte. Das Gutachten erhielt deshalb noch nicht einmal eine Bundestagsdrucksachennummer und erreichte nie den Innenausschuss. Auch die Grünen unter deren damaligen innenpolitischen Sprecher und heutigen Vorsitzenden Cem Özdemir hatten keinerlei Interesse daran, endlich das Projekt Datenschutzreform anzugehen.

Julia Schramms Kritik, es sei eine „Bigotterie des Staates, ein Datenschutzgesetz zu stricken, aber anonymes Surfen nicht zu fördern“, trifft  zu. Allerdings wurde über Jahre hinweg schon das Stricken unterbunden. Und zwar nicht aus Bigottterie, sondern aus klar erklärter politischerAbsicht. Auch die Bundesländer wollten nicht. Kurt Beck erklärte klipp und klar: Aus Sicht der SPD-regierten Länder bestehe kein Handlungsbedarf.

Der Datenschutz ist tot. Es lebe der Datenschutz

In dem Moment, in dem ich mich zu Hause bei Facebook anmelde, liefere ich mich dem Kontrollverlust aus. Deshalb gebe es nur zwei Möglichkeiten, sagte Schramm zur Nachrichtenagentur dpa: „Entweder ich akzeptiere das oder ich lasse es und halte mich fern.“

Warum so eine schwarz-weisse Betrachtung?

Warum sollte ich mich nicht in dem einen oder anderen Bereich „outen“ können, um aber in anderen Teilen gesetzlich abgesichert und mittels Datenschutz durch Technik anonym zu bleiben oder wenigstens mein Pseudonym einzusetzen?

Oder als weitere Stichworte Datenvermeidung und anonyme Bezahlsysteme. Stellte das gerade in der Zeit des biometrischen Personalausweises eine „Überregulierung“ oder gar staatliche Repression dar? Nein.

Deshalb sollten die Spackos nicht das Ende des Datenschutzes ausrufen, sondern mithelfen, dass ein moderner Datenschutz endlich auf die politische Agenda kommt.  An Bemühungen hierzu hat es jedenfalls nicht gefehlt. Es wäre allerdings verfehlt, nun ausgerechnet die Folgen unterlassenen politischen Handelns dem Datenschutz anzulasten.

Der Datenschutz ist tot. Es lebe der Datenschutz. Mit dieser abgewandelt abgedroschen Weisheit könnte ich als Ausgangspunkt der weiteren Debatte gut leben.

Einige Links zu weiteren Artikeln zum Thema, die ich mit Interesse gelesen habe:

Thomas Stadler lawblog:  http://www.internet-law.de/2011/04/das-datenschutzproblem.html/comment-page-1#comment-7897

Jörg Rupp (Grüne) zu Post-Privacy http://joergrupp.de/post-privacy/

Marina Weisband http://www.marinaslied.de/?p=541

Spacko fasel: http://spackeria.wordpress.com/

Tim Schmidt: http://www.blogs.uni-osnabrueck.de/web20/2011/03/20/post-privacy-der-andere-und-die-datenschutzkritische-spackeria/

Jörg Tauss zur Reform des Arbeitnehmerdatenschutzes: https://www.tauss-gezwitscher.de/?p=1289

../.. Für weitere Tipps dankbar 😉

32 Gedanken zu „Spackeria & Datenschutz

  1. Andreas

    Vielen Dank für diesen Artikel. Zu ihm und der Debatte allgemein habe ich noch ein paar Anmerkungen.

    Die große Gefahr beim (fehlerhaften) Datenschutz liegt für mich im Kontrollverlust. Trivialerweise sollte jeder selbst entscheiden dürfen, was er veröffentlicht und was nicht. Allerdings ist für den einzelnen kaum zu durchschauen, wie die Daten verwendet werden, und welche Schlüsse aus den Daten – auch in der Zukunft – möglicherweise gezogen werden können. Ich habe 2009 vielleicht nichts dagegen gehabt, meine Fotos auf Facebook hochzuladen, bin 2013 aber nicht begeistert von der praktischen „Wo wohnt die Person, die mir gerade gegenüber sitzt?“-App, die ebendiese Fotos benutzt, um mich an Hand von biometrischen Merkmalen zu identifizieren. Auch bei Staaten kann es natürlich passieren, dass Daten, die gespeichert wurden, um Terroristen zu fangen, später auch für strittigere Dinge verwendet werden.

    Dem möglichen Kontrollverlust stehen große Erkenntnisgewinne gegenüber. Im Bereich der Medizin ist zum Beispiel die Datenlage für die meisten Medikamente höchst unzureichend. Wenn man große Datensätze von Patienten zur Verfügung hätte und darauf statistische Methoden anwenden könnte, würde man wahrscheinlich die eine oder andere Überraschung erleben.

    Der jetzige Datenschutz vereint leider das Schlechteste aus beiden Welten, in dem er die „Überraschungen“ möglich macht, die Forschung aber nicht. Bei einer Neuausrichtung des Datenschutzes sollte auch der Nutzen eine Rolle spielen. Theoretisch sollte die gleiche Sammlung von Daten in Abhängigkeit vom zu erzielenden Nutzen gerechtfertigt oder nicht gerechtfertigt sein können. Leider wird sich ausschließliche Verwendung schwer garantieren lassen.

    Zum Schluss möchte ich noch darauf hinweisen, dass die oft behauptete Wahlfreiheit in Bezug auf die Nutzung datenschutzkritischer Anwendungen eine Illusion ist. Der Großteil der Bevölkerung wird nicht mehr ohne die Benutzung von Google oder anderer Suchmaschinen auskommen. Deshalb obliegt es dem Staat, hier akzeptable Regelungen zu schaffen.

    Viele Grüße,

    Andreas

  2. Pingback: Linklese 1 | Aluhüte

  3. Michael Carabini

    Nach Professor Caspars Datenhunger hatte sicher kein Hahn sonderlich laut gekraht ware er nicht erst vor Tagen als besonders aggressiver Google-Gegner aufgefallen. Er schimpfte nicht nur auf Google und brach reichlich pathetisch die Verhandlungen mit dem US-Unternehmen ab.

  4. Pingback: Jörg Tauss über falschen und richtigen Datenschutz « Kritik und Kunst

  5. Dirk Burchard

    Also nach einigen Versuchen, dort via Kommentar freiheitsmehrende Ideen zu finden, begreife ich die Spackeria inzwischen als eine Art Kunstwerk, das die auch durch Datenschutz zu sichernde Informationelle Selbstbestimmung so überzogen in Frage stellt, damit selbst reaktionäre Krakehler wie Guido Westerwelle sich empören, daß sie das dann auch nicht wollen, um dann reflexartig wieder für Freiheitsrechte Partei zu ergreifen.

    Tatsächlich scheitern wegen nachlässigen Datenschutzes in diesem Jahrtausend doch zunehmend selbst Menschen mit Vornamen „Bahnchef“: Jene, für die Datenschutz immer nur eine Schutzbehauptung war, um ihr Herrschaftswissen zu verteidigen, haben mit dem Telekom-Gate ihr Harrisburg erlebt, daß ihre Überwachungsmaßnahmen nicht nur Angestellte und Unterschicht kontrollieren, sondern auch ihre eigenen Kreise erfaßt. Die Insiderdaten der US-Diplomatie bei Wikileaks waren für diese dann der Datenschutz-Tschernobyl-GAU. Irgendwann kommt dann halt noch ein Datenschutz-Fukushima, und dann wollen auf einmal alle jene Argumente vertreten, die sie sonst immer bekämpft haben. Schade zu wissen, daß die Opfer dieses Prozesses zwar nicht verstrahlt sein werden, aber durch effektive Stigmatisierungen zumeist massiv um Entfaltungsmöglichkeiten gebracht bleiben werden, aber gut zu wissen, wenn man sich an diese Gemobbe nicht beteiligt hat…

    Übrigens bin ich der Ansicht, daß ein Informationsfreiheitsgrundrecht auf kostenlose Einsicht des einzelnen in alle über ihn gespeicherten personenbezogenen Daten, nebst kostenlosem Auskunftanspruch bezüglich aller allgemein zu was auch immer erhobenen Daten der zentrale Schlüssel zu echter Informationeller Selbstbestimmung ist.

  6. Pingback: Linkschau, die Erste. | Die datenschutzkritische Spackeria

  7. VonFernSeher

    Der Entweder-Oder-Gedanke ist doch sinnlos. Warum soll man sich denn nicht mehr auf den Datenschutz in der Privatwirtschaft konzentrieren können, wenn man sich auch für den Datenschutz bei Behörden einsetzt? Und was genau wollen Sie noch vor dem Staat verheimlichen, wenn der es in der Wirtschaft kaufen kann?

    Datenschutz muss gegenüber allen gleich strikt gehandhabt werden, denn sonst bringt er nichts. Das hat auch wenig mit „hier die Guten, da böses Facebook“ zu tun; es geht halt nicht um Bösartigkeit, sondern um eine Bringschuld der Person, die von mir Informationen erhalten möchte. Und da vor allem um die unerlaubte Verknüpfung. Dass Herr X nämlich Kondome in der Onlinedrogerie gekauft hat, ist erst dann interessant, wenn man auch noch weiß, dass seine Frau noch für weitere sechs Monate auf Forschungsreise im Amazonasdelta ist.

    Anmerkung: Selbstverständlich will ich auch im privaten Raum einen sorgfältigen Umgang mit meinen Daten.

  8. Marc

    Schöner Text Herr Tauss!
    Ich kann dazu folgendes sagen: Ich arbeite hauptberuflich in einem E-Commerce-Unternehmen und meine Erfahrung ist: Den meisten Usern/Onlineshoppern/Onlinehändlern ist der aktuelle Datenschutz EGAL! Wnn ein Schnäppchen winkt, werden auch schonmal Kreditkartendaten am Telefon (!) rausgegeben!

    Und wenn in den Nachrichten wieder Meldungen über Kreditkarten-Diebstahl umgeht, wird gejammert und geschimpft, nach ein paar Wochen zückt man aber wieder die Karte zu jeder bietenden Gelegenheit…

    Letzen Endes ist doch jeder sein eigener Datenschützer und muss selbst wissen wieviel er von sich preisgeben kann/will/muss! Manch sind halt sehr „offen“ und posten jeden Mist auf Facebook, andere eben nicht.

  9. kar

    Es gab eine Zeit, da hatten Trolle noch soetwas wie Niveau! Diese ist aber lange vorbei. Übrigens auch schon seit Jahren, eben seitdem Supportforen der ISPs ein Sammelbecken skuriler Gestalten wurden. Was da schon an Kommentaren gepostet wurde, spottet jeder Beschreibung. Da drückt sich selbst ein Unreal Kid gepflegter und ruhiger aus! 😉 Und erst recht dieser Blödsinn ist nur noch peinlich @garak2406

  10. garak2406

    @kar
    ——\|||/
    ——(o o)
    _ooO__(_)__ooO_
    |–Ich bin bei—-|
    |—-Heise zu—-|
    |—–hause!—–|
    ——————
    \\\|||/// \\\|||///
    ++++++++++++++++++++++++++++++++++++
    (c) 2011 garak2406 der Troll auf der Trollwiese

    Herr Tauss darf den bösen Link rausnehmen. 😉
    Siehst du Kar ich gehe auf diesen Kompromis ein.
    Schönes Wochenende.
    Zitat: Achja, und Dein sonstiger – teils unter anderen Nicks gepostete – Blödsinn
    Antwort:
    Kar war zu lange bei der Stasi oder ist das Detektivarbeit??? Sowas schimpft sich Datenschützer. muahahahaha
    P.S. Ich bin ein stolzer Troll.

  11. kar

    Allerwertestes garak2406, Deine direkte Verlinkung auf diese Stalkerseite isharegossip stimmt nachdenklich! Mach Dir mal klar, was Stalking-Geschädigte durchmachen, bevor Du nochmal so eine Nummer durchziehst! Achja, und Dein sonstiger – teils unter anderen Nicks gepostete – Blödsinn, den kannst Du bitte gleich wieder mitnehmen und im Heiseforum abladen. Danke!

  12. Dr Jerry

    FYI: 1 copy

    guido.westerwelle@bundestag.de

    Betr: Beileid zu aktuellen Wahlergebnissen, Anregung zum zukünftigen vermehrten Stimmengewinn

    Lieber Dr Westerwelle!
    Als ehemaligem Kommilitonen an der Uni Bonn, Bonner Mitbürger und FDP-Wähler tut es mir weh, mit anzusehen, wie Sie und Ihre Partei einen Schlag nach dem anderen einstecken müssen. Ich aber hatte nichts gegen Ihre kontroversen Entscheidungen, Besonders die Enthaltung bei der Militäraktion Libyen ist mir sympathisch und Ihr persönlicher Lifestyle auch.

    Aber wie sagte einst Anton Bruckner so schön über seine Kritiker im Volk: „Vox populi = vox Rindvieh!“

    Wenn ich etwas in der FDP zu sagen hätte, würde ich noch stärker gegen die sogenannten Volksparteien steuern. Ähnlich wie die Libertarian Party der USA sollte die FDP eine Opposition der Mitte sein, die Freiheit und Unabhängigkeit in Privatwirtschaft und Lebensgestaltung vertritt.

    Deshalb weise ich auf eine große, missachtete Volksgruppe hin, die von allen Parteien verschmäht wird (sogar durch Linke und Piraten): die AnhängerInnen, SympathisantenInnen und TolerantenInnen eines pädosozialen lifestyles. Einst gehörten sie zum Grundstock der Grünen, aber seit ca 2000 blasen alle Parteien zu Hexenjagd und Bildersturm gegen sie und ihre bevorzugten Medien. Täglich gibt es neue Justizopfer der repressiven deutschen/EU Sitten-Gesetzgebung.

    Vorsichtige Schätzungen vermuten einen pro-pädosozialen Stimmenblock von ca 5-10% der Wahlberechtigten, der derzeit einfach der Empfehlung diverser einschlägiger Medien, Foren und Blogs folgt und NICHT wählt. Wir fühlen uns politisch verfolgt, denn alle Parteien hofieren den lynch mob der AntipädenInnen.

    Taktisch klug wäre es, wenn Ihre Fraktion erst einmal vorsichtig eine Änderung der §§ 176 und 184 StGB im Bundestag vorschlägt. Zum Beispiel durch Anpassung des sogenannten Schutzalters (engl: age of consent) an das des Vatikanstaates, der doch bestimmt kein Lasterpfuhl ist: dort ist es 12 Jahre (auch z B in Spanien und Mexiko). Eine Annäherung an den verstoßenen SPD-MdB Tauss wäre auch denkbar.

    Der Dank dieser Volksgruppe, die quer durch alle Bildungsschichten und Einkommensklassen geht (vom Nobelpreisträger zum/r arbeits-/obdachlosen SchulabbrecherIn), wird Ihren gewiss sein. Denn freigeistigen Menschen ist persönliche Entfaltung wichtiger als Ideologie, Tagespolitik und sogar Wohlstand und Umwelt. Kümmern Sie sich um sie, bevor es eine radikalere, undemokratische Partei tut!

    In diesem Sinne, viel Glück und Erfolg uns allen!

    Dr Jack Ott

    PS: Nicht vergessen: Auch Ihr privater lifestyle war vor kurzem noch verboten (§ 175 StGB).

  13. Rudi

    Gestatten Rudi, Beruf Arbeitslos.

    Es gibt kein Datenschutz! Mit der Impressumpflicht auf jeglicher Homepages fängt es an auch wenn der Inhaber keine Firma hat.
    Datenschutz beim Amt wie JobCenter gibt s auch nicht, die fragen neuerdings die Leute aus was genau für Krankheiten die haben und wo man zum Arzt geht! Ach Herr Tauss bevor es ganz vergessen wird, in Mai ist stichpropenhaltige Volksabstmmung (Zensus2011)! Wer diese nicht ausfüllt soll schwer bestraft werden.
    http://www.zensus2011.de/

  14. Not Needed

    Leider sind die Aktivisten, die mit der Spackeria agieren, auch der Meinung dass ihre Sicht der Dinge auch für die anderen Betroffenen gilt – sprich, wenn eh alles öffentlich ist (aus Ihrer Sicht) ist es auch weiter verwertbar und weiter nutzbar – selbst wenn dies aus Sicht der anderen Person gar nicht so ist. Das heisst aus Sicht dieser Aktivisten muss man als Person _immer_ dazusagen wenn etwas privat ist. Was Unterhaltungen reichlich umständlich macht und ich ehrlich gesagt keine Lust auf solche Unterhaltungen habe.

  15. Lutz Falkenburg

    Niemand kann Daten nirgendwo missbrauchen, weil alle Daten „frei“ sind. Der Witz ist ja, dass jeder immer alles über jeden weiß, ebenso wie jeder immer alles über einen selbst wissen kann. Klar, wer an diesem „Spiel“ nicht teilnimmt bleibt geheim (weil er zum Beispiel keinen Computer/kein Handy etc. hat) DER wird aber schwer haben länger teilzuhaben. Regulieren lässt es sich eh nicht also bleibt aus meiner Sicht nur absolute Transparenz.

  16. Pingback: #g RT @do_panic: Tauss zu #Datenschutz: https://www.tauss-gezwitscher.de/?p=2240 | Halbschatten

  17. crackpille

    1. Öffentliche Daten sind öffentlich, ganz gleich ob personenbezogen oder nicht. Es gibt kein Recht auf Vergessen.
    Es gibt es nicht in der Offline-Welt – niemand kann jemandem vorschreiben etwas zu vergessen – und es darf es auch nicht in der Online-Welt geben, nur weil es technisch möglich scheint. Anders als oft behauptet, vergisst auch das Netz Informationen, die nicht länger benötigt werden.

    Es gibt eine klare Grenze, die wir uns als Gesellschaft nicht nehmen lassen dürfen: Dinge, die öffentlich gemacht worden sind, sind öffentlich – für jetzt bis in alle Zeiten. Wir dürfen es nicht hinnehmen, dass die Geschichte wie sie objektiv durch öffentliche Daten festgehalten ist unter dem Deckmantel des Datenschutzes nach Belieben umgeschrieben wird.
    Vielmehr gibt es an öffentlichen Daten ein kollektives Recht sie zu nutzen, um an ihnen zu schürfen, sie zu verknüpfen und neue Daten daraus generieren.

    => Denn: Darin liegt das Versprechen des Informationszeitalters – in der datengestützten Erkenntnis und Selbsterkenntnis.
    Außerdem können wir es nicht im Geringsten verhindern. Das Netz besteht aus mehr als Facebook & Co., die man vielleicht noch regulieren könnte. Das Netz besteht aus freien Individuen, die bewaffnet mit ihrem Computer mit öffentlichen Daten tun und lassen, was sie wollen. Niemand kann das realistischerweise auch nur ansatzweise kontrollieren.

    2. Private Daten sind privat. Sie müssen demselben hohen Schutz unterliegen, unabhängig davon, ob sie auf dem heimischen PC oder irgendwo in der „Cloud“ gespeichert werden. Das gilt auch gegenüber dem Staate – das Schutzniveau bspw. vor Beschlagnahme von Daten darf sich nicht nach dem Ort richten, wo sie liegen, sondern nach ihrem Inhalt. Es ist nicht einsichtig, dass bspw. eine eMail auf einem Server einem geringeren Schutz unterliegt als wenn sie auf meinem PC liegt.

    Auch muss sanktioniert werden, wer nichtöffentliche persönliche Daten ungefragt veröffentlicht – insbesondere, wenn sie ihm anvertraut wurden. Eine Ausnahme muss gelten, wenn die Offenlegung im öffentlichen Interesse erfolgt (Whistleblower). Es muss auch ein Schadensersatzanspruch bestehen, wenn persönliche Daten fahrlässig veröffentlicht werden. Wer mit nichtöffentlichen privaten Daten hantiert (bspw. Datenhändler) muss dafür einstehen, wenn die notwendige Einwilligung des Betroffenen fehlt.

    3. Das Bewegen im Kulturraum Netz muss anonym möglich sein, damit jeder Teilnehmer seine Identität eigenverantwortlich schützen kann. Der Staat hat dafür Sorge zu tragen, dass das Recht auf Anonymität im Netz gesichert und gestärkt wird. Er muss daher Maßnahmen wie die VDS unbedingt unterlassen, zivilrechtliche Auskunftsansprüche abschaffen und seine Bürger aufklären und bilden, damit sie ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung selbstbewusst wahrnehmen können.

  18. Matthias Mansfeld

    „Ich kann mich einer anderen Suchmaschine bedienen oder mich auch aus den Networks zurückziehen. Aus dem Überwachungsstaat der Schilys, Schäubles, de Maizierés und Zimmermanns kann ich das aber nicht.“

    Der Witz dabei ist ja, daß der treusorgende Staat sagt „Wir sind die Guten (TM)“. In logischer Konsequenz von einem der dümmsten Sprüche: „Wer nichts zu verbergen hat….“

  19. Sideboard

    Interessanter, langer Artikel. Ich bin eher skeptisch, ob eine Reform des Datenschutzes, wie wir sie uns vorstellen, in naher Zukunft stattfinden wird. Die demokratischen Mühlen mahlen (noch) in IT-Äonen. Aber man darf ja hoffen … 🙂

    Halb-Offtopic: Ich empfehle, Bindestrich-Wörter nicht durch Leerzeichen zu trennen. Also nicht „Spackeria- Irrtum“ und „US- Unternehmen“. Kommt nur manchmal vor, vllt. ein Flüchtigkeitsfehler. Es irritiert jedenfalls den Lesefluss. Zumindest meinen. ^^“

  20. Uli-E

    Julia Schramm alias Twitter @laprintemps schlägt im Mikroblogging gern mal über die Strenge, nach Kritik löscht sie die Tweets.

    Worthülsen, Ego, Polaritäts – Gequatsche

  21. kybpirate

    Super Text, die Argumente klar und ausgereift. Nur eine Stelle deutet für mich auf fehlenden Realitätsbezug hin:

    „Die Gefahr, dass ein Personalchef sich über die Bewerbung einer Person wundert, über die er nichts aber auch gar nichts im Netz findet, ist wohl ungleich größer als die Gefahr, dass uralte Partyfotos gegen einen verwendet werden. “

    Ganz im Gegenteil, in den Personalabteilungen findet eine Renaissance konservativster Werte statt. Man könnte es als Konterrevolution zu den legeren Auffassungen der .com Ära sehen, vermutlich verstärkt durch die Wirtschaftskrise und weil die Generation „schnell studiert“ sich selbst konservative „Werte“ auferlegt. In den Personalabteilungen treffen die Altgedienten, die in der .com Ära Sendepause hatten, so auf junge konservative Kader. Beide wittern Oberwasser: wo es früher alt gegen jung hieß, findet jetzt ein Wettbewerb der Verhaltensregeln, Durchleuchtung des Privatlebens usw. statt. Wer in der Beratungsbranche die letzten Jahre nicht geschlafen hat, weiß wohin der Zug fährt: nämlich nicht zu den jungen Personalchefs, denen Partyfotos egal sind. Ganz im Gegenteil.

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