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Thomas-Cook-Pleite: Bei 110 Millionen ist Schluss

Nicht nur @skeptikaa wunderte sich bei Twitter: „Die Bundesregierung erwägt, an die Geschädigten der Thomas-Cook-Pleite 300- 500 Millionen € zu zahlen. Geld ist offenbar genug da. Nach welchen Kriterien die eben mal ein paar hundert Millionen rausschmeißen dürfen die ruhig erklären.“

Diese berechtigte Frage ist allerdings leicht zu beantworten: Einmal mehr kommt der steuerzahlenden Normalbevölkerung gesetzgeberische Schlamperei und voraussichtlich schlichter Lobbyismus teuer. In allen anderen EU- Staaten ist dies eben nicht der Fall.

Das Eigenlob der Bundesregierung, sie lasse die „Thomas-Cook-Kunden nicht im Regen stehen“ macht sich zur Adventszeit zwar gut, ist aber auch nur Teil der Wahrheit. Denn die Haftungsbegrenzung von Reiseveranstaltern und deren jeweiligen Ausfallversicherungen auf 110 Millionen Euro in Umsetzung der entsprechenden EU-Richtlinie war eine politische Entscheidung (§ 651r BGB).

Der prompte Verweis der CDU/CSU- Bundestagsfraktion auf ein Versagen des früheren Justizministers Heiko Maas (SPD) ist somit wohlfeil. Es ist nicht bekannt, dass sich der schwarze Teil der Koalition vehement dafür eingesetzt hätte, diese Grenze zur Vermeidung von Risiken nach oben zu schieben. Ganz im Gegenteil. Eine verbesserte Insolvenzregelung auf Antrag der Grünen wurde noch im Februar des Jahres mit schwarz – roter Koalitionsmehrheit im Bundestag abgelehnt,

. Und dies, obgleich Fachleute wie die Touristikerin Marija Linnhoff vom Verband unabhängiger Reisebüros bereits damals forderten, „auf Thomas Cook aufzupassen“. Solche Warnungen verhallten im parlamentarischen und ministeriellen Alltagstrott ungehört.

Und somit ist auch klar, dass für den laut Bundesregierung als „unwahrscheinlich“ eingeschätzten Fall eines höheren Schadens nur noch die Staatshaftung bleibt. Bei ihrer früheren optimistischen Beurteilung ließen sich Regierung und Parlamentsmehrheit fahrlässig von der Höhe früher bekannter Insolvenzen von Reiseveranstaltern, damals wohl 30 Millionen, leiten.

Insofern ist auch der von der Bundesregierung beschworene „ungewisse Ausgang“ einer Prozesslawine, welche die Kunden mit Sicherheit angestoßen hätten, nur eine weiterer kleinerer Teil der Wahrheit. Denn die Rechtslage zu Lasten des Staates allein aufgrund der unzureichend umgesetzten EU- Richtlinie ist so klar wie die berühmte Kloßbrühe: Der Bund, und somit wir alle, hat zu zahlen. Punkt.

Da hilft auch kein Getwitter aus grünen Kreisen, weshalb Privatpersonen beim eventuellen Konkurs einer Ferienwohnung am Bodensee nicht entschädigt werden, demgegenüber aber nun Thomas-Cook-Kunden für „Flugreisen zum Ballermann“. Auch diese Frage ist nachvollziehbar, aber in der Sache albern. Wer seine Ferienwohnung oder Öko- Fahrradtour pauschal über einen Reiseveranstalter bucht wäre angesichts der Rechtslage ebenso abgesichert wie der berühmte Ballermann- Tourist. Und egal ob Ballermann oder Öko-Reisender: Wer mühselig auf eine, vielleicht die einzige, Urlaubsreise sparte, muss sich im Schadenfall auf gesetzgeberische Zusagen und seinen Reisesicherungsschein verlassen können.

Es stellt sich daher die sinnvollere Frage, warum der Anbieter von Radtouren ungeachtet seines geringen Umsatzes gegen eine Insolvenz genau so hoch abgesichert sein muss wie der Thomas-Cook-Konzern. Es spielt nämlich keine Rolle, ob eine kleiner Veranstalter 1 Million Umsatz hat oder 500 Millionen. Auch solchen Ungereimtheiten dürfte man jetzt seitens des Gesetzgebers zu (er-)klären haben.

Touristiklobbyisten warnen vorbeugend bereits jetzt wieder davor, die Absicherungsgrenzen zu erhöhen. Dies verteuerte Reisen. Soviel Chuzpe ist allerdings schon bemerkenswert. Thomas-Cook stellte sogar die Vizepräsidentin des Deutschen Reiseverbands (DRV) .

Da wäre eine gewisse Zurückhaltung angemessen. Denn es ist, wie wir gerade lernen, für die Allgemeinheit wohl noch teurer, Reisen durch niedrige Haftungsgrenzen zu verbilligen.

Jedenfalls beginnt in Berliner Regierungskreisen nun das große Nachdenken. Beispielsweise darüber, aus welchen Etattöpfen heraus die Millionenzahlung erfolgen soll. Darüber will das Kabinett laut Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz im neuen Jahr entscheiden. Man weiß es schlicht noch nicht.

Auch nicht, wie die Abwicklung konkret und durch wen erfolgen soll. Immerhin geht es bei einer Schadensumme von rund 80% des Betrags tatsächlich um rund 350 – 400 Millionen Euro für den Bund. Für für die involvierte Zurich – Versicherung ist demgegenüber bei besagten 110.— Millionen Schluss. Welche Konsequenzen sind aus dem teuren Desaster zu ziehen? Auch das kann man im „federführenden Ministerium“ noch nicht wirklich sagen. In „vorbereitende Gespräche“ sei die Reisebranche und die Versicherungswirtschaft aber bereits „eingebunden“, lässt die ministerielle Pressestelle verlauten. Na denn. Schauen wir mal, wie künftige Sicherheitsscheine aussehen.

SPD: Digital Irre. Von Maas und anderen Zumutungen.

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Ausgerechnet am 20. 6. 2015, dem Tag der Zustimmung des SPD- Parteikonvents  zur Vorratsdatenspeicherung, startete die SPD mit einem DISKUSSIONSPAPIER #DIGITALLEBEN eine weitere netzpolitische Diskussion mit vielen Fragen zu vielen Themen.

 

Wünschenswert wäre dem gegenüber allerdings, wenn diese Partei und deren Bundestagsfraktion nach 20 Jahren Diskussion, einem virtuellen Ortsverein, zwei Enquetekommissionen und vielen internen Beschlussfassungen tatsächlich einmal begänne, Politik im „Neuland“ zu machen, statt zur Selbstbeschäftigung stets dieselben Fragen zu stellen und Pseudodebatten ohne politische Relevanz zu führen. Doch davon ist die SPD weiter entfernt als entfernte Galaxien von dieser Erde.

 

Immerhin trübt dieser betrübliche Fakt nicht das Selbstbewusstsein. Schon im ersten Satz von DigitalLeben wird so kühn wie kategorisch festgestellt, die SPD sei gefordert und würde gebraucht. Ah ja. Wozu? Um der Diskussion willen zu diskutieren? Doch Digitales macht sich eben schick. So entdeckte auch Justizminister Heiko Maas, dessen Aussagen, wie zur Vorratsdatenspeicherung,  bekanntlich auch nur wenige Wochen Halbwertszeit haben, das Thema „Big Data“ am Beispiel des künftigen Autoverkehrs. So mahnte er schon vor Wochen Datenschutz bei vernetzten Autos“  an. In der Tat ein gutes Thema.

 

Allerdings wurde rasch festgestellt, dass auch Maas, wie sein Ministerium, einmal mehr wenig Konkretes in die Welt setzte. Was er zu tun beabsichtige, wurde nicht deutlich, sodass in ersten Diskussionsbeiträgen rasch festgestellt wurde: Maas kuscht. Wieder einmal.

 

Und was dazu „passt“: „Unser“ Justizminister verfolgt und beeinflusst noch nicht einmal den Diskussionsprozess in dessen eigener Partei. So tönte er lautstark gegenüber der Industrie: „Datenvermeidung und Datensparsamkeit müssen leitende Grundsätze sein“. Das wurde ihm aber allerdings rasch relativiert. Im SPD- Papier ist nämlich was ganz anderes zu lesen: Eine Politik, die einseitig auf Datenvermeidung und Datensparsamkeit setzt, würde die Chancen gefährden….., heißt es da. Was denn nun, Herr Minister? Zu sagen hat der Saarländer wohl wenig.

 

Denn in welche Richtung, abseits wohlfeiler ministerieller Reden, die Reise geht, wird aus den Änderungen deutlich, die das SPD- Diskussionspapier noch vor dessen Veröffentlichung erfahren hat. Vom Willy-Brandt-Haus, sprich von Adlaten des Parteivorsitzenden Gabriel, wurde schon in der Überschrift der Halbsatz gestrichen: Digitale Gesellschaft – Im Mittelpunkt steht der Mensch. Auch das ist nachvollziehbar. Schließlich steht der Mensch der SPD häufig im Weg.

 

Und so ist im weiteren Zusammenhang auch viel spannender zu lesen, was Sozialdemokraten aus deren digitalem Datenschutzpapier gestrichen haben, als das, was dann an Textbausteinen und zusammenhanglosen Fragen tatsächlich noch das Licht der Welt erblickte. Nicht mehr drin ist „verständlicherweise“ der Satz: Wir (Anm.:also die SPD) achten das Prinzip der Unschuldsvermutung und des Verbots der anlasslosen staatlichen Beobachtung, lückenlosen Ausforschung und allgegenwärtigen Kontrolle von Bürgerinnen und Bürgern.

 

Das zu schreiben  wäre für die Vorratsdatenspeicherungspartei SPD nach dem 20. Juni allerdings auch eine zu komische Formulierung und böte zu viel Stoff für Kabarett. Dass ein Begriff wie die Unschuldsvermutung, immerhin eine der tragenden Säulen eine Rechtsstaats, nicht mehr in SPD- Papiere des Jahres 2015 passt, kann allerdings schon nicht mehr kabarettistisch kommentiert werden. Es ist nur noch traurig. Die neue Version lautet statt dessen blumig und wenig verfassungsrelevant: Wir müssen in Deutschland die rechtlichen Weichen stellen, um das Innovationspotenzial von Daten voll auszuschöpfen.

 

Gestrichen: Die Menschenwürde

 

Zusätzlich werde die SPD „auch nach Wegen suchen, wie das neue geschaffene Internetgrundrecht mit Leben gefüllt werden kann“. Welches? Damit dies nicht zu heftig ausfällt wurden allerdings gleich noch weitere Bekenntnisse zum Grundgesetz entfernt. So formulierten die ursprünglichen Autoren aus der ehemaligen Rechtsstaatspartei SPD kühn:

 

Die Würde des Menschen ist unantastbar- nicht aber ein Geschäftsmodell. Aber selbst Artikel 1 des GG fand keine Gnade vor Gabriel und fiel dem Rotstift zum Opfer. Statt dessen heißt es nun als „Auftrag“: „Geklärt werden (muss), wie andere Datenbestände, etwa (anonymiserte) Daten zu Verkehrsflüssen ..geöffnet werden können….. Bei personenbezogenen Daten geht es vor allem um die Frage, ob diese in anonymisierter form genutzt werden können.“

 

Vor Jahren diskutierte die SPD noch über Anonymität und forderte diese ein. Gerade im Verkehr wäre dies möglich. Um Staus zu vermeiden, muss niemand wissen, wer in welchem Auto mit welchem Kennzeichen sitzt, sondern dass eben ein Fahrzeug von A nach B unterwegs ist. Jetzt sollen die Daten bestenfalls also noch „anonymisiert“ sein. Auf Deutsch: Es soll keine anonyme Erfassung der Verkehrsflüsse geben, sondern die halterbezogene Überwachung jedes Fahrzeugs, das auf unseren Straßen unterwegs ist. …Und diese Daten stehen dann, offen wie ein Scheunentor, von Europol bis BND, NSA etc. etc. beliebig den Diensten zur Verfügung.

 

Insofern passt dazu, dass im  Papier „DigitalLeben“ auch noch das zuvor noch postulierte Bekenntnis zur einer „Vermeidung von der zügellosen Ausforschung der Individualität Einzelner“ gestrichen wurde. Natürlich stören dabei auch Gerichte. Gabriels Zensoren  strichen folgenden Satz: wir müssen sicherstellen, dass die europarechtlich- und verfassungsrechtlich gewährleisteten Ansprüche auf informationelle Selbstbestimmung …ausreichend Beachtung finden.

 

Dafür will man nun statt dessen eine (staatliche) „starke und unabhängige Kontrolle“. Noch bevor man diese aber konkret benannte, wurde die ursprüngliche Forderung „nach einer entsprechenden Ausstattung dieser Stelle“ auch gleich wieder gestrichen.

 

Fazit: Die SPD hat schlicht aufgehört, Rechtsstaats- und Datenschutzpartei zu sein. Sie ist Digital Irre. Nicht nur wegen Gabriel und dessen Marionetten- Justizminister. Man könnte sagen: Not Found.The requested URL Rechtsstaatspartei SPD was not found.. Port 443

 

(die Papiere zum Diskussionsprozesses liegen mir vor)