Vom Dilemma der Kriegslogik

.…Waffen können die Kurden nicht mit der Yoga-Matte entgegentreten… Dieser aktuelle Spruch von Cem Özdemir macht ratlos. Es ist die plumpe dümmliche Argumentation derer, die der Friedensbewegung schon immer Naivität unterstellten. Daher die Ratlosigkeit. Özdemir ist nicht irgendwer, sondern Vorsitzender einer Partei, die als politischer Arm der Friedensbewegung gegründet worden war. Die Grünen wurden stark, als vor Jahrzehnten die Zweifel am Sinn von immer mehr Aufrüstung und Gegenrüstung immer lauter geäußert wurden. Über diese Zweifel stürzte letztlich sogar Helmut Schmidt. Stichwort NATO- Doppelbeschluss.

Auslöser von Özdemirs populistischem Ausraster ist das Desaster der us-amerikanischen Irak“politik“ und letztlich der Logik der us- amerikanischen Außenpolitik. Nicht diese wird vom „Atlantiker“ Özdemir kritisiert, dessen Vassallentreue zu den USA, wie bei den Grünen insgesamt,  schon paranoide Züge annimmt. Neben den Kurden ist die Ukraine ein weiteres Beispiel für nicht mehr kopfgesteuerte grüne Außenpolitik.

Wer ist nicht betroffen, wenn Menschen schutzlos den Attacken bewaffneter Banden ausgesetzt sind? Und genau diese Betroffenheit ist es, die immer wieder zur Logik von bewaffneten Konflikten führt. Man hätte mal, man sollte mal… Ruanda oder Srebrenica waren Beispiele, wo ein beherztes frühes Eingreifen der internationalen Gemeinschaft Massenmorde hätte verhindern können. Selbstverständlich hätten sich bewaffnete Tutsi und die Männer von Srebrenica mit Waffen wehren können. Hätten sie diese nur gehabt. Dies gilt derzeit für die Christen im Irak. Zweifellos  ist ohne großes Nachdenken nachvollziehbar, nun die Waffen für Kurden zu fordern, um sich und Verfolgte schützen zu können.

Im zweiten Schritt wird man sich dann aber die Frage stellen müssen, wo denn die Waffen statt der Yogamatten danach bleiben, sollte IS tatsächlich gestoppt worden sein. Lösen sie sich in Luft auf? Oder dienen sie dann nicht der Stabilisierung und Erweiterung des Kurdenstaates? Landen sie dann bei der PKK, welche irgendwann mit dem Ziel eines „Großkurdistan“ türkische Ziele angreift, was  dann wiederum die Türkei dazu bringt, sich gegen diese „Terroristen“ zu wehren?

Oder liefern wir die Waffen an eine irakische Zentralregierung, die heute schon nicht weiß, wo deren Waffen im innerirakischen Machtgeschacher und Bürgerkrieg eigentlich bleiben? Vermutlich ist auch diese Idee nicht wirklich gut. Und wahrscheinlich werden viele Christen und Jesiden im Irak tatsächlich nur mit Hilfe amerikanischer Luftangriffen gerettet.

Vermutlich retteten solche Angriffe auf diverse Terrororganisationen tatsächlich sogar das eine oder andere Menschenleben in Nigeria oder Somalia, um wieder einmal an andere Weltgegenden zu erinnern, in denen unschuldige Zivilisten massakriert werden. Auch hier zöge die Yogamatten- Theorie. Aber dies ist nur die halbe Wahrheit mitten im Krieg, in welcher die Wahrheit bekanntlich zuerst stirbt.

Man muss den Herrn nicht mögen: Peter Scholl-Latour sagte voraus, wie die Entwicklung im Irak laufen könnte und würde. Er prophezeite Bürgerkrieg und die Verfolgung von Minderheiten. Er sagte voraus, und das war nicht einmal die hohe Kunst des Glaskugellesens, dass es nach diesem Krieg den Irak in alter Form nicht mehr gibt. Solche Stimmen zogen nicht. Begeistert zogen die Amerikaner in den Krieg und mit Merkel als Kanzlerin wären „wir“ fröhlich mitgezogen.

Stoppt die USA und Saudi- Arabien

Der Einwand, dass dies aber leider leider nun eben halt so sei und jetzt eben reagiert werden müsse, um die Christen zu schützen, zieht nicht wirklich. Ohne dieses us-amerikanische Eingreifen mit frei erfundenen Kriegslügen lebten die Christen im Irak so friedlich wie Jahrhunderte zuvor. Jetzt sind sie dem Terror einer islamistischen Gruppe ausgesetzt, welche die Grenzen im Irak nachhaltig verändert und offensichtlich keine Grenzen kennt.

Dieser Bande kann und muss man entgegentreten. Sicher. Ich erinnere mich aber gut an die ersten Aufnahmen von ISIS- Kämpfern, die im Irak vorrückten. Vermummte und gut bewaffnete Gestalten auf offenen modernen und einheitlich lackierten geländegängigen Pritschenwagen.

Woher kommen denn diese Fahrzeuge? Flogen sie vom Himmel? Wer bewaffnet die Kämpfer? Wer finanziert sie? Kriege und Terrorgruppen entstehen nicht zufällig. Sie werden immer gemacht. In diesem Falle vom besten amerikanischen Verbündeten Saudi- Arabien und aus diversen Emiraten. Wir müssten also die Kurden nicht bewaffnen, wäre IS nicht zuvor bewaffnet worden. Welchen Terror bringt IS? Eben jenen Terror, der in Saudi-Arabien längst gegen Ungläubige angewandt wird und dort Staatsräson ist. Das saudi- arabische Modell wird durch die ISIS lediglich in eine andere Gegend exportiert. Die Todesstrafe für Christen ist keine IS-Erfindung, sondern wird genau dort praktiziert, wohin wir so gerne die Panzer liefern. Und diese Panzer wurden auch in Bahrain eingesetzt, um Demonstrationen gegen das Königshaus zu eliminieren. Die Forderung müsste lauten: Stoppt die USA, Saudi- Arabien und die Emirate. Unter diesem Gesichtspunkt wirkt Özdemir dann nur noch peinlich. Vom deutschen Außenminister ist ohnehin nichts zu  erwarten:

Grünen-Chef Cem Özdemir begrüßte erneut die Luftangriffe und Waffenlieferungen der USA in die Region. Steinmeier lobt sie.

Sagen wir es anders rum: Zu begrüßen und zu loben wäre, wenn die USA und wir nicht weiter Waffen, sondern tatsächlich Yoga-Matten an diese Staaten und untergehende Regime lieferten. Und indem wir aufhörten, zu akzeptieren, dass ein Königshaus zur Beruhigung und Freude seiner erzkonservativen islamistischen Kleriker den Terror via IS ideologisch und via Armee militärisch exportiert. Nicht „nur“ in den Irak.

Und indem grüne Krieger vom Schlage Özdemirs gegen Politiker mit dem Mut ausgewechselt werden, die USA aufzufordern, deren Kurs zur gezielten Destabilisierung ganzer Regionen vom Maidan bis nach Irak endlich aufzugeben. Mag sein, dass man sich damit in der „Atlantik-Brücke“ nicht beliebt macht und nicht mehr zu Sekt und Häppchen eingeladen wird. Dafür wäre aber dem Weltfrieden statt der kriegstreiberischen Volksverdummung gedient. Vielleicht entstünde sogar wieder eine Friedensbewegung, die den Namen verdient.

Dies übrigens wäre dann auch Verantwortung für die Welt und „neue Außenpolitik“, werter Herr Bundespräsident und werter Herr Steinmeier.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

5 Gedanken zu „Vom Dilemma der Kriegslogik

  1. Kruegar

    Anmerkung: …und wo kommen die her…?

    Das ist egal. Sie sind nunmal da. Die RAF hat früher auch BW-Soldaten und Polizisten die Waffen abgenommen. Jedes Land hat Waffen. Und ob die Waffen nun aus Husseins oder Assads Altbeständen stammen, aus westlichen Waffenlieferungen an die neue irakische Armee oder an die syrischen Rebellen ist eigentlich egal.

    Die Frage ist doch, ob man der ISIS entgegentreten will oder nicht. Und wenn ja: mit welchen Mitteln.

  2. Pingback: Aufgelesen und kommentiert 2014-08-14 - Duckhome

  3. Kruegar

    Indem Druck auf die Unterstützer und Financiers ausgeübt wird? Zum Beispiel…

    Das wird ISIS nicht stoppen, denn sie sind nicht auf Geld- oder Waffenlieferungen aus dem Ausland angewiesen. Im Irak und in Syrien gibt es genug davon – man muß es sich nur nehmen.

    Anmerkung: …und wo kommen die her…?

  4. Kruegar

    Wie soll man der ISIS sonst entgegentreten, als mit Bomben und bewaffneten Soldaten? Das Kind ist nunmal in den Brunnen gefallen und jetzt gilt es erstmal herzhaft zuzugreifen und es raus ziehen. Über die Ursachen des Unglücks und Fehler der Vergangenheit kann man später reden.

    Anmerkung tauss: Indem Druck auf die Unterstützer und Financiers ausgeübt wird? Zum Beispiel…

  5. Ernesto de la Serna

    Tragisch, dass Sie über die Kontemplationen im „zweiten Schritt“ die vorangegangene Erkenntnis komplett ausblenden; beides zu vereinbaren, wäre politische Kunst. So bleibt Ihr Beitrag Geschwätz.

    Anmerkung tauss: Ich antworte ja gerne, sofern ein Argument kommt.

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