Meldegesetz: Schlechte Arbeit und verräterische Sprache

„Die Widerspruchslösung sei für jeden, der nicht wolle, dass seine Daten nicht weitergegeben würden, ein probates Mittel“ (Helmut Brandt, MdB (CDU), Süddeutsche Zeitung

Wenn Sprache verräterisch ist, dann hier. Die doppelte Verneinung (Zitat oben) des zuständigen CDU-Berichterstatters in Zusammenhang mit dem neuen Meldegesetz spricht Bände. Einige Anmerkungen zum Verfahren, zu einigen der Beteiligten und zur jetzigen Debatte:

Dass Verbraucherministerin Aigner, bekannt durch deren „Austritt“ bei Facebook, das neue Meldegesetz nun auch ablehnt, ist vordergründig ok. Man kann ja mal was verpennen. Wenn sie aber so schwerwiegende Bedenken hat, ist erstaunlich, dass sie diese nicht im Kabinett oder zumindest gegenüber dem Innenminister und Parteifreund Friedrich vorgetragen hat, nachdem die Änderungen im Innenausschuss durch Schwarzgelb beschlossen wurden.

Möglich ist natürlich, dass sie über die Änderungen und die „Formulierungshilfe“ des Innenministeriums nicht informiert wurde. Dann aber ist die ohnehin angeschlagene Kompetenz Aigners in Datenschutzfragen zu völliger Inkompetenz mutiert. Und völlig inakzeptabel: Der Abstimmung über das Gesetz blieb sie fern, ohne zuvor auch nur ihre Kritik formuliert zu haben. Doch damit steht sie nicht allein.

Dass die SPD sich nun ereifert, ist gleichfalls und schon historisch nicht sehr glaubwürdig. Bei der Vorbereitung zur Novellierung des Bundesdatenschutzgesetzes im Jahre 2008  stand bereits,  und völlig ungeachtet des jetzt debattierten Meldegesetzes, die Frage im Raum, ob es erweiterte Rechte der Bürger geben sollte. Stichworte hierzu waren „opt in“ oder „opt out“ Regelungen. An mir als zuständigem Berichterstatter vorbei handelten SPD und CDU in Gestalt der damaligen MdB Bürsch und Philipp jedoch eine „wirtschaftsfreundliche“ Regelung zugunsten der Versand- und Adresshändler aus.

Aufgrund meines dagegen gerichteten Protests wurde ich daraufhin vom damaligen Fraktionsvorsitzenden Peter Struck wegen „Radikalität“ von meinen langjährigen Aufgaben zum Thema Datenschutz entbunden. Sie wurden voll auf Michael Bürsch übertragen. Glaubwürdigkeit sieht anders aus. Genützt hat es den Adresshaien übrigens wenig, wenn man den Erfolg von Amazon und den Niedergang der deutschen Versandhändler betrachtet.

Bizarr wird die nun geführte aktuelle Auseinandersetzung allerdings vor allem durch Schwarzgelb. Der bayerische Franke Seehofer verabschiedet sich wie Aigner (CSU) vom Meldegesetz- Uhl (CSU) ist laut SPIEGEL mit Kumpel Bosbach (CDU) jedoch weiter dafür und unterstellt den Kritikern „Ahnungslosigkeit“. Begründung: Die Städte wollten das so. Nur: Der Deutsche Städtetag weiß leider nichts davon und lehnt Uhls „gut gemeintes“ Gesetz ab. Die FDP versteht, wie Uhl, den Protest auch nicht. Deren „Fachmann“ Höferlin, einer der Initiatoren der Verschlechterung, sieht gleichfalls eine Verbesserung. Dabei vergisst das Mitglied der Enquetekommission Internet allerdings, dass selbst ein Widerspruch des Bürgers gegen die Weitergabe seiner Daten wenig nutzt, wenn es der Berichtigung „alter (Adress-) Daten“ gilt.

Bleibt noch die Abstimmung im Bundestag mit den berühmten 57 Sekunden ohne Aussprache am Rande des EM-Spiels Deutschland – Italien. Das kann man so machen- bei einem unstrittigen Gesetz. Dass allerdings die Opposition dieses Spielchen am Rande des Spiels mitmachte, ist auch kein Anzeichen für so richtig kämpferischen Widerstand. Sie hätte mit der einfachen Frage nach der Beschlussfähigkeit des Hauses das Meldegesetz stoppen können. Doch lieber wollten wohl die Grünen mit den Linken Fußball gucken. Von der SPD waren auch nur vier Leute da.

Und: Während der Ausschussberatungen gab es – zumindest nach meinen Recherchen – keinerlei öffentlichen Aufschrei. Mag sein, dass im Ausschuss über die „Verböserungen“, wie den Kauf von Adressdaten bei Städten und Gemeinden leidenschaftlich gestritten wurde, wie heute behauptet wird. Ich glaube es bis zum Beweis des Gegenteils nicht. Denn dazu findet sich nicht einmal eine Pressemitteilung, obgleich auch Grüne wie Linke hierzu zwei Monate (!) Zeit gehabt hätten. Das pflichtschuldige oppositionelle Aufheulen DANACH ist also heute auch nicht wirklich glaubwürdig.

Fazit: Das Meldegesetz ist parteiübergreifend einmal mehr ein Ausweis schlechter Arbeit- und zwar im Parlament und des Parlaments. Brandts sprachliche Schlampigkeit  ist dafür noch ein unfreiwillig komischer politik-sprachlicher Beleg. Die weitere Debatte mit dem „Schaum-vorm-Maul“ Artikel von WELTonline gegen Seehofers Rückzug und die bösen Wutbürger im Internet als solche ist ein weiteres Schmankerl, das zur Groteske passt (für alle, denen nicht jetzt schon schlecht ist):

http://m.welt.de/article.do?id=debatte%252Fkommentare%252Farticle108284690%252FDie-CSU-ist-eine-Geisel-der-Wutnetze

 

 

5 Gedanken zu „Meldegesetz: Schlechte Arbeit und verräterische Sprache

  1. kar

    Wem kann man heute noch über den Weg trauen, wenn man noch nicht einmal den Politikern trauen kann?

    Muss auch schreiben, das jüngst mein Vertrauen in anderer Sache schwer erschüttert wurde. Vorweggenommen, es gibt einen Verein, der in Zeiten v. Abofallen mit dem Ziel gegründet wurde, Ansprechbarkeit für Geschädigte der Betreiber zu signalisieren. Konsumer.info schrieb über diesen Verein: „Dieser Verein galt bis vor einigen Jahren als als seriös und hat sicher vielen Abofallenopfern geholfen.“ Was ist jedoch dann passiert? Abzocker sind in fragwürdiger Art gegen den Vereinsvorsitzenden über die Gerichte (Gerichtstourismus) vorgegangen, haben diesen also beinahe in die Insolvenz geklagt und ein berüchtigter Abzocker, v. dem der ein oder andere schon mal gehört haben dürfte, hat diesem dann „ein Geschäft vorgeschlagen, was dieser nicht ablehnen konnte.

    Kann man noch mit etwas gutem Willen verzeihen, was der Vereinsvorsitzende dann gemacht hat. Aber spätestens das, was der am Wochenende getrieben hat, das ist doch ein echter Schock. Führe dazu mal nichts aus, jeder Leser, den es interessiert, kann sich zum Sachverhalt seine eigene Meinung bilden.

    Die Hintergründe dazu kann man unter http://www.konsumer.info/?p=23563 und http://inside-megadownloads.blogspot.de/2012/07/hausbesuch-von-thorsten-trejtnar.html ersehen.

    Dazu möchte ich feststellen, jeder der fragt, wie tief man sinken kann, wenn man doch soetwas wie Ideale hat(te), der braucht nur nach Hessen zu schauen!

  2. BerndF

    Aber nein, Jörg, man muss natürlich die Kommentare unter dem Welt-Artikel auch lesen. Die Leute lassen sich nicht mehr Knöpfe an die Backe nähen. Diese Zeiten scheinen vorbei.

  3. Wolfgang Ksoll

    Ich glaube, dass sich hier bewusst und bösartig CDU/CSU-Politiker verschworen haben um das Parlament zu hijacken und einen Gesetzentwurf gegen den Souverän, gegen die Regierung, gegen die eigenen Fraktionen, gegen die Opposition vorbeizuschmuggeln. Besonders bösartig ist, dass in der ersten Lesung von der CDU/CSU ein Kommentar zu Protokoll gegeben wurde zu §44, Absatz 4, der in dem gelesenen Entwurf gar nicht enthalten war.
    Details siehe meinen Kommentar „Geisterfahrer oder Verschwörung bei der CDU/CSU?“
    http://www.egovernment-computing.de/forum/messages.cfm?threadid=09CC313C-162B-420F-95D8213BFE3D91DA
    Ich vermute, wir haben es hier mit bösen Verfassungsfeinden zu tun, die wir mangels arbeitsfähigem Verfassungsschutz nicht bekämpfen können. Deshalb werden wir diesen Bundestag wohl auflösen müssen.

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