Falscher Film. Grün-Linke Verwirrspielchen zum JMStV

Aktualisiert 8. 12…..und welche Folgerungen ziehen die Grünen jetzt aus ihren Beschlüssen? Zum Beispiel in NRW? …..Viel zu lange wurde herum laviert und der Rest an netzpolitischer Glaubwürdigkeit aufs Spiel gesetzt:

Beschluss des Bundesvorstands Bündnis 90 / Die Grünen v. 08. Dezember 2010

Zukunftsfähigen Jugendmedienschutz vorantreiben

Jugendmedienschutz ist in Zeiten immer neuer Möglichkeiten der Aufbereitung und Verfügbarkeit von medialen Inhalten wichtig. Zugleich wird durch die Diskussion rund um die Novellierung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages deutlich, dass sich ein wirksamer Jugendmedienschutz im Internet äußerst schwierig gestaltet – und nicht mal eben durch den Aufbau neuer technischer Strukturen umsetzen lässt. Jugendmedienschutz kann nur zweigleisig erfolgen: durch wahrgenommene Verantwortung der Inhalteanbieter auf der einen und besonders durch Medienkompetenz auf der anderen Seite.

Die Anforderungen, die der Jugendschutz an Anbieter von Inhalten im Netz stellt (kein Zugang zu pornografischen, gewalthaltigen oder anderen extremen Inhalten für unter 18jährige und kein Zugang zu Inhalten, die nach dem Jugendschutzgesetz für Kinder und Jugendliche nicht freigegeben sind, weil sie deren Entwicklung beeinträchtigen können), finden sich bereits im geltenden Jugendmedienschutz-Staatsvertrag. Neu ist vor allem die Möglichkeit, Inhalte mit Altersangaben zu versehen, um sie für Jugend- schutzprogramme zuhause am Rechner auslesbar zu machen und ggf. zu filtern.

Der bisherige Staatsvertrag wie auch der neue Entwurf kollidieren mit den technischen Gegebenheiten und der Struktur des Internets. Die beabsichtigte Alterskennzeichnung der Inhalte ist nach unserer Ansicht von vielen kleineren und privaten Anbietern nicht zu leisten, die vorgeschlagenen Lösungen, mit User Generated Content umzugehen, halten wir für schwer umsetzbar. Der Staatsvertrag wird den diffizilen und sich schnell ändernden Realitäten der vielen unterschiedlichen Anbieter im Netz nicht gerecht, er verkennt die Internationalität des Internets und führt zu großer Rechtsunsicherheit bei den betroffenen Akteuren. Der Staatsvertrag ist bereits jetzt für uns überholt und nicht zukunftsfähig. Deshalb lehnen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Novelle des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages in der jetzigen Form ab.

Die Herausforderung, einen wirksamen und verhältnismäßigen Jugendschutz im Inter- net zu gewährleisten, bedarf neuer Wege und Antworten. Darum ist unser Ziel, einen zukunftsfähigen Jugendmedienschutz voranzutreiben, alle beteiligten Akteure in diesen Prozess einzubinden, die verantwortlichen Institutionen des Jugendmedienschutzes zu reformieren und dabei die europäische und internationale Ebene nicht aus den Augen zu verlieren. Der Aufbau einer Sperrinfrastruktur oder einer verpflichtenden Filterung von Inhalten im Internet ist keine Antwort auf diese Herausforderung und wird auch grundsätzlich von uns abgelehnt.

Bisheriger Artikel:

Fast alle Grüne und Linke, die sich zum Thema wortreich melden, sind gegen den Jugendmedienschutzstaatsvertrag. Doch leider, leider…. Man hat halt so seine parlamentarischen Zwänge mit dem bösen Koalitionspartner SPD. Das erscheint zwar einigen Leuten einleuchtend, ist aber noch nicht einmal die halbe Wahrheit. Deshalb die Fakten auf den Tisch:

Die Grünen in NRW wollen nach der Ignorierung von Basisbeschlüssen (Ablehnung seitens des grünen Landesparteirats) und nach dem Shitstorm der letzten Tage mit der SPD in Sachen JMStV trotz „parlamentarischer Zwänge“ nun doch noch einmal „verhandeln.“ Die Linke in Berlin will nicht verhandeln, sondern bittet so bauernschlau wie wenigstens originell darum, man möge ihr doch gleich außerparlamentarisch das Geschäft abnehmen und auf die SPD halt Druck ausüben. Die Linke in Bandenburg schweigt ohnehin und will sich wie die Saarland-Grünen durchmogeln. Deren Freunde in Hamburg stimmten mal locker einen Tag vor dem Koalitionsbruch (und mit welcher Ausrede eigentlich?) ausgerechnet beim JMStV schnell noch mit der CDU. Man glaubt nicht nur im im falschen Film zu sein. Man ist es. Wie sind die Rollen in diesem Film verteilt?

Der hauptverantwortliche und federführende Schurke SPD will das von Kurt Beck mit der CSU ausgehandelte Machwerk um jeden Preis durchbringen. Der SPD- Unionspartnerin ist natürlich alles recht, was dem bösen Internet schadet und die FDP ist in ihrer Nebenrolle gegen Bürokratie allenfalls nur dort, wo sie vom Thema etwas versteht.

Die wenigen parlamentarischen Kritiker in allen Parteien schweigen zwischenzeitlich beredt oder sind auf Linie gebracht. Bis zum Frühjahr des Jahres reichte es bei einigen der „Netzpolitiker“ parteiübergreifend wenigstens noch für aufmüpfiges Geschwätz vor den überwiegend jugendlichen Besuchern des Politcamps in Berlin. Da zur Zeit weiter an Legenden gestrickt wird hier nochmals die einfache Wahrheit statt filmeifer Verwirrspielchen:

1. ALLE Ministerpräsidenten, ALLE stellvertretenden Ministerpräsidenten oder Bürgermeister der Stadtstaaten wussten nicht erst seit Februar (!) Bescheid. Sie wurden nicht nur von mir angeschrieben. Sie waren und wurden wurden ebenso informiert wie auch ALLE jeweiligen Fraktionsvorsitzenden in den Ländern und die Parteivorsitzenden im Bund.

2. ALLE redeten sich dann mit den laufenden Verhandlungen heraus, sofern sie überhaupt auf Kritik reagierten.

3.Vor Unterzeichnung des Vertragswerks durch die Ministerpräsidenten wurden nochmals ALLE der rotschwarzgelbgrünlinken Verantwortlichen in den Ländern informiert und davor gewarnt.

4. Nachdem ALLE rot / rot-roten /schwarz-grünen und schwarz-gelben Landesregierungen unterzeichnet hatten, gab es den Hinweis, man möge doch jetzt bitt nicht meckern, sondern jetzt in Ruhe die Bratungen in den Landtagen abwarten.

5. Nach den Beratungen in den Landtagen erfährt man nun von fast ALLEN, dass die Kritik doch eigentlich reichlich spät käme und man doch bitte auch auf den nächsten Vertrag warten könne, bei dem dann natürlich alles besser liefe und im übrigen halt der böse Koalitionspartner….siehe oben.

Liebe Linke und Grüne: So nicht! Man KANN dagegen stimmen. Hinweise auf die Koalitionstreue zählen nicht, da Gesetze von einer Koalition nach allen Koalitionsverträgen nur gemeinsam eingebracht werden können. Würde also die SPD etwas einbringen, was der jeweilige grüne oder linke Koalitionspartner so gar nicht will, wäre DIES der Koalitionsbruch. Aber nicht umgekehrt. Aus diesem Grunde bedarf es auch keiner „Verhandlungen“ mehr. Man kann klipp und klar sagen:

Mit uns gibt es keine Mehrheit und wir verlangen in unserem Land XY als Ergebnis der Anhörungen (wozu hätte man die auch sonst durchgeführt?) Nachverhandlungen sowie einen besseren oder keinen neuen Jugendmedienschutzstaatsvertrag. Punktum. So einfach kann Politik sein. Selbst in Berlin, Brandenburg, NRW oder im Saarland. Das erfordert noch nicht einmal politischen Mut. Höchstens politischen Anstand.

Einige der Anschreiben vom Februar finden sich auf https://www.tauss-gezwitscher.de/?p=325

11 Gedanken zu „Falscher Film. Grün-Linke Verwirrspielchen zum JMStV

  1. kar

    Was mich im Laufe des Tages sehr geärgert hat, aber auch nachdenklich stimmte, war die im Lifestream gesendete Rede aus dem sächsischen Landtag eines NPD-Abgeordneten. Dieser hatte zwischen seinen unpassenden Äußerungen zu Rechtsradikalismus betreffenden Einträgen auf Jugendschutz.net eigentlich im Landtag die besten Argumente gegen den JMStV eingebracht. Ob von anderen abgeschrieben, oder nicht, sei mal dahingestellt.

    Da fragt man sich, ob man sich in der Realität befindet, wenn ein Abgeordneter einer ganz bestimmten v. Verfassungsschutz beobachteten, rechtsorientierten Partei, die besten Argumente für Meinungsfreiheit und gegen den JMStV einbringt und andere, die eigentlich, um mal auf deren Parteiprogramme einzugehen, eine freiheitlichere Position einnehmen müssten, davon abweichend völlig deplatziert redeten. Eigentlich hätten einige sächsische Landtagsabgeordnete der Übersicht halber gegenseitig die Parteibücher und die Plätze tauschen können. Das wäre vielleicht besser gewesen, als eine so peinliche Luftnummer.

  2. kar

    Kurze Anmerkung, es sieht aktuell ja so aus, dass der JMStV so kommt. Warum nicht die Idee unter http://www.alterfalter.de/gestatten-jugendschutzbeauftragter-jmstv/ organisiert für Foren u. Blogs aufnehmen u. auf ein Jugendschutzbeauftragtentausch-Projekt hinarbeiten?

    Und natürlich sich darüber Gedanken machen, wie man dieses laienhafte Gesetz auf welchem Gerichtsweg zu Fall bringt. So weit kommt’s noch!

    „Diejenigen, die zu klug sind, um sich in der Politik zu engagieren, werden dadurch bestraft, dass sie von Leuten regiert werden, die dümmer sind als sie selbst.“ (Plato)

  3. Sebastian Koch

    Lieber Jörg,

    was du in deinem Pamphlet leider verschweigst, ist das eine Ablehnung des JMStV durch die Grünen in NRW oder die Linken in Berlin den Staatsvertrag keineswegs zu Fall bringen wird, da die SPD das Ding zusammen mit der CDU in allen Ländern durchstimmenkann. Das Einschlagen auf grüne und Linke ist daher für dich zwar offenbar ein großer Spaß. Der Sache allerdings dient dies in keinem Fall. Es lenkt vielmehr von der einzig brauchbaren Option ab, die SPD in mindestens einem Land ebenfalls zur Ablehnung zu bewegen, und ist in diesem zusammenhang fahrlässig und kontraproduktiv. Aber Hauptsache du hast deinen Spaß dabei.

    Anmerkung tauss: Spass??? Den habe ich an dem Punkt wirklich nicht. Eher Wut und Enttäuschung. Ich bedauere zudem sehr, dass ich mich ganz offensichtlich nicht hinreichend verständlich ausdrücken kann. Es war von Anfang an klar, dass die SPD uneingeschränkt zum JMStV steht. Hierauf habe ich mehrfach hingewiesen. Aus diesem Grunde ist es Aufgabe eines Koalitionspartners, zu sagen, was mit ihm geht oder was nicht geht.

    Ich war 4 Jahre lang in einer rot-grünen Koalition und habe oft genug erlebt, dass die Grünen dies berechtigt und klar gesagt haben. Und was nicht ging, konnte auch nicht in den Bundestag eingebracht werden. So ist das in ALLEN Koalitionen. Warum verlangen die Grünen Anhörungen und öffentliche Stellungnahmen, wenn es ihnen nicht einmal darum geht, sich aufgrund deren Ergebnisse auf die Hinterfüsse zu stellen?

    Sollte dann die SPD dennoch mit der Opposition stimmen, wäre dies der Koalitionsbruch. Aber auch darauf habe ich hingewiesen. Insofern kann ich nur auf meinen Text verweisen.

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  5. XiongShui

    Nun, es ist das gleiche politische Strickmuster wie in Stuttgart (und anderswo): solange wirksamer Widerspruch möglich ist, wird mit Geschwafel die Opposition ‚ruhiggestellt‘ und danach kommt der Protest ‚zu spät‘.
    Demokratie und politischen Anstand gibt es in Deutschland nur noch auf dem Papier.

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