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Gegen das wissenschaftsfeindliche alte Urheberrecht

„Erst mussten die Studierenden dank SchwarzGelb Studiengebühren zahlen. Dafür versperrt ihnen SchwarzGelb jetzt auch noch den Zugang zu digitalen Bibliotheken“ (Jörg Tauss für die Piratenpartei vor Studenten in Darmstadt)


Studierende und Lehrende dürfen laut OLG Frankfurt/M. an elektronischen Leseplätzen der Uni- Bibliotheken künftig keine Dateien mehr ausdrucken oder selbst abspeichern!

Dies ist ein schwerer Schlag gegen eine moderne Wissens- und Informationsgesellschaft. Aus diesem Grunde muss jetzt die politische Auseinandersetzung zur Beseitigung des analogen Steinzeiturheberrechts in Deutschland mit SchwarzGelb aufgenommen werden.

Ein erster Schritt zur Information der Öffentlichkeit, auch im Vorfeld der nächsten Landtagswahl in Nordrhein- Westfalen, muss die öffentliche Mobilisierung für die beim  Deutschen Bundestag aktuell vorliegende Petition mit bisher über 15.000 Unterzeichnern sein:

„Wissenschaft und Forschung – Kostenloser Erwerb wissenschaftlicher Publikationen“ vom 20. 10. 2009  ( https://epetitionen.bundestag.de/index.php?action=petition;sa=details;petition=7922 ).

Die Zeichnungsfrist für diese Petition endet allerdings bereits am 22. 12. 2009.

Politisches Handeln ist nötig, da das merkwürdige letztinstanzliche Urteil des OLG Frankfurt                        (  http://tinyurl.com/yjom4o4 ) auch unmittelbare Folge einer vom Börsenverein und seiner Lobbyisten im Parlament durchgesetzten schwammigen Gesetzgebung ist. Dies ist auch Auswirkung des jahrelangen Kampfes dieser Kreise gegen die notwendige Reform des Urheberrechts. Nach diesem Urteil im „Namen des Volkes“ wird jeder mit 250.000.– Euro Strafe oder 6 Monate Haft bedroht, der Studierende oder Lehrende an elektronischen Terminals in der Uni Bibliothek Texte ausdrucken lässt. Satire? Nein! Das ist der reale Stand der Informations- und Wissensgesellschaft Deutschland im Jahre 2009.

Verlagsinteressen werden mit Wissenschaftsinteressen verwechselt

Damit wurde von der alten Bundesregierung sogar gegen den Koalitionsvertrag verstoßen, der ursprünglich eine wissenschaftsfreundliche Reform des Urheberrechts vorsah. Als „wissenschaftsfreundlich“ wurden jedoch in der Folgezeit nur die Verlagsinteressen interpretiert, die mit der Publikation öffentlich geförderter Forschung Geld verdienen und dann der Wissenschaft deren eigene Forschungsergebnisse überteuert „zurückverkaufen.“ Selbst elektronische Leseplätze in den Bibliotheken wurden deshalb drastisch reglementiert und begrenzt.

Zypries & Co als Verlagslobbyisten

Zu diesem Urteil trug in der abgelaufenen Legislaturperiode jedoch vor allem die Mutlosigkeit der damaligen Justizministerin Zypries bei, die bei der letzten Reform des Urheberrechts, dem so genannten „2. Korb“, kläglich versagte. Über die damaligen Auseinandersetzungen in der SPD- Bundestagsfraktion mit Zypries berichteten u. a.  das Handelsblatt ( http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/spd-fraktion-lehnt-neues-urheberrecht-ab;1054405 ) und heise ( http://www.heise.de/newsticker/meldung/SPD-Medienexperte-fordert-Nachbesserungen-bei-der-Urheberrechtsnovelle-112593.html ) .

Innerhalb der Unionsfraktion gehörte vor allem der NRW- Bundestagsabgeordnete und heutige stellvertretende CDU/CSU- Fraktionsvorsitzende, Dr. Günter Krings (Mönchengladbach), zu den Reformverhinderern. Seit Jahren bekämpft er mit seiner Fraktion verbissen wissenschaftsfreundliche Urheberechtsreformen ( Beispiele aus dem Jahr 2003 http://www.ub.uni-dortmund.de/listen/inetbib/msg11140.html ).

Aber auch die damalige Oppositionsfraktion FDP hatte sich, sogar selbst deren Mitglieder im Bundestagsausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung, im Bundestag wie im Bundesrat stets als Interessenvertreterin der Verlage gegen die Interessen von Wissenschaft und der Studierenden verstanden.

Die daraus jetzt resultierenden Folgen sind der Stellungnahme der Technischen Universität Darmstadt ( http://tinyurl.com/ydo3k7u ) zu entnehmen. Bibliotheksinnovationen der letzten Jahre werden durch dieses skandalöse Urteil zu einem schwammigen Gesetz sinnlos zerstört.

Zu diesem vorläufigen „Sieg“ des Stuttgarter Ulmer Verlags vor dem OLG Frankfurt/M. über die Universität Darmstadt hatte ich Matthias Ulmer nach dem Triumphgeschrei des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels  ( http://www.boersenverein.de/sixcms/detail.php/349347 ) kurz & knapp das Nachstehende geschrieben:

Sehr geehrter Herr Ulmer,

mit Interesse habe ich Ihren Kommentar zu den berechtigten Anmerkungen Professor Kuhlens zum Urteil des OLG Frankfurt  gelesen ( http://www.inf.uni-konstanz.de/netethicsblog/?p=202 ).

Auch wenn ich Ihnen natürlich sportlich fair zu Ihrem „Sieg“ gratulieren muss, teile ich Herrn Kuhlens Einschätzung vollständig. Auch ich gehe – vor allem für Ihren Verlag – von einem Pyrrhussieg aus.

Dass Sie sich auf das Gesetz berufen, belegt allerdings eine nicht geringe Chuzpe Ihrerseits. Der Wille des Gesetzgebers war anders, wenngleich ich zugeben muss, dass Ihre beste Lobbyistin, die damalige Justizministerin, alles getan hat, diesen Willen bei der Gesetzgebung zum 2. Korb nicht klarer zum Ausdruck zu bringen. Dass ausgerechnet die im Wahlkreis von Frau Zypries gelegene Universität Darmstadt nun das Opfer des analogen Urheberrechtswahns der Dame  wurde, entbehrt nicht einer gewissen Pikanterie.

Ich hoffe jedenfalls, dass  Universitäten und  Wissenschaft nun endgültig aufwachen und die Kriegserklärungen der Verlage und von Teilen der Politik an eine moderne Informations- und Wissensgesellschaft zu Ihren Ungunsten angemessen beantworten. Ihre Freude über das Urteil wird im Interesse der deutschen Wissenschaft bis hin zu den Studierenden hoffentlich nur von kurzer Dauer sein.

Mit freundlichen Grüßen
Jörg Tauss
MdB von 1994 – 2009

Soweit dieses Schreiben. Doch wie gesagt:

Es darf  jetzt nicht beim Protest bleiben! Dem Börsenverein, einigen Steinzeitverlagen und deren Lobbyisten muss im Interesse des Wissenschaftsstandorts Deutschland endlich mit einem neuen Urheberrecht und mit Open Access begegnet werden.

Da aber ja nicht nur Verlage wie Ulmer um sich schlagen. sondern sich auch die Musikindustrie mit ihrem Prozess- und Abmahnunwesen zunehmend zu einem gesellschaftlichen Problem entwickelt, an dieser Stelle auch ein interessanter Link zum Thema „Filesharing“ , Beitrag des CCC:

http://www.zeit.de/digital/internet/2009-12/ccc-filesharing-gaycken?page=all