„Ein kleines bisschen unser Verdienst…“

In seinem Lawblog hat RA Stadler einmal mehr wichtige Fragen aufgeworfen. Ich habe mir erlaubt, diese modifiziert an die Frau Bundeskanzler direkt zu stellen:

Sehr geehrte Frau Bundeskanzler, werte Frau Merkel,

anlässlich der gerade zurückliegenden Sicherheitskonferenz sollen Sie folgende Aussage getroffen haben:

Und dass man Facebook und Twitter überall auf der Welt hat, dass es zunehmend schwer wird, das zu sperren, ob es in China ist, in Ägypten, in Tunesien oder sonstwo auf der Welt, das ist auch ein kleines bisschen unser Verdienst.”

Ungeachtet der Tatsache, dass „wir“, u. a. mit Blick auf die arabischen Staaten, jahrelang nicht an unsere Werte geglaubt haben und Diktatoren hofierten, verwundert Ihre Aussage doch.

Denn gerade von Deutschland und von Europa gehen im Interesse vermeintlicher „Sicherheitsinteressen“ oder der rein symbolischen Bekämpfung von Kriminalität bis hin zu Kinderpornografie gerade von Ihrer Bundesregierung und Ihrer Partei völlig entgegen gesetzte Signale aus. Hier wird auf Restriktion statt auf Freiheit gesetzt. Ihr Satz der Regierungserklärung „mehr Freiheit wagen“ gilt eben gerade nicht für Ihre Internetpolitik.

Sollten Sie also tatsächlich einen Beitrag für ein freies Internet leisten wollen, müssen Sie zunächst einmal das sogenannte Zugangserschwerungsgesetz aufheben, statt es via Europa wieder ins Land zu holen. Sie könnten damit ein Signal setzen, die Diskussion über Netzsperren europaweit zu beenden. Auch gegen die Vorratsdatenspeicherung, die alle Bürger unter Generalverdacht stellt, können Sie deutlich Position beziehen.

Das wären weltweit beeindruckende Signale an Diktatoren in aller Welt für offene und freie Kommunikationsstrukturen und gegen Polizeistaatlichkeit.

Denn mit derselben Technik, mit der Sie vermeintlich und sicher gut gemeint (gut gemeint ist das Gegenteil von GUT) Kriminalität im eigenen Land bekämpfen wollen, sperren Sie in anderen Ländern Zugänge zu freier Information, sorgen für Zensur und liefern Regimekritiker, Menschenrechtler und Journalisten im wahrsten Sinne des Wortes „ans Messer“. Insofern wäre es tatsächlich wichtig, dass „Sperren zunehmend schwer“ und international sogar geächtet wird.

In diesem Zusammenhang wäre ich also für eine Stellungnahme und eine Änderung Ihrer Politik ebenso dankbar wie für eine Erläuterung des oben genannten Satzes. Worin liegt und lag der „Verdienst“ der Bundesregierung, dafür zu sorgen, das „Sperren zunehmend schwer wird“? Was haben Sie dafür konkret getan und was tun Sie weiterhin dafür?

Mit freundlichen Grüßen Jörg Tauss

8 Gedanken zu „„Ein kleines bisschen unser Verdienst…“

  1. Wolf

    Sehr gut geschrieben! Wenn der Merkel solche Fragen gestellt werden, hat die Dame plötzlich keine Stimme mehr und hüstelt nur noch dümmlich ihre Textbausteine aus. Schon schlimm, von „was“ wir regiert werden. Jeden Tag wird mir schlechter. Und wenn ich noch die Blähungen unseres neuen Innenminister höre, möchte ich am liebsten auswandern.

  2. rebekka

    Hi, ich habe den Text, den ich sehr treffend finde, leicht modifiziert, an Frau Merkel geschickt.
    Ich bekomme täglich (privat und dienstlich) etwa 100 Mails. Die werden alle gelesen und bearbeitet und auch beantwortet.
    Die Bundeskanzlerin bekommt bestimmt täglich zehn Mal mehr Mails als ich. Und kann nicht alles beantworten. Das könnte ich wohl auch nicht mehr schaffen bei der Menge.
    Aber ich bin auch nicht Bundeskanzlerin mit einem von den Bürgern finanzierten Heer von Zuarbeitern.
    Nurmalso.

  3. bodsch

    Ich würde mal vermuten, dass – sollte es eine antwort geben – nur Politikertypisches blah-blah kommt.
    Viele Wort ohne wirklichen Inhalt.
    Drumherumgerede und keine ehrliche Stellung beziehen.

    So sind sie, die deutschen Politiker.

  4. @Skjall

    Hallo Jörg,

    ich schätze ja durchaus deine Briefe an unsere politische „Elite“ – doch wie wir alle wissen, und du als Ex-MdB ja insbesondere, ist die Vertretung des Volkswillens schon lange nicht mehr im Interesse der meisten Volksvertreter.
    Insofern würde ich mich nicht wundern wenn diese Meinungen, wie die meisten anderen wortlos verhallen.
    Demokratie heißt leider auch, dass man nur die Wahl hat, welchen Autokraten man 4 Jahre lang haben will. 🙁

    LG @Skjall

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