Archiv für den Monat: November 2012

Von fleißigen Verstorbenen und einem Internet-Ausschuss

Die Enquetekommission „Internet und Digitale Gesellschaft“ hat wieder einmal getagt und beschlossen: Wir machen (in der nächsten Legislaturperiode) einen Internet- Ausschuss. Die Überlegungen dazu waberten zuletzt im Oktober durch die Lande.

Hurra. Dann hätte man wenigstens ein Gremium, das die mittleren bis guten Ergebnisse der Kommission, fleißig in zahllosen Stunden zusammengeschrieben, wenigstens unter sich parlamentarisch in schöner Regelmäßigkeit aus Papierkorb oder Bücherregal fischern könnte.

Verkauft wird Idee und Projekt als Durchbruch. Ist er das? Nein. Bisher gab es einen Unterausschuss Neue Medien, der das leistet, was ein Internet-Ausschuss maximal leisten könnte. Schlimmer noch: Der Internet-Ausschuss wäre nach derzeitiger Lage an gar kein Ministerium, noch nicht einmal an den Staatsminister für Kultur und Medien angebunden.

Ohne eigene Kompetenz 

Der Ausschuss könnte in EIGENER Kompetenz nichts, aber auch gar nichts, als federführender Ausschuss auf die Agenda des Parlaments setzen. Das waren im Bereich Kultur und Medien dann wenigstens Themen wie die Staatsverträge, welche dennoch in der Zuständigkeit der Länder liegen. Dass dies aber auch etwas mit Internet zu tun hat, wird schon am Beispiel des heiß diskutierten, und dann in letzter Minute zum Glück gescheiterten, Jugendmedienschutzstaatsvertrages (JMStV) deutlich. Auch ist die Einflussnahme des Staatsministers auf europäische Medien- wie auch Internetpolitik ist beachtlich und sollte nicht unterschätzt werden.

Denn was ist ein Bundestagsausschuss? Alle klassischen Parlamentsausschüsse spiegeln, im Idealfall auch zu deren Kontrolle,  vorhandene Ministerien parlamentarisch wider. Das Außenministerium also der Auswärtige Ausschuss, Innen der Innenausschuss etc. etc. Wessen exekutiven „Gegenpart“ hätte der Internet-Ausschuss? Keinen. Er bliebe hinter dem heutigen Unterausschuss Neue Medien zurück.

Und der hatte es schon schwer genug, sich mit den Themen der anderen Ausschüsse befassen zu können und zu dürfen. Hackerparagraph? Zuständig ist der Rechtsausschuss. Vorratsdatenspeicherung? Zuständig ist der Innenausschuss. Medienpolitik? Zuständig ist das Kanzleramt. Netzneutralität? Zuständig ist der Wirtschaftsausschuss. Urheberrecht? Wieder Justiz. Cyberwar? Verteidigung. Open Access? Bildung + Forschung, Gesundheitskarte? Gesundheitsministerium. Jugendmedienschutz? Ist bei Jugend und Familie untergebracht. Die Zuständigkeit für die ersten netzpolitischen Gesetzgebungen wie zum Informations- und Kommunikationsdienstegesetz (IuKDG) oder zur Digitalen Signatur hatte damals in den 90igern übrigens Forschungsministerium und Ausschuss.

Sinn machte eine solche Ausschuss-Überlegung also nur, installierte die Bundesregierung zugleich ein mächtiges „Internetministerium“. Eine Idee, welche die Piraten im Bundestagswahlkampf 2009 entwickelt hatten. Nur mit einem solchen Ministerium käme ohne Notwendigkeit eines Beschlusses der Internet-Ausschuss. Voraussichtlich und realistisch betrachtet kommt es dazu aber nicht, sondern bestenfalls zu einem Internet-Beauftragten der Bundesregierung. Dann wären wir wieder beim heutigen Zustand. Schon deshalb ist der Vorschlag der Enquete schlichtes Larifari.

Unseriös

Politisch- parlamentarisch ist es sogar zutiefst unseriös, einen Internet-Ausschuss als „netzpolitischen Fortschritt“ zu feiern. Es sei denn, es gibt ab 2013 tatsächlich das oben angesprochene machtvolle Ministerium, in dem dann die netzpolitischen Teile aus den bisherigen Zuständigkeiten der Ministerien Innen, Wirtschaft, Bildung + Forschung, Justiz etc. etc. zusammengefasst werden. Glaubt daran ernsthaft jemand? Der glaubt auch daran, dass die Enquetekommission unter Axel E. Fischer ein durchschlagender Erfolg war und ein Storch die kleinen Kinder bringt. Einmal mehr wird ohne Hemmung suggeriert, dass sich mit Hilfe reiner parlamentarischer Gremienarbeit netzpolitisch etwas bewegte. Allein dies kommt schlichter Realitätsverweigerung gleich.

Was aber bleibt dann zur Lösung des Problems? Zunächst einmal das ehrliche Eingeständnis, dass ein Ausschuss zur Beseitigung netzpolitischer Defizite in Deutschland auch nur marginal nichts beitragen kann. Eine solche realistische Einschätzung der realen Lage stünde zumindest den Sachverständigen der Enquete gut an, statt der Öffentlichkeit vorzugaukeln, was nicht sein wird.

Wie es dem gegenüber geht, zeigte die Zensursula- Kampagne oder zeigen alle Debatten zur Vorratsdatenspeicherung, zu Netzneutralität und so weiter. Nur von Druck von AUSSEN auf die jeweiligen Entscheidungs- und Meinungsträger in Parlament, Regierung und Parteien lässt sich etwas bewegen. Und daran ändert sich (netzpolitisch) auch in der nächsten Legislaturperiode, egal mit welchen Mehrheiten, nichts.

Stellvertretend auf einen Internetausschuss zu hoffen ist aber ebenso welt- und parlamentsfremd wie die Hoffnung, dass beim Umzug eines Friedhofs die Verstorbenen selbst fleißig Hand anlegen und ihr Gräberumfeld nett mitgestalten.