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Die Kinderarbeitskommission

Freier Welthandel ist schön. Freier Welthandel ist nicht schön, sondern verabscheuungswürdig, wo er die Menschenwürde verletzt. Was aber verletzt mehr die Menschenwürde, als Kindern nicht Spielen und Lernen zu ermöglichen, sondern sie als Arbeitssklaven auf Kaffeefeldern, in Kakaoanbaugebieten oder beim Teppiche knüpfen arbeiten zu lassen? Weiterlesen

SPD- Abschied vom Zugangserschwerungsgesetz?

In der unendlichen Geschichte des Zugangserschwerungsgesetzes will sich die SPD- Bundestagsfraktion nun von ihrer eigenen Gesetzgebung und Blamage verabschieden:

http://www.heise.de/ct/meldung/SPD-wendet-sich-gegen-Internet-Sperrgesetz-884257.html

„Schluss mit dem Gewürge“ forderte jetzt der neue stellvertretende Fraktionsvorsitzende, Olaf Scholz,  der allerdings entgegen aller Warnungen und ungeachtet der Petition gegen „Zensursula“ das Gesetzgebungsverfahren innerhalb der Bundesregierung  schon im April des Jahres mit durchgewunken hatte.

Aber auch er hätte es besser wissen können: Der wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages formulierte „verfassungsrechtliche Bedenken“. Ein Expertengespräch des Unterausschusses Neue Medien zeigte schon im Spätherbst 2008 deutlich, dass mit Ausnahme  des Bundeskriminalamts (BKA) und von selbsternannten „Jugendschützern“ niemand das Vorhaben verteidigte.

http://www.heise.de/newsticker/meldung/Experten-betrachten-geplante-Kinderporno-Sperrmassnahmen-als-wirkungslos-195362.html

Fanatische Befürworter des Gesetzes, allerdings ohne jegliche Nennung zutreffender Fakten, waren neben anderen Organisationen die von ihre Skandalen ablenkende UNICEF und der „Kinderschutzbund“. Diese Organisationen behaupteten unter anderem schlicht wahrheitswidrig und unter Berufung auf das BKA , „dass kinderpornografische Inhalte immer und überall verfügbar seien“ (Helga Kuhn, UNICEF Deutschland). Erstaunlich, dass diese Organisationen aber von den Kritikern des Vorhabens mit grosser Chuzpe stets „Sachlichkeit“ verlangten.

Die Familienpolitiker der SPD- Bundestagsfraktion machten sich diese „Argumente“ allerdings zu eigen. Kerstin Griese, damals Vorsitzende des Ausschusses Jugend und Familie, sagte mir unverblümt, „wir bedienen eben auch eine Szene, zum Beispiel UNICEF“.

http://www.unicef.de/index.php?id=5700

Professor Sieber vom Max-Planck-Institut für internationales Strafrecht und andere Stimmen der Vernunft forderten dem gegenüber vor einem derartigen Gesetzgebungsverfahren gegen diese von Union, BKA, Presse und den genannten Organisationen angeheizte öffentliche Stimmung vergeblich einen umfassenden gesellschaftlichen, rechtlichen und technischen Dialog.

Missbrauchsopfer (MOGIS Verein) wandten sich ebenso gegen #Zensursula wie Datenschützer, der CCC, Wissenschaft und Wirtschaft (Providerverband ECO, der Verband Bitcom, die Gesellschaft für Informatik (GI) etc.). Auch sie fanden kein Gehör.

Mir gegenüber hatte die SPD- Fraktionsführung im internen Gespräch allerdings wenigstens ihr Wort gegeben, „dass man der Union nicht entgegenkommen wolle, sondern das Gesetz von der Agenda genommen werde und somit wohl in die Diskontinuität falle“ (Thomas Oppermann, 1. Fraktionsgeschäftsführer). Um zur Erreichung dieses Ziels die Union nicht zu „provozieren“ wurde ich sogar darum gebeten, nicht an der Anhörung zum Gesetzgebungsverfahren teilzunehmen.

Man kannte also die Probleme. Dennoch wurde auf dem SPD- Bundesparteitag am 14. Juni eine Debatte über das Zugangserschwerungsgesetz verhindert und die Beratung eines von Boehning, Mönikes und anderen eingebrachten Antrages gegen Zensursula von Franz Müntefering als „medial unerwünscht“ verhindert.

Gleichfalls aus Angst vor der Presse  forderte Peter Struck am 16. Juni die Fraktion auf, dem Vorhaben zuzustimmen. Zitat: „Bedenkt, was morgen in der Presse und in BILD zu lesen ist, wenn wir das heute ablehnen.“ 13 junge Bundestagskandidaten warnten in einem Schreiben vor dieser Argumentation: „Ihr tauscht die begrenzte Gefahr einer negativen „BILD“- Schlagzeile mit der unbegrenzten Gefahr des Verlustes der Glaubwürdigkeit bei einer ganzen Generation.“

http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/0,1518,666745,00.html

Dennoch ging man der Union blind auf den Leim. Der damalige Innenminister Schäuble äußerste im Oktober 2009 in entwaffnender Offenheit, dass das Gesetz auch deshalb entstanden sei, „um die Union gegenüber anderen Parteien abzusetzen.“ Er sprach zugleich von „handwerklichen Fehlern“.

Alle Bedenken, die Scholz heute gegen das Machwerk der Frau von der Leyen äußert, sind und waren richtig: Das Gesetz sei „populistisch“, die Internetsperren „ineffektiv, ungenau und ohne weiteres zu umgehen.“ So zumindest berichteten heise und SPON.

Trotz dieser, jetzt auch von Scholz vorgetragenen Argumente, haben am 18. Juni des Jahres  nur zwei (!) Bundestagsabgeordnete der SPD neben mir gegen das Gesetz gestimmt (Steffen Reiche und Wolfgang Wodarg). Alle anderen Fraktionsmitglieder wollten Gegenargumente allerdings nicht hören.

Deshalb hatte ich im Deutschen Bundestag am 18. Juni nochmals und ein letztes Mal als Mitglied der SPD- Bundestagsfraktion das Wort ergriffen:

http://www.youtube.com/watch?v=DwuZS8H4k2w

Nach dieser Rede schlug mir aus dieser Fraktion, der ich immerhin fast 15 Jahre angehört hatte, wie auch schon während der Diskussion in der Fraktionssitzung zwei Tage zuvor, offener Hass entgegen. Zwei Tage später zog ich aus diesen Vorgängen die Konsequenz und trat, auch aus Protest gegen die Missachtung der Petenten um Franziska Heine, aus der SPD aus und der Piratenpartei bei.

Nachtrag:

Die persönlich Verantwortlichen für das Desaster sind weiterhin SPD- Abgeordnete und mit Ausnahme von Franz Müntefering und Peter Struck, der nicht wieder für den Bundestag kandidierte, in ihren Ämtern verblieben. Namentlich nenne ich Thomas Oppermann als 1. Fraktionsgeschäftsführer, Martin Dörmann als „Verhandlungsführer“ gegenüber der Union, Christl Humme als stv. Fraktionsvorsitzende und Karen Marks als Sprecherin für Jugend und Familie. Alle drei „Abweichler“ gehören dem Deutschen Bundestag nicht mehr an.

Dass sich nun ausgerechnet Dörmann  gegen Zensursula ausspricht, ist nur noch mit dem Begriff Chuzpe zu umschreiben:

http://www.spd-fraktion.de/cnt/rs/rs_dok/0,,50129,00.pdf

Was Herr Dörmann nun genau meint, bleibt aber auch nach Tagen noch unklar: „Löschen STATT sperren“ oder „Löschen vor Sperren“ ??? :

http://www.netzpolitik.org/2009/spd-heute-wieder-loeschen-vor-sperren/

Der klassische Kompromiss, den Dörmann sicherlich als Erfolg bei Verhandlungen mit der Union feiern würde, hiesse „Löschen UND sperren.“(Vorsicht: Ironie mit Wahrheitsgehalt 😉 )