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Von Minaretten und Terrorismusfurcht

Forscht man nach den Gründen einer  Minarettablehnung, ist oft quer durch die Bevölkerung, auch bei uns, eine sehr diffuse Türken,- Islam- und Islamistenangst feststellbar. „Hassprediger“ in deutschen Moscheen scheinen offensichtlich Freitag für Freitag in Deutschland zum heiligen Krieg aufzurufen und der Beobachter wundert sich, dass die solcherart Agitierten anschliessend gemütlich Tee trinken oder friedlich nach Hause gehen, statt schon seit Jahren Amok zu laufen, die deutsche Bevölkerung zu massakrieren oder wenigstens schweizerische Gipfelkreuze zu eliminieren.

Erst heute versäumte BILD es in der Minarettdebatte erneut nicht, darauf hinzuweisen, dass einer der Attentäter vom 11. September in Hamburg „die Moschee“ (mit oder ohne Türmchen?) besuchte. Es ist erst wenige Jahre her, dass der hessliche Ministerpräsident Roland Koch mit einer an Verlogenheit und Falschdarstellungen kaum zu überbietenden Agitation am Beispiel des „Doppelpasses“ die hessische Bevölkerung für sich und ganz eindeutig „gegen türkische Ausländer“ mehrheitlich mobilisieren konnte.

Unsere „Minarettabstimmung“ hatten wir also schon – bis hin zur Leitkulturdebatte. Dies sei denen gesagt, die anklagend auf die Schweiz zeigen. Erstaunlich oft begegneten mir in den letzten Tagen sogar  junge Leute, die plötzlich völlig irrational argumentieren. Selbst nach eigener Einschätzung weltoffene Dönerverspeiser äußern sich plötzlich in einer Form, die sich nur nur noch in Sprachgewandtheit und Rechtschreibung vom einfachen brandenburgischen Dorfnazi unterscheidet. „Passt nicht hierher“ ist ein oft gebrauchtes Argument.

Wer aber legt bitte in einer pluralen weltoffenen Gesellschaft in der Mitte Europas heute fest, was  passt und was nicht hierher passt? Der Turm an der Moschee, der Punk auf dem Marktplatz, der frühstückende Flashmob in Braunschweig? Natürlich darf und muss (!) man sich mit religiös begründeten Auswüchsen von der Scharia bis hin zu „Ehrenmorden“ irre gewordener männlicher Familienangehöriger  kritisch auseinandersetzen und diese auch verabscheuen. Doch steht weder die Moschee noch ein Minarett für Terrorismus, Ehrenmorde oder fehlende Integration. Beide stehen so wenig dafür, wie der katholische Dorfkirchturm heute für Hexenverbrennungen steht. Die Aufgeregtheit der Debatte um dieses „Symbol“ ist dessen ungeachtet auch mit  real existierenden und überhaupt nicht zu leugnenden Integrationsproblemen erklärbar, für die sich beide „Seiten“  jeweils trefflich unterlegt Schuld zuweisen können.

Die hauptsächliche Ursache hierfür wird dabei aber noch immer aus der gesellschaftlichen Diskussion in Deutschland peinlich ausgeblendet. Diese besteht aus der unter Führung der Unionsparteien aus ideologischen Gründen jahrzehntelang gepflegten Behauptung, „Deutschland sei kein Einwanderungsland.“ Nun sind aber eben Menschen islamischen Glaubens bei uns zwischenzeitlich über Generationen hinweg zugewandert. Dazu passt „treffend“ der Satz von CDU- Rechtsaußen Bosbach, „wonach das Ergebnis der Volksabstimmung Ausdruck einer auch in Deutschland weit verbreiteten Angst vor einer Islamisierung der Gesellschaft sei“.  Wie heuchlerisch! Wie verlogen! An dieser Angst schürte Bosbach bis heute kräftig mit, indem auch er  jedes „Terrorvideo“ eines spätpubertierenden „Islamisten“ nicht nur vor Bundestagswahlen zur realen Terrorwarnung hochstilisierte.  Diese Warnungen  versetzen Deutschland  seit Jahren in einen gruseligen Dauerzustand antiislamischer Stammtischhysterie. Aus diesem Grunde ist auch eine jetzt veröffentlichte Untersuchung äußerst interessant, die mit der Formulierung „Terror- die inszenierte Gefahr“ gut beschrieben ist.

Stück für Stück weisen Wissenschaftler der Universität Jena ohne jede Beschönigung realer Gefahren  nach, wie das Bild des Islam letztlich durch die Berichterstattung über religiös verbrämten Terrorismus geprägt wird. Thematisiert werden, so der Kommunikationspsychologe Professor Frindte, nicht die Ursachen von Terror, sondern die Massnahmen gegen ihn. Und hier wird es interessant: Fremdenfeindlich eingestellte Personen, die Muslime generell ablehnen, befürworten auch verschärfte Sicherheits- und Überwachungsmassnahmen im so genannten Kampf gegen den Terrorismus. Die Ablehnung von Muslimen wird von solchen Menschen gerade mit  „islamistischer“ Gefahr begründet. Dazu trägt die medial inszenierte Terrorgefahr  bei.

Vielleicht passen deshalb Minarette ja doch zu uns: Als Symbol dafür, dass es noch Bürgerrechte gibt- auch für Minderheiten islamischen Glaubens. Wer heute Bürgerrechte für Minderheiten schützt, muss möglicherweise morgen nicht um seine eigenen Rechte fürchten.