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Fragen zum „Internetausschuss“

Gestern tagte die Enquetekommission „Internet und digitale Gesellschaft“ ein letztes Mal. Hierzu habe ich auch gezwitschert („Verstaubende Ergebnisse“). Verständlicherweise sehen das die Protagonisten der Enquete anders und überschlagen sich gegenseitig mit Lob und Begeisterung.

Zu wesentlichen Empfehlungen der Enquete zu Netzthemen im Bereich des Urheberrechts,der Netzneutralität, der Freiheit des Internets konnte man sich leider nicht verständigen. Nicht nur deshalb bleiben die Ergebnisse noch hinter den Mindesterwartungen außerhalb des Bundestages zurück. „Quasselbude“ war noch eine der höflicheren, wenngleich historisch bedauerlichen, Formulierungen (heise). Doch wenigstens auf neue parlamantarische und beamtete Jobs konnte man sich einigen: Fraktionsübergreifend  wird angestrebt, „schnellstmöglich“ im Deutschen Bundestag einen Internetausschuss einzurichten.

Exekutiv soll dieser parlamentarische Ausschuss einem leibhaftigen Internet(staats)minister zugeordnet werden, der natürlich auch Frau sein darf. Da die Forderungen nach Ausschuss und (Staats-)Minister(in) fraktionsübergreifend als wesentliche parlamentarische netzpolitische Innovation der Enquete dargestellt wird, habe ich einige Nachfragen. Diese wurden von mir deshalb heute den Obleuten (Sprechern) der Fraktionen in der Enquete übermittelt:

Sehr geehrter Ex-Kollege Fischer, sehr geehrte Herren, sehr geehrte Frau Wawzyniak, *)

Jimmy Schulz hat eine PM zum „erfolgreichen Ende der Enquetearbeit“ herausgegeben“ (FDP, 29.1.13). Vielen Dank für deren Übermittlung. An deren Schluss heißt es zu dem von Ihnen empfohlenen Internetausschuss: 

„Alle in der Enquete-Kommission beschlossenen Handlungsempfehlungen benötigen ein Gremium, das sie umsetzt und in die Tagespolitik trägt. Das kann und soll dieser neue Ausschuss leisten“.

Schön. Ähnliches hört(e) man ja auch von den anderen Sprechern. Deshalb an Sie alle, und nicht nur an Herrn Schulz, auch ein paar Fragen:

Wie soll das geschehen? In welcher Form wird die GO des Bundestages hierzu geändert? Gibt es dazu bereits Empfehlungen? Darf der Internetausschuss dann z. B. Anhörungen durchführen zu Themen, bei denen er nicht die Federführung hat? Zu welchen Fragen hat er die Federführung? Wie bringt der Internetausschuss, an den vorhandenen federführenden Ausschüssen ggf. vorbei, Themen oder gar Gesetze ins Plenum?

Zum Hintergrund praktische Beispiele: 

Nehmen wir einmal an, die Enquete hätte sich auch nur an den Empfehlungen der FDP (!) Justizministerin zur Bekämpfung des Abmahnunwesens orientiert und es existierte nun der Internetausschuss: Wie will er seine Anliegen in den federführenden Ausschuss, in diesem Falle Recht, tragen oder gar „umsetzen“? Oder zum Urheberrecht? 

Nehmen wir mal an, es gibt den Bundestagsausschuss und der wäre gegen die Vorratsdatenspeicherung (hatten wir ja schon mal fraktionsübergreifend in der 15. LP) . Wie trüge die Enquete und der Internetausschuss das Anliegen zur Umsetzung in den wiederum federführenden Innenausschuss? 

Ähnlich verhält es sich mit der Netzneutralität. Auch hier die Frage nach dem WIE des Tragens und der Umsetzung in und durch die (Wirtschafts-) Tagespolitik?

Ich will es bei diesen drei einfachen legislativen Beispielen bewenden lassen. 

Kommen wir zur Exekutive und damit zu dem von Ihnen vorgeschlagenen Internet(staats)minister (oder der…ministerin):

Welche Kompetenzen aus den mit Netzpolitik befassten Häusern Innen, Justiz, Wirtschaft, Forschung, Familie und Jugend, Kultur und Medien etc. sollen ihm nach Wunsch der Enquete und von Ihnen zu den jeweiligen netzpolitischen Feldern übertragen werden? Alle? Einige? Welche? 

Soll er und seine Behörde (oder sein Ministerium) eine Art Veto- und Initiativrecht im Kabinett zu allen Fragen der Netzpolitik haben und bekommen? Wie würde das, gerne wiederum an den Beispielen Abmahnunwesen, Urheberrecht, Vorratsdatenspeicherung und Netzneutralität, dann konkret aussehen?

Für eine zeitnahe Erläuterung bin ich dankbar.

Mit freundlichen Grüßen Jörg Tauss, Freier Journalist / dju 

Selbstverständlich werde ich über eingehende Antworten informieren. Von den Grünen kam via twitter bereits auf die Ankündigung meiner Anfrage ein Vorabzwischenbescheid: „Wir warten gespannt und antworten prompt….“  Jetzt warte ich gespannt….

*) Axel E. Fischer, ehem. Vorsitzender der EIDG, Lars Klingbeil (SPD), Jens Koeppen (CDU/CSU), Dr. Konstantin von Notz (Grüne), Halina Wawzyniak (Die Linke)

Aktualisierung:

1. Antwort (31. 1.) von den Grünen: vielen Dank für Ihre Anfrage. Wie Sie den Handlungsempfehlungen der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ ja entnehmen konnten, haben sich alle Fraktionen für die Einrichtung eines ständigen Ausschusses ausgesprochen. U.a. auch die von Ihnen an uns gerichteten Fragen werden nun Gegenstand der weiteren Beratung zwischen den im Bundestag vertretenen Fraktionen sein.  

Verstaubende Ergebnisse

Heute tagte die Bundestagsenquetekommission „Internet und digitale Gesellschaft“ ein letztes Mal. Man ist erleichtert. Die Show ist zu Ende. Zu den Problemen dieser Enquetekommission habe ich mehrfach gezwitschert und deren sechs Grundfehler auch mehrfach benannt. Diese Erkenntnisse vom Juni 2011 blieben auch im Jahre 2012 bis heute gültig.

Gibt es gar nichts Positives zu sagen? Doch. Eine Reihe der 12 Zwischenberichte auf über 2.000 Blättern Totholz unter CC-Lizenz sind lesenswert. Wer beispielsweise ein Sammlung von klugen Gedanken zum Thema Medienkompetenz sucht, wird fündig. Dies aber dokumentiert auch eines der zentralen Probleme. Die Enquete war inhaltlich dort um so besser, wo sie keinerlei Bezug zur Bundespolitik hat. Für Medienkompetenz, ob es nun passt oder nicht, sind die Länder zuständig, die mit ihrer Schul- und Medienpolitik die beste Chance zur Umsetzung haben.

Dass aber auch dieser Bericht verpuffen wird beweist beispielsweise der „Tag der Medienkompetenz“ Ende vergangenen Jahres im Medienland NRW. Das Werk wurde staunenden Landtagsabgeordneten im Düsseldorfer Landtag von mir überreicht. Konkret: Noch nicht einmal die politische Fachszene wird von dieser Enquetekommission erreicht.

Dort aber, wo der Bund originäre Zuständigkeiten hat, beispielsweise zu den Themen Urheberrecht, zur Netzneutralität, zu den Freiheitsrechten der Bürger oder gar für ein freies globales Internet, gibt es keinerlei Signale. Dies wurde von Schwarzgelb systematisch verhindert. Selbst die Rundfunkreferenten aus den Staatskanzleien der Länder konnten sich, um ein Beispiel zu nennen, schon im April 2011 auf mehr Inhalte zum Thema Netzneutralität einigen, als diese Enquete, die zu diesem Zeitpunkt mit sich noch um Begriffsklärungen rang. Darauf angesprochen kam von Enquetemitgliedern weder eine Antwort noch eine inhaltliche Übernahme. Auch dies zeigt, wie wenig ernst Anregungen von außen, Bürgern und Fachleute genommen werden.

Wie geht es weiter?

Einigen konnte man sich in der Enquete darauf, in der nächsten Legislaturperiode einen Internetausschuss und einen Staatsminister für das Internet einzurichten. Darauf ist man parteiübergreifend stolz. Doch auch dieser Vorschlag ist nichts als weiße Salbe ohne jegliche Wirkstoffe. Ausschüsse des Deutschen Bundestages sind Ministerien zugeordnet, die Zuständigkeiten haben. Der Internetausschuss hätte keinerlei Anbindung an die wesentlichen Ministerien wie beispielsweise Innen, Justiz, Wirtschaft, Forschung. Er könnte nicht einmal Anhörungen zu Themen durchführen, die in deren Zuständigkeit liegen.

Auf Parlamentsdeutsch: Weder zum Urheberrecht, noch zur Vorratsdatenspeicherung, noch zur Netzneutralität etc. etc. könnte dieser Internetausschuss federführend initiativ werden. Das ist eine Farce und eine Augenwischerei wie diese Enquete, deren Ergebnisse in den Regalen unseres Berliner Parlaments verstauben werden. Dazu muss man kein Prophet sein.

Ein Internetministerium und ein zugehörender Ausschuss machte Sinn, wenn dort hin tatsächlich Zuständigkeiten verlagert würden. Dies ist parteiübergreifend nicht in Sicht. So wenig wie die Tatsache, dass sich Ausschüsse des Bundestages stärker den Bürgerinnen und Bürgern öffnen.

Netzpolitik ist und bleibt in Deutschland ein Stiefkind. Das ist das so ernüchternde wie traurige Fazit dieser Enquete. Sie hätte die Republik verändert, meinte dem gegenüber Enquete-Parlamentarier Klingbeil. Man wünscht sich zu wissen, welche Halluzinogene der Mann raucht.

Crazy: Wut aufs Internet

Immer wieder bricht sie durch, die Wut aufs Internet, auf Transparenz, auf das, was sich geändert hat:

…Von der zunehmenden Enthemmung im Internet im Schutze einer tapfer verteidigten Anonymität gar nicht zu reden….

Nicht etwa Fehlentwicklungen beim Schülermobbing oder dergleichen wurden hier beklagt, wobei es Mobbing schon immer gab. Wir nannten es eher Klassenkeile.

Nein: Dieser Satz stammt von keinem geringeren als vom Bundestagspräsidenten Norbert Lammert. Und er sagte ihn anlässlich der Neuwahl des Bundespräsidenten. Was er damit meint, sagt er nicht. Meint er damit die Internetdebatte um Wulff oder Gauck? Auf Antwort wartet der Bürger bei diesem Bundestagspräsidenten vergeblich.Vielleicht lädt ihn die Internetenquete ein, um das zu klären. Weiterlesen

Erfolgreiche Enquete…

„Ein spannendes und erfolgreiches Jahr“ konstatiert der Vorsitzende der Bundestags Internetenquete, Axel E. Fischer, für sein erlauchtes Gremium. In der Tat: Es gab viele Sitzungen und interessante Anhörungen. Doch ansonsten? Ich bezeichnete diese Veranstaltung schon zu Beginn als Trauerspiel und wurde in meinen schlimmsten Befürchtungen übertroffen.

Am auffälligsten werden die Widersprüche, wenn man sich die Öffentlichkeitsarbeit der Enquete betrachtet. „Wir haben die Öffentlichkeit in einer Weise einbezogen, wie es das noch nie in einem parlamenatarischen Gremium gegeben hat“ tönt der Vorsitzende gegenüber der c’t. Im negativen Sinne irrt Fischer nicht. Es ist höchst ungewöhnlich, dass der Deutsche Bundestag noch nicht einmal annähernd an ihn gerichtete Fragen beantwortet. Und dass der Antrag auf Öffentlichkeit der Arbeitsgruppensitzungen mit Fischers Stimme abgelehnt wurde, unterscheidet sich auch sonst nicht von der sonstigen Geheimniskrämerei der Ausschussarbeit im hohen Haus. Weiterlesen

„Nun wird ausgeschöpft…“

Der Bürger soll 18. Sachverständiger der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ im Deutschen Bundestag sein. Ob man diesem hohen Anspruch gerecht wird, muss nach der bisherigen Arbeit der Enquete eher skeptisch beurteilt werden. Wohl schon deshalb hält sich die öffentliche Beteiligung der Fachleute unter den Bürgern bislang in engen Grenzen. Anfragen werden nach meinen Erfahrungen nicht beantwortet. Dennoch stirbt bekanntlich die Hoffnung zuletzt und so will ich einen neuen Anlauf wagen. Denn auch den Vorwurf des Leiters des Enquete-Sekretariats, Linn, an mich, „meine Beteiligungsmöglichkeiten noch längst nicht ausgeschöpft (zu) haben,“ lasse ich ja nur ungern auf mir sitzen. Nun will ich ausschöpfen und habe daher den Mitgliedern der Arbeitsgruppe Datenschutz die nachfolgenden Fragen gestellt: Weiterlesen

Reisender, besuchst Du die Enquete….

..dann kannst du was erzählen. Heute erzähle ich also von meinem angekündigten Besuch im Büro der Enquetekommission „Internet und digitale Gesellschaft“ (aktualisiert am 12.1.11, siehe unten)

Ehrlich gesagt wollte ich hier auf tauss-gezwitscher jene Mitglieder der Enquetekommission mit einem kritischen Artikel etwas ärgern, die, wie bei Enqueten durchaus üblich, sehr selten an deren Sitzungen teilnehmen. Allerdings wurde ich erfreulicherweise eines Besseren belehrt: Zumindest im ersten Jahr nahmen alle Abgeordneten und Sachverständigen fast vollständig und fast immer an ALLEN Sitzungen und Anhörungen teil und die Arbeit somit ernst.

Insofern war kein kritischer Artikel zu schreiben und selbst dieser Artikel wäre nicht geschrieben worden, hätte ich nicht ein ganz anderes Enquete-Erlebnis von ganz besonderer Art gehabt. Auf dem Weg in die Dorotheenstraße besorgte ich noch Kuchen für die zwischen den Feiertagen hart arbeitenden Enquetemitarbeiter, schaufelte einer im Schnee stecken gebliebenen Mutter mit Kind in der Mittelstraße unter Entleihung einer Bundestagsschneeschaufel noch rasch das Auto frei und begab mich bereits ob dieser guten Taten bestens gelaunt also um eine weitere Ecke zu den Büros des Enquete-Sekretariats.

Wie es mir dort erging habe ich heute nach einigen Tagen des Ringens um Fassung 😉 in einer kurzen Mail niedergeschrieben. Mitgeteilt wurde mir daraufhin, dass meine bestätigte (!) Besuchsankündigung ja keine Terminvereinbarung darstelle. Ahhh ja. Man lernt nie aus und lese selbst: Weiterlesen