Von Elopak und Lügen“pak“

Kürzlich stritt ich mich mit jemandem über die Frage, ob man bei einer Wildnistour in Schweden Äste von einem Baum entfernen darf, um sich dort bei einer Winterwanderung ohne Zelt ein Camp bauen. Schließlich gibt das „Jedermannsrecht“ die Möglichkeit, sich ausgiebig in der Natur zu tummeln. Nicht stören, nichts zerstören – so lautet die Grundregel des Allemansrätt, eines nicht nur aus Schweden bekannten Rechts zum Gemeingebrauch der Natur. Und deshalb sind auch Äste zu schonen. Punkt. Damit habe ich einen gewichtigen Beitrag zur Rettung des schwedischen Waldes geliefert.

Also schütte ich mir nach Abschluß der Diskussion zufrieden frische Milch aus dem Karton in den Kaffee. Biomilch war es nicht. Aber wenigstens Milch. Doch auch Bio-Milch kommt aus dem Karton. Zitat des Herstellers Elopak aus der schönen Stadt Speyer:

Die Schwarzwaldmilch Bio-Milch wird in der Halbfett- (1,5%) und Vollmilch (3,8% Fett)-Qualität im 1ltr. Pure-Pak®  Karton abgefüllt. Die Vollmilch ist zusätzlich noch im 500 ml Pure-Pak® Karton erhältlich. Die Schwarzwälder Bioland Produkte tragen das Gütesiegel Bioland und stehen so für höchste Qualität aus einem intakten Ökosystem.

Höchste Qualität aus einem intakten Ökosystem. Ich werde immer zufriedener. Also kommt mein Karton – Öko hin oder her – aus schwedischen Öko- Wäldern. Also von dort, wo der Wildniscamper keine Zweige entfernen darf.

Zweifel an meinem Öko- Verhalten kommen irgendwie trotzdem auf, informiere mich und erfahre  auf der Homepage des wwf – Förderers:

….unser Milchkarton ist zutiefst nachhaltig…..

und somit richtig gut für die Natur.

Kümmern wir uns also ausnahmsweise nicht um den Regenwald auf Borneo und in Brasilien, sondern um interessante Details zur nordischen Waldwirtschaft, die uns Elopak vermittelt (hier zum gesamten Artikel und den schönen Märchen vom Wald):

In nachhaltig bewirtschafteten Wäldern werden eingeschlagene Bäume ersetzt: zum einen durch Setzlinge, zum anderen durch natürliche Regeneration. In den nordischen Wäldern werden üblicherweise 3-5 neue Bäume für jeden gefällten gesetzt. Finnland, Norwegen und Schweden verzeichnen daher wachsende Waldbestände!

In Schweden werden 85 Millionen m³ Holz jährlich gefällt, dagegen steht ein Zuwachs von 114m³.
Nachhaltig bewirtschaftete Wälder sorgen für biologische Vielfalt. In ihnen wachsen zahlreiche Baumarten gut durchmischt. Tote Stämme bleiben im Wald und bieten Insekten und Vögeln Lebensraum. Sobald die Forstwirte einen Baumbestand geschlagen haben, forsten sie die Fläche wieder auf. Wertvolle Biotope wie etwa Bachufer bleiben weitgehend unberührt. Wo die Erntemaschinen einen Bach überqueren müssen, wird eine Brücke gebaut um die Organismen darin nicht zu beeinträchtigen.
Wälder sind einzigartige Klimaschützer
Aufgrund der Absorbierung klimaschädlicher Treibhausgase leisten die Wälder zusätzlich einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz. Insbesondere junge Bäume nehmen um zu wachsen, CO2 auf und setzen im Gegenzug Sauerstoff frei.
In Wäldern ist die Speicherkapazität von Kohlenstoff 20 bis 50 mal höher als in anderen Ökosystemen.

Soweit so gut. Doch die Realität zum Thema schwedischer Wald stellen Waldschützer von protecttheforest irgendwie ganz anders dar (hier zum ganzen Artikel):

Mehr als die Hälfte der Landfläche Schwedens ist mit Wald bedeckt. Die Waldpolitik des Landes und forstwirtschaftliche Methoden haben den größten Teil der Waldlandschaft in Industriewälder umgewandelt, denen die charakteristischen Eigenschaften von Naturwäldern abhanden gekommen sind. Alte Naturwälder werden abgeholzt und durch Plantagen und Wirtschaftswäldern mit niedrigem Naturwert ersetzt. Nur noch einige wenige Prozent des produktiven Waldes unterhalb der fjällnahen Grenze bestehen aus Altwald mit hohem Naturschutzwert……

Und leider werden abwechslungs-, artenreiche Naturwälder und alte Bauernhofwälder, oft mit unzureichender Rücksichtnahme der Natur gegenüber, in Industrieäcker verwandelt…

Die Waldbesitzer werben für eine aktive Forstwirtschaft, bei welcher alte Bäume gefällt werden und für unterschiedliche Holzprodukte angewendet werden. Die gefällten Bäume werden anschließend durch neue Bäume ersetzt. Das soll  – wird behauptet – das Klima begünstigen. Die Tatsache jedoch, dass Abholzungen von Altwäldern den Treibhauseffekt verstärken, wird nicht einmal erwähnt. Ein Wald speichert enorme Mengen an Kohlenstoff, sowohl in Holzbiomasse als auch im Boden. Wenn der Wald abgeholzt wird, wird der eingelagerte Kohlenstoff des Bodens frei gegeben, vor allem bei der Bearbeitung des Bodens. Je älter der Wald ist desto mehr Kohlenstoff ist im Boden und in Holzbiomasse eingelagert und desto mehr Kohlenstoff wird logischerweise bei Abholzungen frei gesetzt. Studien an der Universität Lund haben gezeigt, dass es bis zu 30 Jahren dauert bis die Kohlendioxidabgabe durch die Aufnahme der nachwachsenden Bäume kompensiert.

Man sieht: Nicht alles ist Bio. Am wenigsten der Pack der (Bio-) Milch. Und nicht alles ist wahr. Schon gar nicht die beschönigenden Lügereien der PAK-Industrie. Dennoch: Wer in Schweden zeltet, sollte wirklich keine Zweige abreissen und Bäume umhacken. Das tut er schon zu Hause mit seinem Milchkarton – und zwar ganz ohne jede Überstrapazierung des Allemansrätt. Und der WWF sollte sich einmal mehr etwas sorgfältiger seine Kooperationspartner aussuchen. Oder ist er tatsächlich nur ein Deckmäntelchen für globale Waldzerstörer?