Der böse Datenschutz

Ja. Es gibt auch doofe Datenschützer. Der von Hamburg und die Verpixeler gehören für mich dazu. Einmal mehr gleitet aber eine von Julia Schramm begonnene Debatte zum Thema Datenschutz allseits in plumpe Polemik und ins Persönliche ab. Verbunden wird dies mit aufgeregten Verschwörungstheorien um vermeintliche oder tatsächlich DDoS-Attacken der bösen anderen Seite auf die Flaschenpost, einer wichtigen Piratenpublikation.

Und das Böse wird klar identifiziert: Datenschutz, als „Feigenblatt der bestehenden Verhältnisse“ (Zitat Schramm aus dem umstrittenen Artikel „Nach dem Datenschutz“). Gehört das gläserne Mobil (Foto) der Piraten verschrottet?

Man schüttelt einmal mehr verwundert den Kopf. Dieser Beitrag liefert erneut keinen Ansatz oder einigermaßen fundierten Unterbau für eine vorwärtsgerichtete Datenschutzdebatte zum gläsernen Bürger. Vielmehr wird mit dem Habitus der „Moderne“ ein weiterer Rundumschlag eingeleitet, der dann erwartungsgemäß zu heftigen Gegenreaktionen führte.

Um überhaupt kein Missverständnis aufkommen zu lassen: Wenn Schramm nach eigener Darstellung beleidigt oder gar sexistisch angegangen wird, wäre dies inakzeptabel. Dagegen wehrte sie sich mit Recht.

Allerdings sollte sie auch einmal prüfen, ob die Art, wie ihrerseits in den Wald hineingerufen wird, nicht auch auf Provokation und entsprechende Reaktionen angelegt ist, die dessen ungeachtet nicht hinnehmbar wären.

Julia Schramm diskreditiert im genannten Flaschenpost-Artikel alles, was den konfusen Thesen der Postprivacy-Verfechter nicht zu folgen beabsichtigt. Beispiele finden sich genügend:

Julia: “Und während der Kontrollverlust in den Machtetagen dieser Welt (vom Bürger) begrüßt wird, man denke nur an Wikileaks, ist der persönliche Kontrollverlust hochgradig unangenehm und ruft den wehklagenden Chor der Datenschützer auf den Plan”.

Wer also die Arbeitnehmerüberwachung bei der Bahn und die systematische Ausspähung von Lidl-Mitarbeitern aufdeckt und kritisiert gehört offensichtlich mit zum klagenden und nicht mehr zeitgemäßen Chor. Oder wie darf man diese hingeworfene Rotzigkeit verstehen? Ich bin sehr dankbar, dass es diesen „in die Jahre gekommenen“ Chor noch gibt. Er ist ein unverändert guter Klangkörper. Es waren die Datenschützer, die als erste das Thema Vorratsdatenspeicherung aufgriffen. Der Kontrollverlust von Machtetagen ist dagegen gesellschaftlich und für unsere Demokratie dringend notwendig. Wo stünden Datenschützer dem im Wege?

Der Verlust informationeller Selbstbestimmung und die systematische Ausspähung des Einzelnen ist hoffentlich auch weiterhin nicht akzeptabel, sofern dieser Einzelne nicht gegen allgemein akzeptierte gesellschaftliche Regeln des Zusammenlebens verstößt (siehe Guttenberg) oder bei gewissen Zeitgenossen deren politische und / oder moralische Verlogenheit geoutet wird. Doch dieser eigentlich einfach nachzuvollziehende Sachverhalt  wird gleich mit einer neuen Unterstellung verbunden:

Julia: “Transparenz in den entscheidenden Schaltstellen der Welt hat für unsere bisherigen Vorstellungen von Privatsphäre keinen Platz”.

Wer also „unseren“ bisherigen Vorstellungen (wer ist übrigens UNSERE?) von Privatsphäre folgt, ist damit gegen Transparenz? Transparenz, zum Beispiel bei Maut, S21, Rüstungsgeschäften etc. etc. ist laut der Vordenkerin der Spackeria also mit der individuellen Privatsphäre unvereinbar? Man vermisst jeden logischen Zusammenhang der Behauptung mit tatsächlichen Problemen. Die Bedrohungen seien aber anderer Art, liest man:

Julia: “Die zentrale Bedrohung meiner Person ohne Datenschutz betrifft die soziale Existenz meiner Person und die Unabhängigkeit meines Geistes in der analogen Welt”.

Ähhh…wie bitte? Jetzt wird’s langsam zur Paranoia. Datenschützer bedrohen die “soziale Existenz” und die “Unabhängigkeit des Geistes”. Geht’s noch? Aber es kommt noch besser:

Julia: “Datenschutz gilt immer noch als Ultima Ratio im Kampf dieser Spiegelung – bei gleichzeitiger Ignoranz gegenüber den wahren Problemen der Gesellschaft und zu Lasten einer freien Vernetzung und Kommunikation”.

Welche Arroganz! Jeder Nichtspacko ignoriert also die wahren Probleme der Gesellschaft? Starker Tobak, liebe Julia. SO wird man keine Diskussion zustande bringen, sondern völlig ins Abseits driften. Dabei wäre eine Debatte über einen modernen Datenschutz überfällig.

Eine Spackeria, die endlich konstruktiv an Konzeptionen für einen modernen Datenschutz mitarbeitete, wäre hochwillkommen. Eine Spackeria, die Herrn Friedrich die Stichworte liefert, weshalb es keiner Anonymität mehr bedürfe und dass Datenschutz „von Gestern ist“, ist dem gegenüber so überflüssig wie der berühmte Kropf.

Mehr zum Thema Spackeria hatte ich übrigens schon im Frühjahr geschrieben:

https://www.tauss-gezwitscher.de/?p=2240

Eine sachliche Diskussion war seither nicht möglich. Dazu tragen auch völlig inakzeptable twittter-Bemerkungen wie diese zum obigen Artikel bei, die ich nicht kommentiere:

emtiu Michael BükerUnd @tauss disqualifiziert sich besonders gründlich m( Julia sei an Vergewaltigungsverhöhnung selbst schuld… tauss-gezwitscher.de/?p=2562 #piraten

19 Gedanken zu „Der böse Datenschutz

  1. Johannes Döh

    Hallo ihr beiden (Jörg & Julia), das ist der richtige Weg. Danke, dass ihr euch sachlich miteinander befasst.

    Ich muss eingestehen, dass ich der Post Privacy Strömung (ich möchte es nicht auf eine Gruppierung wie die Spackeria herunterbrechen) sehr skeptisch gegenüber stehe. Dass dann auch noch ausrechnet mit Julia eine aktive Piratin die Thesen von Post Privacy vertritt und verbreitet, hat sicherlich nicht nur mich irritiert. Die heftigen Diskussionen haben es bewiesen und leider auch, dass sich unter den Piraten auch viel Lumpenpack befindet. Somit ist die Piratenpartei auch in dieser Disziplin mal wieder etwas näher an die etablierten Parteien herangerückt.
    Julia hat die Gabe, sich sehr intellektuell in ihren Beiträgen auszudrücken und trotzdem emotionale Impulse zu implizieren. Das ist schon ziemlich beeindruckend, dennoch haben viele Leute damit Schwierigkeiten, die eigentlichen Botschaften richtig zu interpretieren. Sie sollte es einfacher formulieren, anstatt daraus einen Bestseller- Kurzroman zu kreieren.
    Jörg hat für seine Sicht der Dinge absolut recht damit, dass die Spackeria endlich mal „Nägel mit Köpfen“ machen müsste. Auch ich habe bereits mehrfach in Kommentaren auf deren Blog versucht, den Spacken entsprechende Lösungsansätze zu entlocken. Bisher erfolglos. Die kommen mir bisweilen vor wie die „FlowerPower Hippies der deutschen Netzgemeinde“ und als solche kann ich sie leider nicht ernst nehmen.
    Es ist daher eine vorhersehbare Gratwanderung von Julia Schramm, sich zwischen Piratenpartei und Spackeria zu bewegen. Und natürlich politisch gefährlich. Allerdings nur für die Piraten, denn die Spackeria ist ja schließlich keine Partei, die um die Wählergunst kämpfen muss.

    Ich hoffe inständig, dass Julia dies hinbekommt, was ich ihr auch bereits vor Monaten per Email (leider unbeantwortet) angeraten hatte. „Spackeria“ ist inzwischen in vielen Köpfen nur nach als „Datenschutz ade, weg mit der Privatsphäre“ hängen geblieben. Das ist zwar nicht der Fall, aber die Spackeria bringt es nicht fertig, sich eindeutig zu positionieren. Da kann man als Pirat Angst bekommen, dass sich die Partei spaltet bzw. die Partei nach aussen unglaubwürdig wird. So kann ich mir auch die heftigen Reaktionen gegen Julia von einzelnen unreifen Piraten erklären. Dennoch sollte man auch begreifen, dass politische Gegner diese Entwicklung mit Wohlwollen beobachten und befeuern.

    Ebenso habe ich als jemand, der eher der Generation von Jörg zuzurechnen ist, den Eindruck, dass Julia in ihren Artikeln häufig verkennt, dass auch vor ihrer Generation durchaus fähige Leute zugegen waren. Man könnte bei der Lektüre ihrer Artikel denken, die Welt wurde in den 80ern erschaffen und davor war der Urknall. Sie erwähnt immer wieder explizit, dass sie in der digitalen Welt zuhause sei, als wäre die Welt erst mit dem Internet entstanden. Wenn die Leute unter 30 tatsächlich so denken, fühlt man sich alt und ausgegrenzt. Dabei haben die Generationen davor es überhaupt ermöglicht, dass ihr reales Zuhause inmitten Europa so behaglich wie nie zuvor ist. Diese Selbstverständlichkeit ärgert mich bisweilen schon. Ich bin gespannt auf Julias Artikel zu den jüngsten Ereignissen um ihre Person und hoffe, sie ist daran gereift…

  2. Julia Schramm

    Lieber Jörg,

    ich verstehe nun deine Herangehensweise etwas besser und bin auch nicht mehr so enttäuscht von dir und deinen Attacken. Jedoch muss ich mich an einigen Stellen dieses Blogposts wirklich fragen: HÄ? O.O

    Du interpretierst meine Aussagen sehr, sehr, sehr phantasievoll. Dass ist auch ok, aber ich würde dich doch bitten erstmal zu reflektieren, was du mir da vorwirfst und ob das so zutrifft, wie du das gerne hättest. Du verdrehst meine Aussagen zum absoluten Gegenteil – bei Hinweis meinst du, dass es nicht anders zu interpretieren sei? Das finde ich doch extrem unfair. Ich meine es so, wie es da steht. Lars fasst es so zusammen, wie ich es meine. Mehr nicht. Punkt. Dass dich das stört ist dein gutes Recht, aber mir Worte und Gedanken andichten – ist das fairer politischer Kampf?

    Und ich scheue auch nicht die Diskussion. Ich renne, meist ohne finanzielles Entgeld, von einer Datenschutzdebatte zur nächsten, streite mit Datenschützer auch abseits der Öffentlichkeit und reflektiere ganz genau, was die sagen, wie die Situation ist. Ich sehe mich als Kontrapunkt in einer Diskussion – als Funktion. ich biedere mich auch nicht an – ich werde gefragt. Ich streite für ein BGE, für ein freies Netz und für Transparenz. Und viele Menschen interessiert meine Vision von der Welt. Viele der Anfragen haben auch GAR NICHTS mit Piraten oder Datenschutz zu tun, sondern handeln alleine von meinen Transparenzvorstellungen, einer Welt ohne Geheimnisse oder dem Leben eines Digital Natives.

    Der einzige valide Kritikpunkt, den ich bei dir rauslese, zwischen der Beleidigungen (und ich bitte dich, du bist schließlich derjenige, der mir unverschämte DMs hat zukommen lassen. Meine Kommentare der letzten Wochen gegen dich waren Reaktionen auf deine Hetze gegen mich.) und den Attacken: Die Spaltung des Lagers, das Füttern der Gegner mit Argumenten.

    Ja, Jörg, ich reflektiere das – aber ich glaube es kann keinen Fortschritt ohne Krach, ohne Streit geben. Die Wahrheit ist immer nur wirklich, wenn sie sich und das Gegenteil vereint. Den Widerspruch müssen wir institutionalisieren – nicht zwangsharmonisieren. Nun bist du jemand, der jahrelange politische Erfahrung hat und weiß, wie dankbar politische Gegner etwas wie meine (vermeintlichen) Gedanken aufnehmen. Aber das ist nicht meine Form des Kampfes. ich habe einen anderen gewählt. Die Ziele und Werte unterscheiden sich zwischen uns kaum bis gar nicht, sonst wären wir nicht beide immer noch Piraten. Nur der Weg unterscheidet sich. Ich habe deinen Weg die letzten Jahre verteidigt, weil ich weiß, dass du grundsätzlich für das „richtige“ einstehst. Das scheinst du mir abzusprechen. Und das macht mich traurig.

    Mit besten Grüßen
    Julia

    Antwort tauss:

    Hallo Julia,

    ich freue mich über diese direkte Kontaktaufnahme. Ich spreche Dir weder guten Willen ab noch unterstelle ich Dir Bösartiges und hoffe unverändert, dass dies beidseitig gilt. Ich bedauere sehr die persönlichen Attacken Dritter auf Dich, für die zu meinem großen Erstaunen auch ich in en letzten Stunden verantwortlich gemacht wurde. Ich hoffe Du weißt, dass das weder der Realität noch (insgeheimer) Absicht entspricht.

    Möglicherweise kann man aber in 140 Zeichen nicht höflich genug sein. Meine von Dir kritisierten „Attacken“ auf Dich entsprachen meiner politischen Einschätzung. Unverschämte „DM“ oder gar „Hetze“ vermag ich an keiner Stelle zu erkennen. Auch „sexistische Angriffe“ etc. kamen von mir zu keiner Zeit. Insofern bedauere ich, wenn Du mich hier mit anderen in einen Topf werfen solltest. Oder ist auch das ein Missverständnis?

    Aber nun auch gerne (nochmals) zu meiner Haltung. Erstens bin ich ein streitbarer Mensch und für den diplomatischen Dienst denkbar ungeeignet. Ich habe meine Meinung immer deutlicher geäußert als viele andere. Das macht mich aus und wird oft missverstanden. Aber Harmoniesucht liegt mir nicht, wenn es um Klarheit in der Sache geht. Und ich stehe gerne für die Sache- auch beim Datenschutz.

    Für mich sind die Piraten u. a. eben AUCH eine Datenschutzpartei. Ich habe mich dieser Partei damals angeschlossen, als ich sah, dass „meine“ alte SPD diesen Bereich, der sie einmal mit stark gemacht hat, aufgibt. Ich habe nach den Datenschutzskandalen des Jahres 2008 an diese Tradition anknüpfen wollen. Dies wurde „von oben“ verhindert und das war für mich noch mehr als Zensursula Grund, eine 38-jährige Mitgliedschaft aufzugeben.

    Nunmehr musste ich erleben, dass ein Teil der Piraten, die ich schätze, plötzlich gleichfalls „den Datenschutz“ zur Disposition stellt und „Datenschützer“ völlig undifferenziert zu einer überkommenen Spezies abqualifiziert. Vielleicht erklärt Dir diese Wahrnehmung auch zusätzlich die eine oder andere möglicherweise harsche Reaktion meinerseits. Ich war dabei, als Schäuble mit ähnlichen Worten (aber natürlich völlig anderem Sinngehalt) Datenschützern gedroht hat, die Stammtische auf sie zu hetzen, wenn sie bei der Vorratsdatenspeicherung nicht nachgeben. Und das erleben wir derzeit auch. Attacken auf Datenschützer machen mich zunächst einmal wütend, egal woher sie kommen. Insofern hast Du tatsächlich einen Teil dieser Wut abbekommen. Denn Datenschützer, unter denen es natürlich auch solche und solche gibt, sind für mich zunächst einmal Verbündete und nicht Gegner (der Piaten).

    Die Debatte, wie Du sie begonnen hast, trägt deshalb auch den Keim zur Spaltung der Piraten in sich. Das zumindest befürchte ich. Dabei unterstelle ich Dir keine Absicht.

    Die Kritik an Deinem jüngsten Beitrag in der Flaschenpost – und hier rede ich nicht von wirklich unterirdischen Angriffen – mag Dir aber zeigen, dass diese Befürchtung nicht von der Hand zu weisen ist. Der Grundfehler lag imho in der forschen undiskutierten Art des Vorgehens der Spackeria. Dabei bin ich mit ihr und Dir sehr dafür, die Chancen des Web 2.0 auszuloten, statt sie mit Paragraphen totzuschlagen. Es gibt zudem kaum jemanden aus der seriösen Datenschutzszene, und ich am allerwenigsten, die dem heutigen Datenschutz und vor allem den ihm zugrundeliegenden Gesetze aus den 70iger Jahren unkritisch gegenüber stehen. Er ist in die Jahre gekommen und er ist reformbedürftig. Genau das formulieren „die Datenschützer“ aber nicht erst seit 10 Jahren und sie werden genauso lange politisch abgebügelt. Und aus diesem Grunde reagiere ich empfindlich, wenn so getan wird, dass „die Datenschützer“ ewig gestrig dem Fortschritt im Wege stehen. Das Gegenteil ist der Fall.

    Constanze Kurz hat Dir zudem beim Politcamp 2011 mit Zitaten belegt nachgewiesen, wie unsere gemeinsamen politischen Gegner, und das sind für mich die Befürworter des Präventionsstaates, auch die von Dir angestossene politische Debatte zu ihren Gunsten zu verwenden suchen. Solche (berechtigten) Vorhaltungen, oder ich sage besser Argumente, wurden von Dir zumindest nach meiner Beobachtung nicht aufgegriffen oder für eine kritische Reflexion benutzt.

    Ganz im Gegenteil hatte ich das Gefühl, und Gefühle mögen täuschen, dass Du immer mehr nachlegst und nach innen wie nach außen Öl ins Feuer gießt.

    Ich hätte mir gewünscht, dass Du mit Deinem zweifellos auch vorhandenen medialen Talent eine Debatte beginnst, wie ein moderner Datenschutz oder die informationelle Selbstbestimmung in den Jahren 2011 aussehen könnte. Diesem Wunsch von mir wurde in der Debatte von vielen immer wieder mit dem Argument begegnet, die Spackeria könne keine Lösungen liefern, sondern wolle lediglich die Situation analysieren. Mag sein. Aber Analysen um der Analysen willen sind auch unbefriedigend, zumal dann, wenn sie bestenfalls zu Glaubenskriegen führen, was eigentlich auf welcher Grundlage mit welchem möglichen Ergebnis analysiert werden soll. Aus diesem Grunde bleibe ich dabei, dass nun genug provoziert wurde.

    Ich komme zu meinem letzten Problem, dem Begriff der „Postprivacy“ Du solltest klar beantworten, was ich Dich schon in Bonn gefragt habe und wo Du leider ausgewichen bist:

    Wo sind für Dich die Grenzen der Aufgabe von Privacy? Wo sind für Dich die Grenzen bei der Verletzung informationeller Selbstbestimmung oder soll es gar keine Grenze mehr geben?

    Wenn dieses einmal beantwortet würde, wäre möglicherweise viel mehr Klarheit und weniger Emotion in der Debatte, wiewohl ich auch Emotionen bei wichtigen Fragen schätze. Aber vielleicht führt dieser Meinungsaustausch nun auch endlich dazu, auch in der Sache weiter zu kommen. Dazu wäre ich bereit und stehe zur Verfügung. Traurigkeit, Sprachlosigkeit und Verletzungen jedenfalls sind das Letzte was ich will.

    Viele Grüße
    Jörg

  3. Borys Sobieski

    Ja, man darf und man soll es dürfen – Check! Habe nie etwas anderes behauptet.

    Nur weil irgendemand sich diese, meine Sichtweise, für seine eigenen Argumentationen in falscher Auslegung zu eigen macht, muss ich mich aber nicht für diesen Menschen rechtfertigen. Daher hat Herr Freidrich in dieser unserer Diskussion keine Relevanz.

    Das man Herrn Freidrich auf seine Fehler hinweisen sollte ist denoch Fakt, da haben Sie recht 😉

    Gruß Borys Sobieski

  4. kar

    Ich möchte anmerken, in der Frage ist für die Piratenpartei als solche zu befürchten, das andere Parteien die weiten Felder Datenschutz/Netzpolitik in Zukunft besser abdecken werden. Die Piratenpartei als solche sieht sich aktuell noch als oberster Meinungsgeber der Netzpolitik und dementsprechend als erste kritische Stimme gegen Positionen v. amtierenden Bundesinnenminister Friedrich (csu) u. glaubt, automatisch die Zukunft zu vertreten. Aber, wo sind denn die klaren Bekenntnisse an der Ursache des Problems Spackeria und damit einhergehend ein deutlicheres Profil incl. gefundene Antworten auf das Phänomen Spackeria als solches?

  5. Borys Sobieski

    Herr Tauss,

    lassen Sie doch mal Herrn Friedrich aus dieser unseren Diskusion heraus.
    Auch möchte ich mir verbitten, das SIE mir hier diese Aussagen zugrundelegen.

    Ich habe nie behauptet das ich etwas gegen Pseudonyme bzw. annonymität im Netz habe. Ich finde es aber schade, dass Sie für bestimmte Personen notwendig ist und viele aus einer diffusen Angst heraus dazu getrieben werden.

    Gruß Borys Sobieski

    Anmerkung tauss: Ich streite micht nicht über Motive. Diffus oder nicht- man darf. Und man muss es dürfen. Darum geht es. Herrn Friedrich kann ich aus der Diskussion nicht herauslassen, weil er sich zwischenzeitlich die Argumente der Spackeria, natürlich in völlig anderer Absicht, bedient. Auch Constanze Kurz hat hierauf beim lPC 11 in Bonn anlässlich einer Diskussion mit Julia Schramm sehr anschaulich hingewiesen.

  6. kar

    Ich ahne schon, das wird den ein oder anderen Leser wohl auf die Palme bringen, aber eine wirklich konsequente Durchsetzung v. Datenschutzstandards in Deutschland ist längst mehr als nur angebracht. Ich würde schon sagen/schreiben, min. 50 Prozent, was Projekte wie Wirspeichernnicht v. Teilnehmern (insb. bei der Integration v. Tools/Scripten/Tracker Dritter) fordern, sollte rechtsverbindlich einklagbar und strafrechtlich relevant sein.

  7. kar

    Warum wird in der Sache immer wieder vermengt, bzw. alles mögliche, was ein Autor meint, zum Datenschutz schreiben zu müssen, durcheinandergebreit zusammengefügt?

    Was wäre wirklich sinnvoll? Ich finde, das gewisse Tools/Tracker wie der Facebook Like Button u. Google Analytics ohne IP Anonymisierung auf Webseiten mit Deutschem Impressum auf Seiten ohne davon befreite Startseite m. verbindlichen Angaben zur Widerrufsmöglichkeit nicht nur zivilrechtlich untersagt, sondern darüber hinaus strafrechtlich sanktioniert sein müssten. Cookies sollten dann erlaubt sein, wenn diese keine IP Adressen (Personendaten) speichern. Wer eine Seite mit Sitz des Betreibers in einem anderen Land mit nidrigen Datenschutzstandards nutzt, ist das eine freie Entscheidung, die man respektieren sollte. Dies darf aber nicht als Argument dafür missbraucht werden können, den Datenschutz und damit einhergehende Rechte v. Betroffenen weiter einzuschränken. Deshalb sollte auch hier mal geschaut werden, ob die Forderung der Abschaffung v. Grundrechten nicht schon ein verfassungswidriges Verhalten darstellen, das längst strafrechtlich sanktioniert werden sollte.

  8. Ike

    Nachtrag:
    Ich bin gerade auf diesen Artikel gestoßen:
    http://larsreineke.de/2011/08/08/der-fehler-der-julia-schramm/

    Zitat:
    „Es ist schon ein sehr bemühtes Geschwurbel. Und zwar so bemüht und verklausuliert, dass beispielsweise der Kommentator Jörg Tauss, dem ich bisher schon zugetraut habe, auch komplizierte Satzkonstruktionen verstehen zu können, nicht in der Lage ist, daraus einfache und richtige Aussagen zu extrahieren, ohne einen mittelschweren Blutsturz zu erleiden.“

    Und:
    „Ihre Ausführungen (da ist sie bei der Spackeria übrigens nicht allein) lesen sich teilweise stilistisch, als hätte sie sich die Nacht davor sämtliche Pamphlete von Ulrike Meinhof in der Hörspiellangfassung reingezogen.“

    Anmerkung tauss: Ich habe Lars‘ Artikel dort kurz kommentiert

  9. Ike

    Hi!

    Julia hat auf alle Fälle erkannt, dass der klassische Datenschutz nicht mehr zu der heutigen Informationsgesellschaft passt und sich wandeln muss.

    Allerdings bleibt sie in ihren Äußerungen unkonkret – was ich an ihr massiv bemängle. Außerdem sehe ich nicht, dass der „betriebliche“ Datenschutz merklich gelockert werden darf. (Ich verstehe darunter, wie Firmen mit Daten umgehen)

    Mein Standpunkt uum privaten Umgang mit Daten steckt hinter dem Link des Blogposts.

    So oder so bleibt es aber eine Schweinerei, wenn Menschen persönlich angegriffen werden.

    Michael

    Anmerkung tauss: Auch persönliche Angriffe müssen in der SACHE möglich sein- aber selbstverständlich keine unter der Gürtellinie. Dessen ungeachtet ist die „Erkenntnis“ von Julia ja nicht gerade sensationell neu. Die wird von Datenschützern selbst formuliert. Ich erinnere an Professor Pfitzmann und der lebt leider sogar schon nicht mehr. Es gibt auch seit Jahren Diskussionen für einen modernen Datenschutz. Alles was dazu gesagt oder geschrieben wird ignoriert die Spackeria. Und das ist es, was zunehmend nervt.

  10. Borys Sobieski

    Herr Tauss,

    ich habe nichts gegen Pseudonyme im Netz. Das soll jeder handhaben wie er möchte.
    Ich habe aber definitiv etwas gegen Bevormundung. Und vor allem finde ich es schade, dass man jemandem sagen muss, dass ein Pseudonym besser ist als die eigene Person.

    Mfg
    Borys Sobieski

    Anmerkung tauss: Wer sagt das? Aber auch ein Pseudonym kann die Identität der eigenen Person unterstreichen. Ich verwende keines, sondern firmiere unter tauss. Mit welchem Recht verbiete ich es aber nach der Methode Friedrich ANDEREN, es ANDERS zu handhaben?

  11. Pingback: Twitterbeiträge diese Woche 2011-08-07 » BB – Boomels Blog

  12. jan.dark

    Ich glaube, der Artikel von Julia ist grobe Grütze.

    1.) Es gibt Daten wie finanzielle Daten oder medizinische Daten von mir. Die müssen wie bisher geschützt werden, Tendenz eher steigend wegen der vielen Hackern bzw. der exorbitanten Schlmapigkiet der Datenverarbeiter, die behackt werden können.

    2.) Es gibt hysterische Datenschützerbeiträge (häufig aus Schleswig-Holstein) die sind unterirdisch, z.B. das Ansinnen, des Landesbedienteten ohne Richteramt, der die Meinung vor sich herträgt, dass Abkommen der EU mit den USA keine Rechtskraft hätten (Cloud, Safe Harbor). Oder die Hysterchen, die unseren sensiblen Gebäuden nun ein Persönlichkeitsrecht zuordnen (Street View und der Terz von der Dame, die uns zwar mit gegepanschtem Mais zufüttern will, aber Häuser für zu sensibel hält als das man sie fotografieren dürfen, wenn man Google im Namen führt).

    3.) Gibt es einen schwierigen Bereich: wenn ich Daten über mich freiwillig ins Internet für jedermann zugänglich stelle, ist es dann realistisch anzunehmen, dass mein Arbeitgeber sie nicht sehen dürfte? Da müssen wir noch sehr intensiv nachdenken, was das alles wird. Aber normal: vor 1000 Jahren braucht sich auch keiner einen Kopf machen, was sein wird, wenn man keine Mönche mehr braucht, die Bücher von Hand abschrieben, sondern dusselige Maschinen dafür hat.

  13. Borys Sobieski

    Hallo Herr Tauss,

    ich denke Sie haben die „Spackeria“ bzw. die Aussagen von Julia Schramm noch nicht zur gänze durchdacht.

    Die Thesen sind als Anregung gedacht und nicht als Lösung. Und was nicht nur von Ihnen während dieser gesamten Diskussion nicht bedacht wird, ist der Unterschied zwischen Daten die erhoben werden müssen bzw. Staatlich/Kommerziell erhoben werden und den Daten, die ein privates Individuum bereitstellt.

    Niemand bezweifelt die Richtigkeit der Datensparsamkeit und das ein Jeder vor dem Missbrauch der über ihn (Staatlich / Kommerziell) gesammelten Daten geschützt werden muss. Dies ist Fakt und die verschiedenen Datenskandälchen und Skandale beweisen diese Notwendigkeit immer wieder aufs Neue.

    Datenschutz, so wie er momentan besteht, ist aber nicht in der Lage, die Bedürfnisse an einen Datenschutz in einer modernen Welt zu gewährleisten. Schlimmer noch, diese Bedürfnisse lassen sich technisch und mit Gesetzen nicht abbilden.

    Hier ist eine Änderung unser aller Wahrnehmung notwendig. Warum müssen Menschen sich im Netz annonym bewegen? Wieso habe ich etwas zu befürchten wenn ich mit meinem Namen auftrete? Und dies ist es, das der Spackeria zuwieder ist. Dieses sich verstecken müssen, um frei Leben zu können.

    Ich weiß, dass das Netz nichts vergisst. Ich habe gelernt damit zu Leben. Ich geniese diese Freiheit. Ich will NICHT, dass IRGENDWER mich hierbei behindert. Und ich will, dass ein jeder in der Lage ist so zu leben. Ich möchte nicht das selbstbestimmte Gutmenschen irgendwem Vorschreiben was ein System tuen darf und was nicht. Ich will, dass die Leute, die dieses System benutzen möchten, darüber aufgeklärt werden was passiert, wenn sie ein System benutzen. Ich will aus Unwissenden Wissende machen.

    Dies leistet kein Datenschutz.

    Gruß Borys Sobieski

    Anmerkung tauss: Ich habe mehrfach deutlich gemacht, dass der derzeitige Datenschutz reformbedürftig ist. Dies ist unstrittig. Ebenso unstrittig ist, dass die Gegner des Datenschutzes jahrelang Reformen für einen schlanken modernen Datenschutz bis hin zum Datenschutzaudit blockiert haben, um heute die Folgen dieser gesetzgeberischen Unterlassung heuchlerisch beklagen. Dies verkennt die Spackeria sträflich. Ansonsten teile ich die Auffassung nicht, dass man nichts zu „befürchten“ hat. Schon Kindern wird empfohlen, sich vorsichtig und nicht unter Klarnamen und Preisgabe persönlicher Daten im Netz zu bewegen. Das BVerfG hat dessen ungeachtet klar gesagt, dass es grundgesetzwidrig ist, wenn Menschen ihr Verhalten vorsorglich ausrichten (müssen). Ihre Argumentation erinnert mich an dieser Stelle zu sehr an den Spruch, „..wer nichts zu verbergen hat…“ und an Herrn Friedrichs heutige Äußerungen zur Anonymität im Internet. Aus diesem Grunde muss es im Netz ein Recht auf pseudonyme und anonyme Nutzung geben. Wenn Sie das für sich persönlich nicht wollen, ist dies Ihr gutes Recht. Allerdings gibt es keine Rechtfertigung, deshalb anderen Menschen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung abzusprechen.

  14. torus

    Nur mal eine Frage:

    > Julia schreibt:“Die zentrale Bedrohung meiner Person
    > ohne Datenschutz betrifft die soziale Existenz meiner
    > Person und die Unabhängigkeit meines Geistes in der
    > analogen Welt”.

    Du antwortest:

    > Ähhh…wie bitte? Jetzt wird’s langsam zur Paranoia.
    > Datenschützer bedrohen die “soziale Existenz” und die
    >“Unabhängigkeit des Geistes”. Geht’s noch?

    Dir ist hier schon klar, das sie schreibt „ohne Datenschutz“ und Du diesen Satz in seiner Aussage komplett umdrehst.

    Sowas darf nicht passieren.

    Anmerkung tauss: Welchen Sinn machte der Satz dann im sonstigen Kontext?

  15. Heiko

    Ich denke die Spackeria-Philosophie ist eine Kapitulation vor den komplexen Aufgaben die nötig wären um in der modernen IT-Infrastuktur persönliche Daten zu schützen. Somit ist Post Privacy für mich nur ein unreifes Verdrängen der tatsächlichen Verhältnisse zugunsten einer einfachen heilen Traumwelt.

    Tatsächlich ist die informationelle Selbstbestimmung, gerade vor dem Hintergrund der unüberschaubaren Möglichkeiten des Internets, ein noch wichtigeres Recht – so lange es weiterhin jederzeit eine Menge Leute gibt die persönliche Daten missbrauchen wollen und die wird es immer geben.

    Im Wesentlichen zeigt Julia Schramm aber genau diese Situation auf und auch wenn der Artikel eine deutliche Spackeriafärbung hat, so will ich ihr zugute halten, dass sie die momentane Problematik auf einen klaren Punkt zusammen fasst und somit als Situaltionsanalyse zu sehen ist. Lösungsansätze aufzuzeigen würde wohl auch einen deutlich umfangreicheren Artikel zur Folge haben 🙂

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