Staatsanwälte und Medien unterm Weihnachtsbaum

Die Staatsanwaltschaft zu Karlsruhe heißt Besucher auf ihren Internetseiten „herzlich willkommen.“ Wie es sich gehört, freut man sich dort nicht nur über Besuch, sondern es werden auch gerne Erfolgszahlen eigener beamteter Tüchtigkeit veröffentlicht. Stolz verweist die Behörde auf immerhin 68.597 Ermittlungsverfahren gegen „bekannte“ und „unbekannte“ Täter im vergangenen Jahr. 27.000 Verfahren gegen „bekannte Beschuldigte“ davon wurden „mangels Tatnachweis“ eingestellt. In 22% der Fälle gab es „sonstige Einstellungen“.

Richtig Arbeit machen den überlasteten Dienern der Karlsruher Gerechtigkeit wohl hauptsächlich jene 5% der bösen Buben, bei denen es tatsächlich zu einer Anklageerhebung gekommen sei. Was aus diesen Verfahren dann jeweils wurde, bleibt aber Geheimnis der Behörde und ist der „Erfolgsstatistik“ nicht zu entnehmen.

Da werden die sprichwörtlichen staatsanwaltschaftlichen Dampfplauderer aus der Residenz des Rechts ganz schweigsam. Selbst ein Interview seitens des Herrn Leitenden Oberstaatsanwalts Spitz wurde verweigert. Auch dessen Stellvertreter Rehring, zuvor kläglich gescheiterter Bruchsaler Ex-Knastdirektor, ist seit geraumer Zeit auf Tauchstation.

Dafür erfährt man per Pressemitteilung schon mal, dass in Bretten ein Ladendieb verhaftet worden sei oder gar ein Strassenbahnfahrer während der Fahrt (!) pornografische Sauereien verbreitet habe. Darüber hinaus ist im beschaulichen Karlsruhe, glaubt man der Statistik, aber noch viel mehr los.

Man erinnere sich an Weihnachten 2007. Ganz Deutschland saß damals laut SPON wegen eines „riesigen“ Kinderpornoskandals „geschockt“ unterm Weihnachtsbaum. Gegen 12.000 Verdächtige seien im Rahmen einer Aktion Himmel Ermittlungsverfahren eingeleitet worden, tönte es selbst aus der ARD „Tagesschau.“

Schon Tage später zeigte sich, dass der angebliche Skandal zur Operation „heiße Luft“ mutierte. Für viele Nutzer, so der Spiegel alsbald kleinlaut, hätten die Ermittlungen „keine Folgen gehabt.“ Rechtsanwalt Udo Vetter berichtete dennoch von einigen „Folgen“ für einen Mandanten, der im Zuge des „Skandals“ Ehefrau und Job verloren hatte. Solche „Kollateralschäden“ interessieren jedoch nicht, sofern es nur darum geht, das Thema Pornographie mit Kindern politisch und medial größtmöglich aufzubauschen.

Burkhard Schröder brachte es auf den Punkt: „Das Reizwort Kinderpornografie verführt deutsche Medien häufig zu einer kruden Mixtur aus Halbwahrheiten, urbanen Märchen und glatten Falschmeldungen.“ Ein westfälischer Ermittler sprach von einem „irren Verwaltungsaufwand“ für fast gar nichts.

In Köln und Bielefeld wurden die Verfahren in rund 900 „Fällen“ sofort eingestellt. Nur in Karlsruhe wußte man es natürlich besser. Die Aktion Himmel sei „kein Schlag ins Wasser gewesen,“ tönte es da. Über 120 Verfahren seien dort „aufgelaufen“, von denen nur 20 „schnell eingestellt worden seien.“ In über 100 Fällen habe es aber „weitere Ermittlungen“ gegeben, „bei denen auch Durchsuchungen vorgenommen und Rechner beschlagnahmt worden seien“ (Heise, 7.2.2008).

Anfragen, was denn aus diesen 100 Fällen wurde, werden allerdings auch im Jahre 2010 noch nicht beantwortet. Dabei wollte man doch zu gerne wissen, wie viele Verfahren es bei diesem Nichtschlag ins Wasser es nun tatsächlich gegeben hat, zu wie vielen Einstellungen oder gar wie viele Verurteilungen es in Karlsruhe denn so kam. Auskunft? Fehlanzeige!

„Meldungen hat es nicht mehr gegeben…“

Warum auch? Noch nicht einmal unsere „investigativen“ Qualitätsmedien interessierten sich nach dem Aufscheuchen der Öffentlichkeit um solche „Kleinigkeiten“. Wie beispielsweise unserer ARD-Tagesschau, die den Fall „Himmel“ mit ihrer weihnachtlichen Sensationshascherei erst so richtig in den Himmel gehoben hatte. Wurde auch nur durch einen Volontär einmal nach den Ergebnissen zur Sensationsberichterstattung von Weihnachten 2007 gefragt?

Schlicht NEIN: Weitere „Meldungen“ zur Aktion habe es nach dem 31.12.2007 nicht mehr gegeben. A ja. Wurde aber wenigstens weiter nachgeforscht, weil das journalistisch bei einem so spektakulären Fall vielleicht nicht ganz uninteressant sei? Dazu die Tagesschau-Chefredaktion auf schriftliche Anfrage: NEIN.

Warum wohl sollte man dem gigantischen „Skandal“ auch auf der Spur bleiben? Man hatte ja seine weihnachtliche Tagesshow mit dem Thema Kinderpornografie. So wie einmal mehr die viel beschäftigten Staatsanwälte in der Karlsruher Akademiestraße deren Show hatten.

Weiterführende Links „Riesiger Kinderpornoskandal schockiert Deutschland:“

http://www.heise.de/tp/r4/artikel/26/26963/1.html

http://www.heise.de/newsticker/meldung/Kinderporno-Wie-erfolgreich-war-die-Operation-Himmel-177176.html

http://www.spiegel.de/panorama/justiz/0,1518,525248,00.html

4 Gedanken zu „Staatsanwälte und Medien unterm Weihnachtsbaum

  1. bombjack

    Naja ich sag mal so die Seite img….xx toleriert anscheinend auch Bilder von nackten Kindern ala den diversen FKK-Magazinen…..explizite Posing-Bilder findet man dort (zumindest im öffentlich zugänglichen Teil) auch nicht….
    Meiner Meinung sind diese Bilder zwar eine Grauzone, aber nicht relevant im Sinne des StgB-§.
    Der Fall ist auch von einer best. Staatsanwaltschaft und gerade einem best. Staatsanwalt ausgegangen der anscheinend alles wo ein nacktes Kind drauf ist, für relevant hält und oh wunder auch für die Aktion Mikkado verantwortlich war und die dortigen Schweinereien vgl. ab Punkt f) http://www.heise.de/newsticker/foren/S-Wiederholungen/forum-113806/msg-12375105/read/ denn ein anderer Begriff fällt mir für so etwas nicht ein…..
    Ein befreundeter Journalist meinte, dass da ganz bewusst der Überrumpelungseffekt ausgenutzt wird. Nur dann bleibt immer noch die Frage woher wissen die TV-Leute die Zeit und den Ort?

    bombjack

  2. Kuno Wechsler

    Mit der Vorratsdatenspeicherung wären die „Erfolge“ der damaligen „Aktion“ sicher noch viiiiiiiel beeindruckender ausgefallen. 😉

    Der Presserummel (genauer: das massenhafte unkritische Herunterbeten der „Erfolgsmeldungen“ bundesdeutscher Strafverfolgungsbehörden) zur gefühlsduseligen Weihnachtszeit hat es seinerzeit dem damaligen Bundespräsidenten noch einfacher gemacht, das (inzwischen vom BVerfGericht für verfassungswidrig erklärte!) Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung zu unterzeichnen.

    Die SPD-MdBs, die trotz Kenntnis einer sehr wahrscheinlichen Verfassungswidrigkeit dem Gesetz vorher im Bundestag „unter Bedenken“ zugestimmt hatten (u. a. Ex-Juso-Chefin Nahles) konnten oder wollten sich dem Fraktionszwang nicht entziehen. Dokumentiert ist die Erklärung (oder besser gesagt das Rumgeeiere) der MdBs im Plenarprotokoll des Bundestages Nr. 16/124 (unter Anlage 4 in http://dipbt.bundestag.de/dip21/btp/16/16124.pdf )

    Wer in der Partei „noch was werden will“, sollte sein Gewissen oder gar Verfassungsgrundsätze nicht allzu konsequent bei seinem Abstimmungsverhalten berücksichtigen, nicht Frau Nahles?

    Zum Schluss ein Fazit:
    „Aber es geht doch um unsere Kinder, da ist JEDES Mittel recht!!!“ 😉

  3. Leitz12

    Interessanter Artikel. Mir ist auch aufgefallen, dass man hinterher überhaupt nichts mehr gehört hat von der Operation Himmel und schon damals die Informationsbasis sehr dürftig war. Vielleicht hat aber jemand noch mehr Infos als ich durchs googeln herausfinden konnte. Was mich besonders interessieren würde, wäre eigentlich mal die Frage,

    1. Wer überhaupt alles ins Visier der Ermittler geraten ist. Angeblich, allerdings etwas unklar, war die Grundlage der Besuch einer einzelnen russischen Seite, die als ganz normaler Bilder-Upload-Dienst für alle möglichen Bilder fungiert. Darunter allerdings auch einige zweifelhafte, aber offenbar – laut Aussage von Staatsanwaltschaften – nur höchstens ein halbes Dutzend kinderpornografischer Bilder. Sind die 12.000 Beschuldigten jetzt alle auf dem halben Dutzend Bilder gewesen oder sind die auch einfach in die Ermittlungen miteinbezogen worden, weil sie vielleicht ganz normale Bilder (ohne Kinder-Bezug) oder vielleicht aus welchen Gründen auch immer – einige eher harmlose und nicht pornografische Bilder mit nackten oder halbnackten Kindern und Jugendlichen angeschaut haben ? Und haben sich die Leute auf einer Seite angemeldet – was ja schon wieder etwas anderes wäre – oder sind die Leute einfach nur aufgrund Ihrer hinterlassenen IP, evtl. bei einem reinen Zufallsbesuch über irgendwelche Links, bereits unter Verdacht gestellt worden?

    2. Im Fall der Staatsanwaltschaft Köln sind alle Ermittlungen restlos eingestellt worden. Aber wie hat man sich das konkret vorzustellen? Haben dort trotzdem vorab Hausdurchsuchungen stattgefunden? Oder haben die Beschuldigten ein Schreiben bekommen, dass gegen sie Vorermittlungen laufen o.ä. Alleine das wäre ja schon evtl. mit erheblichen Konsequenzen für die Betroffenen verbunden, beispielsweise im familiären Umfeld.

    3. Die Operation Himmel ist im Nachhinein fast unisono negativ bewertet worden, außer vielleicht von den Staatsanwaltschaften. Wäre eine solch große Zahl von Ermittlungen – mit evtl. höchst zweifelhafter Grundlage – heute erneut möglich, auch vor dem Hintergrund der zunächst einmal vom BverfG gekappten Vorratsdatenspeicherung? Oder wird man da zukünftig professioneller vorgehen müssen, um sich nicht vollkommen ins Abseits zu stellen? Wohlgemerkt: Ich bin nicht gegen die Verfolgung von eindeutigen Fällen von Kinderpornographie, auch im Bezug auf die Konsumenten. Aber es kann ja nicht sein, dass Leute, die mal irgendwo rumklicken (in einem nicht kinderpornographischen Kontext), vielleicht dabei etwas gedankenlos vorgehen und (vielleicht über weiterführende Links) auf einige zweifelhafte, aber nicht strafrechtlich relevante Bilder stoßen, um schließlich am Ende morgens um 06.00 Uhr Besuch zu bekommen. (Sollte es denn so gewesen sein)

    4. Hat da jemand noch ein paar Hintergrundinfos zu dem ganzen Fall?

  4. Jens

    Und was hat der Rundfunkrat des verantwortlichen Norddeutschen Rundfunkrats auf die Programmbeschwerde beschieden?

    Anmerkung tauss: Wäre einer Überlegung wert 😉

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