Archiv für den Monat: Januar 2019

Seine Exzellenz wird gestalkt

Haben Sie schon eimal etwas von „unserem“ Botschafter, Rüdiger Freiherr von Fritsch, im fernen Moskau gehört? Der Name ist schon etwas bekannter, weil er nicht nur zu einer Familie mit langer und auch militärischer Tradition (bis hin zu den Nazis) gehört, sondern Herr von Fritsch auch schon mal Pässe fälschte, um Verwandten bei einer Flucht aus der DDR behilflich zu sein. Darüber konnte er dann auch ein Buch schreiben.

Ein bisschen James- Bond liegt dem adligen Herrn und Ex- Vizepräsidenten des deutschen Bundesnachrichtendienstes also schon im Blut, wenn er in durchaus geschliffener Rhetorik die Weltlage schildert. Die Geschäfte der deutschen Wirtschaft in Russland liegen ihm (zum Glück!) durchaus am Herzen, auch wenn dort aktive deutsche Unternehmer schon mal anmerken, mit kaum einem „arroganteren Volk“ als in der deutschen Botschaft zu Moskau je zu tun gehabt zu haben. Es lohne sich schlicht nicht, dorthin zu gehen.

Dessen ungeachtet kann dem Herrn Diplomaten bei kritischen Nachfragen durchaus ganz undiplomatisch der Gaul durchgehen. Fragt man ihn beispielsweise nach der Rechtfertigung deutscher Außenpolitik in Sachen Russland- und Krim – Boykott, wird schon mal vom möglichen Durchmarsch russischer Truppen bis nach Kiew fabuliert. Und überhaupt ist die Ukraine trotz gewisser negativer Entwicklungen, die man natürlich ebenfalls sehen müsse, vor allem eben ein armes unschuldiges angegriffenes Opfer Russlands. Maidan? War da was mit westlichem Putsch? Nö.

Das alles war (neben unbeantworteter Post wegen unserer „Krim-Affäre“) dann doch Anlass, Herrn von Fritsch einmal bei einem seiner Ausflüge in die badische Provinz zu besuchen und persönlich kennen zu lernen. Am 8. Januar weilte seine Exzellenz in Freiburg, am 11. Januar in Pforzheim, um dort seine Sicht der Dinge in durchaus gut gefüllten Veranstaltungsräumen zu verbreiten.

Im Forum der „Pforzheimer Zeitung“ kam es aber dann leider zu einem kleinen „Eklat“, den ich in meinem nachstehenden Schreiben an den Herrn Chefredakteur mit Namen Schlecht (das ist keine Polemik, der heißt so!) nochmals Revue passieren ließ. Es wäre eigentlich ganz lustig, wäre es nicht traurig:

Tauss als Stalker

Sehr geehrter Herr Schlecht, sehr geehrte Damen und Herren,

mit Interesse habe ich am Freitag Ihre genannte Veranstaltung mit dem deutschen Botschafter in Moskau, Herrn von Fritsch, im PZ- Forum besucht. Es ist oft interessant, was die Pforzheimer Zeitung so veranstaltet. Schon am Dienstag hatte ich in Freiburg beim Zwetajewa- Zentrum allerdings bereits das „Vergnügen“ mit seiner Exzellenz.  

Schon da nutzte ich die Gelegenheit, ihn einmal direkt auf die Sache Hausdurchsuchung unserer West-Ost-Gesellschaft in Baden-Württemberg (WOG) anzusprechen, deren Vorsitzender ich bin. In Moskau ist er leider sehr kontaktscheu. Es geht noch immer um eine Reise (auch mit Teilnehmer*innen aus dem Gebiet Pforzheim) zu den baden-württembergischen Partnerstädten von Baden-Baden, Heidelberg und Ludwigsburg auf der Krim, über die das Auswärtige Amt und der damalige Russland- Beauftragte Dr. h.c. Gernot Erler sogar vorab informiert war. 

Dennoch schickte man uns auf Veranlassung der Botschaft in Moskau Polizei und Staatsanwaltschaft wegen vermeintlicher „Boykottverstöße“ auf den Hals. Das ist schon deshalb merkwürdig, weil nach deutscher Lesart, wenn überhaupt, doch die Botschaft im ukrainischen Kiew zuständig sein müsste. Die Ermittlungen gegen mich und den Vorstand der WOG wurden dessen ungeachtet vor einem Jahr „wegen Unschuld“ eingestellt. Das können Sie bei Interesse alles ausführlich auch auf unserer Seite http://www.russlandbruecke.de/die-wog-krim-affaere/ nachlesen.

Bis heute (sic!) antworteten die Botschaft und deren Chef v. Fritsch aber nicht auf unsere Anschreiben. Die geforderte Entschuldigung liegt auch noch nicht vor. Wir blieben so u. A. auch auf 900.– Euro Anwaltskosten sitzen. Das ist sehr viel für einen kleinen gemeinnützigen Verein, der sich überwiegend im medizinisch- humanitären Bereich in Osteuropa engagiert. . 

Von Fritsch behauptete in Freiburg nun öffentlich, mit den Vorgängen nichts zu tun zu haben und bot mir ein Gespräch im Anschluss an die Veranstaltung an. Dies war aber leider nicht möglich, weil in Freiburg um 21.00 Uhr der letzte ICE in Richtung Karlsruhe abfährt.

Also nutzte ich die Gelegenheit, auch noch zu Ihnen zu kommen. Nachdem der Botschafter dann auf meine erneute Frage in Ihrem Forum sogar behauptete, allein das Bundesministerium für Wirtschaft sei zuständig, war das von ihm selbst angeregte kurze Gespräch jetzt wohl überfällig. Er wich aber nicht nur körperlich sehr behänd aus, sondern es wurde mir von Ihnen persönlich und mit Hinweis auf das Hausrecht der PZ untersagt, ihn zu kontaktieren. 

Wie passt das zu Ihrer Forumswerbung, „..selbstverständlich finden die Besucher auch Raum für Gespräche und Gedankenaustausch – gerne an der Theke oder im Foyer“?

MdB Gunther Krichbaum verstieg sich in Ihrem Gefolge witzigerweise sogar zur Behauptung, v. Fritsch würde von mir „gestalkt“. Eine anwesende Dame interpretierte dies dann als „ Bedrohung“ des Herrn. Das allein ist schon eine bemerkenswerte Auffassung von Dialog. Ihren Pforzheimer CDU- MdB will ich Ihnen aber natürlich nicht anlasten. Irgendwie passt er aber schon sehr gut ins Bild.

Gute Nacht……

Solche Vorgänge, sowohl mit Ihnen, wie mit Herrn Krichbaum und auch dem Botschafter selbst, habe ich in dieser Form in 40 Jahren Politik nämlich noch nicht erlebt. War man etwa genervt, weil das Publikum überwiegend kritische und unbequeme Fragen stellte, die vom Botschafter dann, je unbequemer und je kritischer,  desto ausweichender oder nicht beantwortet wurden? 

Zum Beispiel meine Zusatzfrage nach Annexion und Völkerrecht: Wenn die Wiedervereinigung der Krim mit Russland nach seiner Auffassung und offizieller Lesart einen Völkerrechtsverstoss darstellen sollte (kann man so sehen, muss aber nicht) – wie steht es dann mit dem NATO- Partner Türkei in Syrien, wo im Gegensatz zur friedlichen Krim ganze Städte (siehe Afrin) plattgemacht,  Menschen abgeschlachtet und vertrieben wurden? 

Diese Einmärsche gelten aber in der deutschen Politik interessanterweise nicht als Völkerrechtsverstoss. Warum? Gibt es ein Völkerrecht einerseits und ein NATO-Völkerrecht andererseits? 

Fänden Sie es rein journalistisch, ungeachtet persönlicher Auffassungen, dann nicht auch interessant, selbst bei einem eloquenten Gast und bei solchen Widersprüchen deutscher Diplomatie, einmal nachzuhaken?

Wenn dann jemand, dessen ungeachtet, dem Botschafter berechtigt vorwirft, die Unwahrheit zu sagen, siehe mein Beispiel Hausdurchsuchung, sollte dies doch eigentlich zusätzlich  journalistische Neugier wecken und nicht zu hausrechtlichen Erwägungen führen. Ich staune da doch sehr über Sie. 

Denn wir wissen aus Akteneinsicht, dass Herr v. Fritsch bestenfalls die halbe Wahrheit sagte (um es noch sehr höflich zu formulieren und um das eigentlich angemessenere Wort von einer Lüge zu vermeiden). 

Statt Interesse an Aufklärung Ihrerseits also dann Hausrecht versus Journalismus- kann man „ natürlich“ so machen. Immerhin habe ich diese Form investigativer Pressearbeit in den Räumen einer Zeitung, wie ausgeführt, erstmals kennen gelernt. Man lernt eben nie aus. 

Wenigstens für Ihre letzte Frage am Abend muss ich Ihnen allerdings ein Kompliment machen. Sie baten seine Exzellenz, auf Russisch zu sagen, was dort gute Nacht heißt. Chapeau!

Denn „ schöner“ konnte man den Herrn Botschafter vor Ihrem doch überwiegend sehr sachkundigen und russlandaffinen Publikum abschließend nicht vorführen. Er antwortete nämlich „Dobranoc“ (ausgesprochen Dobranoz). Nur ist das polnisch und nicht russisch. Da hieße es ausgesprochen richtigerweise  „spakoinoi notschi“. 

Das hört sich nun sicher sehr ähnlich wie die obige polnische Version an (Ironie off) . Ein deutscher Botschafter, der auch im 5. Jahr seiner Tätigkeit in Russland noch nicht einmal weiß, was dort gute Nacht heißt, bringt sein eigenes Problem mit dem Land und seine Kompetenz zum Land wohl ganz gut auf den Punkt.

Schönen Sonntag und viele Grüße 
Jörg Tauss