Archiv für den Monat: Dezember 2018

Die Krim- Politik – Ausdruck westlichen Wahrnehmungsverlusts

Meine Generation dürfte sich noch gut an die Schulatlanten aus den 50iger- und 60 -iger Jahren erinnern, mit deren Hilfe man uns im Unterricht erzählte, Deutschland bestünde eben auch nach dem zweiten Weltkrieg in den Grenzen vom 19hundertirgendwann fort.

Die Gebiete im Osten von Schlesien bis Ostpreußen seien, so damalige Lesart, eben derzeit und bestenfalls vorübergehend unter polnischer bzw. in Königsberg unter sowjetischer Verwaltung. Wer dazu kritische Fragen stellte wurde als dummer Schüler schief angesehen oder erhielt von alten Lehrern, die das Nazi- Reich überlebt hatten, eben schlechte Noten im damaligen Fach „Erdkunde“.

Dieser Wahrnehmungsverlust wurde gegen den erbitterten Widerstand der deutschen Rechten irgendwann und dann spätestens mit den Ostverträgen Willy Brandts aufgegeben.

Ein Beispiel solchen heutigen Wahrnehmungsverlusts erfährt man unverändert in der deutschen Außenpolitik am Beispiel der russischen Halbinsel Krim. Statt eines Links soll einmal der satirisch anmutende nachfolgend zitierte Text unserer Auswärtigen Amts vollständig dargestellt werden (unveränderter Stand 31. 12. 2018):

Von Reisen auf die Halbinsel Krim wird dringend abgeraten.
Die Krim gehört völkerrechtlich weiterhin zur Ukraine, wird aber derzeit faktisch von Russland kontrolliert. Seit Juni 2015 ist für Reisen auf die Krim vom ukrainischen Festland aus eine Betretenserlaubnis der zuständigen ukrainischen Behörde nötig, die nur unter bestimmten Voraussetzungen, keinesfalls jedoch für touristische Zwecke erteilt wird. Es wird nachdrücklich darauf hingewiesen, dass eine Einreise auf die Krim über russisches Staatsgebiet einen Verstoß gegen ukrainische Gesetze (illegale Einreise) darstellt und ein Einreiseverbot in die Ukraine nach sich zieht.

Nun lässt sich sogar über Völkerrecht trefflich streiten, wie dieser Artikel aus der FAZ zeigt.

Völkerrecht wird dessen ungeachtet nicht deshalb zum Völkerrecht, weil es die einsame Meinung der NATO oder der deutschen Bundesregierung darstellt. Es lässt sich auch darüber streiten, ob der Wunsch der Krim – Bevölkerung nach rascher Beendigung des ukrainischen Chaos vom Völkerrecht gedeckt ist. Denn dieses sieht manches vor: allerdings keine Selbstbestimmung eines Teils der Bevölkerung, wie auch das Beispiel der Kurden so tragisch wie anschaulich zeigt.

Dagegen dürfen NATO- Partner wie die Türkei sogar militärisch vorgehen. Und dies auch noch auf fremdem syrischen Staatsgebiet. Dass es sich hierbei um einen groben Bruch des Völkerrechts handelt bekümmert unsere Völkerrechtsexperten im Auswärtigen Amt allerdings herzlich wenig.

Verstoß gegen Grundprinzipen der Reisefreiheit

Dass die Ukraine in eklatanter Weise das Recht auf Reisefreiheit verletzt wird im oben zitierten Text de Auswärtigen Amts sehr nett umschrieben. Einerseits hält man an der Fiktion fest, die Krim sei Teil der Ukraine. Andererseits räumt man ein, dass die Ukraine keine Erlaubnis erteile, auf die Krim zu reisen. Was macht der interessierte Tourist, der sich ein eigenes Bild von der russischen Halbinsel verschaffen mag?

Bei Sewastopol: Überreste des alten Cherson

Logischerweise wendet er sich an diejenigen, die das Gebiet „kontrollieren“. Insofern reist man mit russischem Visum also sehr bequem via Moskau oder aus anderen russischen Städten auf die Krim. Komfortabel mit modernen Flugzeugen oder eben mit dem Auto und künftig mit der Bahn, wenn auch noch die Eisenbahnbrücke fertiggestellt sein wird.

Solche Reisen werden daher vom Auswärtigen Amt als selbsterklärte Interessenvertreterin des ukrainischen Regimes nicht gerne gesehen. Deshalb wacht die Botschaft in Moskau eifersüchtig darauf, dass niemand auf die Idee kommt, ohne „Betretungserlaubnis“ Historie, Kultur und Landschaft der Krim zu genießen.

Die Reiseerlaubnis wird aber, wie ausgeführt, von der ohnehin unzuständigen Ukraine nicht erteilt. Der erstaunliche Widerspruch, weshalb ausgerechnet „unsere“ Botschaft in Moskau und nicht die in Kiew für die Überwachung des Boykotts zuständig sein soll, wird auch durch Anfragen ans Auswärtige Amt nicht aufgeklärt.

Lieber denunziert der deutsche Botschafter in Moskau Krim – Reisende und hetzt ihnen Polizei und Staatsanwaltschaft auf den Hals. Selbst die Oberbürgermeister deutscher Partnerstädte auf der Krim bekommen Reiseverbote. Oder werden, wie die Oberbürgermeisterin von Baden-Baden, gar von der Kanzlerin persönlich angerufen. Dass sich die gewählten Oberbürgermeister in weiteren Städten, wie Ludwigsburg und Heidelberg, dies gefallen lassen, ist erstaunlich genug.

Im Übrigen ziehen Reisen auf die Krim nicht nur den Zorn deutscher Botschafter und Einreiseverbote in die Ukraine nach sich. Doch wen juckt’s? Es sollte nicht jucken. Die Ukraine wird irgendwann ihre Atlanten ändern müssen so wie sich die deutschen Atlanten unter Anerkennung der Realität geändert haben. Und deutsche wie europäische Außenpolitik sollte sich baldigst diesen Realitäten stellen und das nationalistische Regime in Kiew nicht in seiner abenteuerlichen Konfrontationspolitik bestärken.

Der Verlust Ostpreussens war eine Folge des 2. Weltkriegs. Der Verlust der Krim, nach wenigen Jahrzehnten ukrainischer Verwaltungsherrschaft, ist nicht Ergebnis eines Krieges.

„Er ist das Ergebnis einer natürlichen Abfolge von Sezession, Referendum und Beitritt (Anm.: in die russische Föderation). Sie schließen eine Annexion aus, und zwar selbst dann, wenn alle drei völkerrechtswidrig gewesen sein sollten,“ …. wie Professor Reinhard Merkel im schon oben verlinkten Artikel und bereits vor Jahren treffend anmerkte.

Ausflug vor der Küste Jaltas

Mirotworez.

Ich stehe auf der unsäglichen Fahndungsliste der Ukraine. Zum Nachlesen schrieb ich dazu bei Heise / Telepolis:

Die Bundesregierung und 5.400 Staatsfeinde in der Ukraine

Interessant ist, wie das Auswärtige Amt mit dem selbst in dessen Augen „inakzeptablen“ Vorgang umgeht. Stillschweigend wird er offensichtlich akzeptiert. Außer der „Linken“ interessiert sich auch im Deutschen Bundestag wohl niemand dafür.

Deshalb habe ich dort auch Unterlagen aus unserer IFG- Akte zur Verfügung gestellt. Denn trotz zahlreicher Schwärzungen, um die gute Zusammenarbeit mit der Ukraine nicht zu gefährden, gibt es doch einige interessante Erkenntnisse:

Mehrfach bat beispielsweise die deutsche Botschaft in Kiew um „Weisungen“ aus dem Auswärtigen Amt.

Erstmals per Mail von KIEW PR-1 (geschwärzt) am 20. Mai 2016 (sic!). Zitat: WICHTIG: Bitte um Weisung/ Skandal „Myrotworez“setzt sich fort. Er setzt sich bekanntermaßen bis heute fort. Es gibt keine Unterlagen darüber, ob es diese Weisungen und vor allem welche es gegeben hat.

Am 21. Mai 2016 gab es aus Kiew eine weitere Infomail ans AA in Berlin: „Unabhängig hiervon hatte ich gerade beim Empfang Tombinski/ Klimkin …. zum Europatag Gelegenheit, AL UAM Khymynets deutlichst zu sagen , dass sich die Sache zu schwerer Belastung der Beziehungen entwickelt. “ Anmerkung: Herr Klimkin ist der Außenminister der Ukraine.

Die „schwere Belastung“ scheint bis heute vor allem in Stillschweigen zu bestehen. Es wird daher jetzt Zeit, auch nach Jahren der Geduld und des Stillstands in der Sache, Flagge zu zeigen und Herrn Poroschenko deutlich zu machen, dass Schritte gegen die Ukraine möglich sind. Statt dessen fördert die Deutsche Bundesregierung munter sogar Straßenprojekte zu Ehren des ukrainischen Faschisten Bandera.

Äußerungen, Bekundungen und Handlungen der Bundesregierung weichen in Sachen Ukraine also ganz offensichtlich erheblich voneinander ab. Auch deshalb lasse ich, ungeachtet der persönlichen Betroffenheit, von der Sache bis zu einem Erfolg gegen Mirotworez nicht ab….. Versprochen, werter Heiko Maas 😉

Österreich ist da übrigen wesentlich massiver. Nachdem der ORF- Journalist Wehrschütz auf der „Staatsfeindeliste“ auftauchte gab es massive Proteste der österreichischen Bundesregierung. Berlin schweigt